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UMSTRITTENE ENTSCHEIDUNGEN

Heftige Bürgerbeschwerden gegen das Vorgehen der MA 35

(FOTO: KOSMO)
(FOTO: KOSMO)

Bei der Ankunft in Wien ist die erste Anlaufstelle für alle Bürger mit Migrationshintergrund die MA 35. Leider erwarten sie dort nicht immer Hilfe und ein entspannter Neustart im neuen Land. Viele Magistratsbeschlüsse landen sogar vor Gericht.

Aufenthaltstitel oder Visa, wie die Aufenthaltsgenehmigungen in Österreich normalerweise nennen, bekommt man bei der MA 35. Leider empfinden immer mehr Mitbürger bei ihren Gängen zur MA 35 Angst, denn sie behaupten, die einzige Regel bei der MA 35 ist, dass es keine Regeln gibt. Es gibt Fälle, in denen zwei Studentinnen mit identischem Status bei verschiedenen Beamten ihre Dokumente einreichen und verschiedene Bescheide erhalten: Eine bekommt ihr Visum, während die andere abgelehnt wird. Besonders bedrückend sind die Geschichten einzelner Familien und Betroffene sind häufig die minderjährigen Kinder. Die Zeit der Corona-Pandemie hat das Leben vieler unserer Mitbürger ins Chaos gestürzt, denn die MA 35 ließ keinen Parteienverkehr zu. Gut, das war in der ganzen Welt so, aber die Beamten beantworteten auch keine Telefonanrufe oder E-Mails und die Menschen fühlten sich wie Gefangene. KOSMO ist einigen der Geschichten, die man täglich hörte, auf den Grund gegangen und hat mit Menschen unserer Herkunft über ihre Erfahrungen mit der Magistratsabteilung 35 gesprochen.

Minderjährige Kinder acht Jahre ohne Visum!
Ružica Šainović (36) stammt aus Obrenovac (Serbien), arbeitet als Reinigungskraft und kam vor zehn Jahren zu ihrer Mutter, die österreichische Staatsbürgerin ist, nach Wien. Auf der Suche nach einem besseren Leben brachte sie auch ihre drei minderjährigen Töchter mit: Olgica, Marija und Radmila.

„Ich bin mit dem Wunsch nach Wien gekommen, hier zu bleiben. Daher war es mir wichtig, dass meine Kinder so schnell wie möglich Deutsch lernen und gute Schülerinnen werden. Als ich bei der MA 35 Aufenthaltsgenehmigungen für die Kinder beantragte, bekam ich leider die Antwort, dass meine Töchter Wien verlassen müssten. Ich schrieb Briefe, erklärte, dass meine Mädchen minderjährig sind, dass sie in Serbien niemanden haben, dass ich dort kein Haus besitze und dass ich ihre gesetzliche Obsorgeberechtigte war”, so die Geschichte der alleinerziehenden Mutter.
Ružicas Erklärungen fanden bei den zuständigen Beamten kein Gehör und es kam die Antwort, dass ihre minderjährigen Kinder Österreich innerhalb von 24 Stunden verlassen müssten.

Ich schrieb Briefe, erklärte, dass meine Mädchen minderjährig sind, dass sie in Serbien niemanden haben, dass ich dort kein Haus besitze und dass ich ihre gesetzliche Obsorgeberechtigte war

Ružica Šainović

„Aus Angst begann ich, die Töchter bei der Familie zu verstecken. Die Polizei kam zu mir nach Hause und ich sagte ihnen, ich hätte die Kinder bereits nach Serbien gebracht. Die Verfolgung meiner Kinder dauerte insgesamt acht Jahre. Zum Glück erzählte mir ein Onkel eines Tages, dass es eine Anwaltskanzlei gäbe, die auf genau solche Fälle wie meinen spezialisiert war. Ich ging sofort mit allen Unterlagen dorthin. Leider verzögerte die Pandemie die Entscheidung meines Falles vor Gericht, aber nach einem Jahr und zwei Monaten konnte ich aufatmen, denn meine Töchter wurden offiziell Bürgerinnen dieses Landes. Ich bin überglücklich, dass wir endlich ruhig schlafen können, obwohl ich die jahrelange Angst nur schwer ablegen kann”, betont diese junge Frau und rät allen, nicht aufzugeben.

Aus Angst vor einer Abschiebung brach Olgica die Schule ab. Sie und ihre drei Töchter lebten jahrelang in ununterbrochener Angst. (FOTO: Amel Topčagić)

Das sagen die Kinder…
Olgica (18): „Ich habe die Schule nach der achten Klasse abgebrochen, denn ich hatte Angst, die Wohnung zu verlassen. Ich blieb alleine zu Hause, während meine Altersgenossen einfach in die Schule gingen. Was auch immer ich versuchte: Zuerst brauchte ich ein Visum. Jetzt, wo ich es bekommen habe, habe ich mich entschlossen, eine Handelsschule zu besuchen.”

Marija (15): „Ich hatte Angst, in den Park zu gehen. Ständig habe ich um mich geschaut, ob irgendwo die Polizei war und uns verhaften könnte. An dem Tag, an dem wir die Visa bekommen haben, habe ich vor Freude geweint, denn ich hatte acht Jahre lang beobachtet, wie meine Mutter erfolglos für uns gekämpft hatte.”

Radmila (13): „Meine Schulfreundinnen wussten von unseren Problemen und haben sich mit mir gefreut, als wir die Visa bekommen haben. Ich möchte Apothekerin werden und jetzt kann ich dafür auch die richtige Schule besuchen. Ich bin so glücklich!”

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