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UMSTRITTENE ENTSCHEIDUNGEN

Heftige Bürgerbeschwerden gegen das Vorgehen der MA 35

Mag. Džidić: „Man sollte die Beschwerdefrist keinesfalls verstreichen lassen.“ (FOTO: Amel Topčagić)

Rechtshilfe in der Muttersprache
Mag. Haris Džidić stammt aus Bosnien-Herzegowina, hat sein Jus-Studium in Wien abgeschlossen und arbeitet seit 2017 in der Anwaltskanzlei „Gottgeisl & Leinsmer”. Er bestätigt, dass die meisten seiner Mandanten vom Balkan stammen.
„Die Abwesenheit von Sprachbarrieren und die Kenntnis der Mentalität und Denkweise machen es möglich, dass wir uns schnell und einfach verstehen. Auch ich bin Migrant, ich habe diese ganze administrative Prozedur selbst einmal durchlaufen, genau wie meine Mandanten, darum kann ich die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, sehr gut verstehen und erkenne sie wieder”, sagt Mag. Džidić zu Beginn des Gesprächs mit KOSMO.

KOSMO: Wenn es um Entscheidungen der MA 35 geht, welches sind da die häufigsten Probleme?
Haris Džidić: Leider geschehen Fehler, wenn die MA 35 Fälle nicht im Detail untersucht. Darum sind einige Entscheidungen fehlerhaft, was die geschädigten Bürger mehrfach trifft.

Ich habe Entscheidungen der MA35 erlebt, die die Menschenrechte verletzen.

Mag. Haris Džidić

Haben Sie einen Rat für Menschen, die von der MA 35 eine Ablehnung erhalten?
Vor allem muss ich betonen, dass die Einspruchsfrist mit dem Zustellungsdatum des Beschlusses zu laufen beginnt. Darum ist es sehr wichtig, nicht zu warten, bis die Einspruchsfrist abläuft, sondern sofort zu einem Anwalt zu gehen, zu dem man Vertrauen hat und der im Namen des Mandanten rechtzeitig Einspruch einlegt. Ich muss auch erwähnen, dass man nicht bis kurz vor dem Ende der Einspruchsfrist warten sollte, denn auch die Anwälte brauchen Zeit, um sich in den Fall gut einzuarbeiten und den Einspruch vorzubereiten. Das ist auch im Interesse des Mandanten. D.h. gleich nach dem Eintreffen der Ablehnung sollte man sich professionelle Hilfe suchen und sich nicht auf den Rat von Freunden und Verwandten verlassen, auch wenn sie es gut meinen. Man darf keine kostbare Zeit verlieren, denn das kann dazu führen, dass der Fall verloren wird.

Darf jemand, der einen ablehnenden Bescheid bekommen hat, in Wien bleiben, bis der Fall abgeschlossen ist?
Wenn es um die Ablehnung eines Erstantrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geht, können Personen, die ohne Visum einreichen dürfen – und das trifft auf die meisten Staatsbürger der ehemaligen jugoslawischen Länder zu – sich nicht länger im Land aufhalten, als dies nach den Visaregeln erlaubt ist, nämlich 90 Tage. Hier spielt der Anwalt eine wichtige Rolle, der den Mandanten auf mögliche Versäumnisse hinweist, die den Fall verkomplizieren können, wie etwa die Regel, die oft missachtet wird, dass die bereits erwähnten 90 Aufenthaltstage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen nicht überschritten werden dürfen.

Widersprechen manche Entscheidungen der MA 35 der Menschenrechts- bzw. der Kinderrechtskonvention?
Leider sind mir solche Fälle untergekommen. Wie sonst sollte man den Fall der drei minderjährigen Kinder bewerten, die acht Jahre lang kein Aufenthaltsvisum bekommen konnten und von deren Mutter gefordert wurde, sie nach Serbien zurückzubringen? Das ist eine direkte Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, nämlich von Artikel 8 der EMRK bzw. des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Kontakt:
Mag. Haris Džidić

Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte
Keplerpl. 12, 1100 Wien
Tel.: 01 600 27 71 – 50
E- mail: hd@gl-recht.at
www.gl-recht.at

MA 35: Stellungnahme der zuständigen Behörde
Da aufgrund der Covid-Schutzbestimmungen der persönliche Kundinnenkontakt (vor Corona gab es in der MA 35 durchschnittlich 3.400 persönliche Kundinnenkontakte pro Tag) nur sehr eingeschränkt möglich ist und der Großteil telefonisch oder per E-Mail abgewickelt wird, ist die telefonische Erreichbarkeit teilweise eingeschränkt. Es besteht jedoch immer die Möglichkeit sich an das Anliegenmanagement (anliegen@ma35.wien.gv.at) der MA 35 zu wenden.
In die Zuständigkeit der MA 35 fällt die Vollziehung der Bundesgesetze. Es gibt zB. im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 22 verschiedene Arten von Aufenthaltstiteln. Das Gesetz regelt klare Vorgaben, die erfüllt werden müssen. Diese werden von den Fachjurist*innen geprüft. Ein Ermessenspielraum besteht dabei nicht.
Die Entscheidungen der MA 35 halten in der Regel vor Gericht. Höchstgerichtliche Entscheidungen fließen stets unmittelbar in die Verwaltungspraxis der Behörde ein. Bei den Entscheidungen werden strengste Standard einheitlich vorgegeben und überprüft. Die von Ihnen vorgebrachten Kritikpunkte betreffen im Wesentlichen die bundesgesetzliche Rechtslage.
Mag.a Karin Jakubowicz, Leiterin Stabstelle Kommunikation
Stadt Wien – Einwanderung und Staatsbürgerschaft