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UMSTRITTENE ENTSCHEIDUNGEN

Heftige Bürgerbeschwerden gegen das Vorgehen der MA 35

„In Bearbeitung”: Milica wartet seit März 2020 auf eine Visumsverlängerung. (FOTO: Amel Topčagić)

Eine Juristin, der ihre Rechte verwehrt werden
Milica Stojančev kommt aus Niš und hat in Serbien die juristische Fakultät abgeschlossen. 2015 ist sie nach Wien gekommen und bekam, da sie mit einem EU-Bürger verheiratet ist, gleich ein Visum auf fünf Jahre. Sie ist Mutter zweier Kinder, von denen das jüngere in Österreich geboren wurde. Als sie ihr Visum verlängern musste, erwartete sie keine Probleme.

„Mein Mann und ich haben Arbeit, die Kinder gehen in die Schule. Ich habe die Deutschprüfung auf dem Niveau C1 bestanden und bin im Prozess der Nostrifikation meines Diploms. Man kann also sagen, wir sind eine gut integrierte Familie. Im März 2020 schickte ich meine Dokumente zur MA 35 und erwartete, dass sie mich benachrichtigen würden, wann ich mein neues Visum abholen könnte. Aber obwohl die gesetzliche Bearbeitungsfrist sechs Monate beträgt, passierte gar nichts. Als die Frist abgelaufen war, erhielt ich die Aufforderung, die Dokumente zu ergänzen, d.h. ich sollte ein neues Foto schicken, das nicht älter als sechs Monate war, und nachweisen, wo ich mich 2016 aufgehalten hatte. Der Beamte, der meinen Fall bearbeitete, musste etwas finden, um die Fristüberschreitung zu rechtfertigen. Ab der Ergänzung der Dokumente begann eine neue sechsmonatige Frist zu laufen. Daher habe ich keine Möglichkeit, einen Einspruch einzulegen, denn ich habe ja keinen Beschluss bekommen”, erzählt Milica von ihrem Fall.

Ein besonderes Problem ist die Schwierigkeit, mit den Beamten der MA 35 auf irgendeine Weise in Kontakt zu treten. Das macht die Menschen ohnmächtig und wütend.

Jemanden ans Telefon zu bekommen, ist eine Mission Impossible, und auch auf E-Mails antworten sie nicht. Jede Antwort, die ich mühsam bekommen habe, lautete: „Es ist in Bearbeitung.”

Milica Stojančev

„Jemanden ans Telefon zu bekommen, ist eine Mission Impossible, und auch auf E-Mails antworten sie nicht. Jede Antwort, die ich mühsam bekommen habe, lautete: „Es ist in Bearbeitung.” Auf die Frage, ob noch Unterlagen fehlten und warum das Verfahren so lange dauerte, gab es keine Antwort. Nach fünfeinhalb Monaten hartnäckigen Nachfragens erhielt ich die Bestätigung, dass das Visum in Arbeit ist. Dieses Dokument, die Einreichbestätigung, bietet mir eine Sicherheit im Falle, dass ich mich ausweisen muss, oder in einer anderen Situation bin, in der ich ein Visum vorweisen muss. Mir ist bewusst, dass lange Zeit Lockdown herrschte, aber ich nehme an, dass die Beamten trotzdem im Dienst waren, auch wenn sie keinen direkten Parteienverkehr hatten. Es wundert mich, dass die offenen Fälle in dieser Zeit nicht bearbeitet wurden und dass eine enorme Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund im Moment Probleme mit den Visa haben, die sie zur Lösung existentieller Fragen brauchen”, unterstreicht die junge Juristin.

Eine Mutter wurde von ihren Kindern getrennt
Endlich kann sich die vierköpfige Familie Cakić freuen! Der Vater der Familie, Melis (46), die Mutter Alena (41), ihr Sohn Arien (10) und die Tochter Lana (7) dürfen offiziell in Wien zusammenleben, nachdem ein Gericht die Entscheidung der MA 35 aufgehoben hat, mit der der Mutter der minderjährigen Kinder das Recht auf ein Visum verwehrt worden war.

Auch, wenn Alenas Töchter und ihr Ehemann österreichische Staatsbürger sind, wurde ihr Visumsantrag abgelehnt. (FOTO: Amel Topčagić)

Melis, von Beruf Musiker, ist schon 1992 aus Bosnien-Herzegowina nach Wels (Oberösterreich) gekommen. Nachdem er seine Familie gegründet hatte, kamen auch seine Frau und sein kleiner Sohn nach und erhielten das Aufenthaltsrecht in Österreich. In Wels wurde dann ihre Tochter geboren. Nicht lange danach erhielten Melis und die Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft, auf die Alena noch keinen Anspruch hatte. Aber…

„Nach viereinhalb Jahren in Wels ging ich 2016 mit den Kindern nach Sarajevo zurück, um mein Studium an der Musikakademie abzuschließen. Ich bekam mein Diplom und arbeitete eine Zeit lang dort. Aber da uns das Getrenntleben immer schwerer fiel, haben wir uns geeinigt, nach Wien zu ziehen. Im September 2020 hatten wir schon eine Wohnung, die Kinder waren eingeschult und ich bekam einen Termin bei der MA 35, um meinen Visumsantrag abzugeben. Da mein Mann und die Kinder österreichische Staatsbürger sind, erwartete ich nicht, dass Probleme auftreten könnten”, beginnt Alena ihre Geschichte gegenüber KOSMO.

Da mein Mann und die Kinder österreichische Staatsbürger sind, erwartete ich nicht, dass Probleme auftreten könnten

Alena Cakić

Von der MA 35 kam keine Antwort und im Dezember liefen die 90 Tage ab, die sie in Österreich verbringen durfte. Denn der Antrag von Frau Cakić wurde als Erstantrag behandelt, obwohl sie vorher in Wels gelebt hatte.

„Schweren Herzens ließ ich die Kinder bei meinem Mann und fuhr nach Sarajevo. Das war schrecklich für mich! Vom Magistrat kam im Jänner eine schriftliche Aufforderung, Dokumente nachzureichen, obwohl sie das Papier, das sie forderten, bereits hatten. Dennoch schickte ich es sofort noch einmal. Im März, als ich noch in BiH war, erhielt ich dann die Ablehnung mit der Begründung, dass wir nicht genügend finanzielle Mittel zum Leben hätten. Wir konnten es nicht glauben, denn ich hatte die Bestätigung einer Firma beigefügt, die sich verpflichtete, mich mit einem Monatsgehalt anzustellen, das für die Ausstellung der Rot-Weiß-Rot-Karte ausreichte. Es wunderte uns auch, dass in der Ablehnung unsere minderjährigen Kinder nicht erwähnt waren, obwohl sie alle ihre Dokumente hatten”, so die Fortsetzung des traumatischen Erlebnisses.

Da alles klar und sauber war, sagte man uns sofort, dass der Beschluss der MA 35 aufgehoben sei.

Melis Cakić

Als die Ablehnung vom Magistrat kam, suchte Melis sofort juristische Hilfe. „Auf Empfehlung kontaktierte ich Mag. Džidić, der mir Hoffnung machte, dass sich unser Fall vor Gericht positiv lösen lassen würde. Sobald Alena aus Sarajevo kam, reichten sie einen Einspruch gegen den Beschluss der MA 35 ein und erhielten einen Gerichtstermin am 10. Mai. Da alles klar und sauber war, sagte man uns sofort, dass der Beschluss der MA 35 aufgehoben sei. Aber wir konnten uns noch nicht freuen, denn wir stießen auf ein neues Problem bzw. auf die dreiste Erklärung eines Beamten der MA 35, dass wir noch zwei Monate auf die Ausstellung der Karte warten müssten. Das hätte bedeutet, dass meine Gattin wieder aus Österreich ausreisen müsste. Zum Glück löste sich dieses Problem am 17. Juni direkt vor ihrer Abreise”, erzählt Melis über seinen Leidensweg und fügt hinzu, dass die Beamten der MA 35 eine Reihe von Fehlern gemacht hatten und mit ihrer Entscheidung zwei minderjährige Kinder, die österreichische Staatsbürger sind, dazu verurteilt hätten, ohne Mutter aufzuwachsen.

Das sagen die Rechtsexperten (auf der nächsten Seite)…

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.