Fleisch ohne Tierleid, gezüchtet im Bioreaktor – während die EU erste Zulassungsanträge prüft, formiert sich in Österreich entschlossener Widerstand gegen die Revolution auf dem Teller.
Laborburger statt Schlachthof
Was wie Science-Fiction klingt, steht kurz vor der Markteinführung in Europa: Fleisch aus dem Labor, das ohne Tierhaltung und Schlachtung hergestellt wird. Während die ersten Zulassungsverfahren bei der EU-Kommission bereits laufen, positioniert sich Österreich entschieden gegen diese Entwicklung. Das französische Startup Gourmey hat einen Antrag für kultivierte Gänsestopfleber eingereicht, und das niederländische Unternehmen Mosa Meat folgte Anfang 2025 mit einem Produkt aus Labor-Fett. Bei dieser Technologie werden tierische Zellen in Nährmedien gezüchtet – ganz ohne Tierschlachtung.
Rechtliche Hürden
Für Österreichs Ablehnung könnte es jedoch eine rechtliche Hürde geben. „Nationale Verbote sind EU-rechtlich problematisch“, erläutert Ivo Rzegotta vom Good Food Institute Europe. Erhält ein Produkt die Novel-Food-Zulassung (EU-Genehmigung für neuartige Lebensmittel) der EU, gilt diese automatisch für alle Mitgliedsstaaten – was in Frankreich zugelassen wird, darf dann auch in Österreich verkauft werden. Befürworter betonen die Vorteile: kein Tierleid, reduzierte CO₂-Emissionen und Verzicht auf Antibiotika. „Es bietet große Chancen für nachhaltige Jobs“, sagt Rzegotta. Die Bevölkerung zeigt sich gespalten – während eine Umfrage 63 Prozent Zustimmung verzeichnet, lehnten in Kärnten sogar 82 Prozent der Befragten Laborfleisch ab.
Sinkende Kosten
Die Produktionskosten sind drastisch gesunken. Kostete ein im Labor hergestellter Burger anfänglich noch 250.000 Dollar, liegen die Herstellungskosten heute bei geschätzten 5 bis 6 Euro pro Kilogramm. Die Massenproduktion rückt damit in greifbare Nähe. Dennoch bleibt der Preis hoch, und viele Verbraucher reagieren skeptisch auf den Gedanken an „Fleisch aus dem Bioreaktor“.
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) formuliert die Grundsatzfrage: „Wir stehen vor der Entscheidung: Natürliches Lebensmittel oder Fabrikfleisch.“ Seine Position ist eindeutig gegen Laborfleisch gerichtet, wobei er besonders die Existenz der 98.000 tierhaltenden Betriebe in Österreich durch internationale Konzerne gefährdet sieht.
„Nur was auf der Weide wächst, darf auch Fleisch heißen.“ Er verlangt eine unmissverständliche Etikettierung, die Laborfleisch als solches ausweist.
Ökologische Bilanz und wirtschaftliche Auswirkungen
Bezüglich der Umweltauswirkungen sprechen aktuelle Studien eine deutliche Sprache: Der Wasserverbrauch bei der Herstellung von Laborfleisch liegt bis zu 78 Prozent unter dem der konventionellen Fleischproduktion, während der Flächenbedarf um mehr als 90 Prozent reduziert werden kann – besonders im Vergleich zur Rindfleischerzeugung. Diese Zahlen machen das Potenzial der neuen Technologie aus Klimaschutzsicht deutlich erkennbar.
Doch aus wirtschaftlicher Perspektive zeichnet sich ein anderes Bild. Der österreichische Fleischsektor erwirtschaftet jährlich rund 8 Milliarden Euro und beschäftigt etwa 75.000 Menschen – ein bedeutender Wirtschaftszweig, der durch die neue Konkurrenz unter Druck geraten könnte. Der Bauernbund fordert daher verstärkte Investitionen in nachhaltige regionale Landwirtschaft und klare Herkunftskennzeichnungen, um heimische Produzenten zu schützen und Transparenz für Verbraucher zu gewährleisten.
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