Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat nach seinem jüngsten Russland-Besuch nun auch die Ukraine besucht. Der Staatschef nahm an einem eintägigen Gipfeltreffen in der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa teil – ein diplomatisch bemerkenswerter Schritt inmitten des anhaltenden Konflikts. Der Zeitpunkt des Besuchs unterstreicht die Brisanz: Erst kürzlich war Odessa Ziel russischer Drohnenangriffe geworden.
Für Belgrad ist dieser Besuch ein außenpolitischer Drahtseilakt. Obwohl Serbien EU-Beitrittskandidat ist, hat das Land bislang keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Am Nachmittag des 11. Juni veröffentlichte Vucic auf Instagram ein Foto mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und beschrieb ihr Gespräch als bedeutsam für die Bewältigung der geopolitischen Herausforderungen Europas.
Die Position Serbiens im Ukraine-Konflikt bleibt vielschichtig: Einerseits hat Belgrad die russische Politik in den Vereinten Nationen verurteilt und unterstützt offiziell die territoriale Integrität der Ukraine. Andererseits pflegt Vucic enge Beziehungen zu Moskau. Diese haben allerdings einen Dämpfer erhalten, nachdem der russische Geheimdienst Serbien Waffenlieferungen an die Ukraine vorwarf.
Der ehemalige Diplomat Nebojsa Vujovic interpretiert den Besuch als nicht in Belgrad geplant und vermutet, dass Vucic dem Drängen europäischer Partner nachgibt, seine Position im Konflikt klarer zu definieren.
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Umfangreiche Waffenexporte
Der Umfang serbischer Waffenexporte in die Ukraine wird auf etwa 800 Millionen Euro beziffert. Petar Milutinovic vom Institut für Europäische Studien wertet Vucics Ukraine-Besuch als möglichen Wendepunkt in der serbischen Außenpolitik.
Er könnte eine verstärkte Westorientierung und Distanzierung von Russland signalisieren – was wiederum die seit 2012 laufenden, aber schleppend vorankommenden EU-Beitrittsverhandlungen beschleunigen könnte.
Diplomatische Risiken
Der diplomatische Schritt birgt jedoch auch Risiken: Er könnte sowohl in Moskau als auch bei prorussischen Teilen der serbischen Bevölkerung auf Unmut stoßen. Besonders heikel ist die Situation angesichts der Energiekrise – Serbien bezieht sein Gas ausschließlich aus Russland.
Die Reise nach Odessa, das sich in relativer Nähe zur Frontlinie befindet, erforderte zudem eine intensive Abstimmung mit ukrainischen und westlichen Sicherheitskräften, was die symbolische Bedeutung des Besuchs zusätzlich verstärkt.
Zuletzt hatte mit Boris Tadic im Jahr 2011 ein serbischer Präsident die Ukraine besucht.
Der Gipfel Ukraine-Südosteuropa, an dem neben Vucic weitere europäische Staatschefs teilnahmen, wurde 2022 ins Leben gerufen, um die regionalen Beziehungen zu stärken.
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