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INTERVIEW

Senada: „Meine Sabina ist noch am Leben!“

KOSMO: Wie haben Sie sich gefühlt, als das alles passierte?
Es ist nicht in Worte zu fassen … Unser Kind, das nie von unserer Seite gewichen ist, das wir nie alleine gelassen haben, ist plötzlich verschwunden. Wir haben sie vor allem beschützt und ihr Geborgenheit innerhalb der Familie gegeben, und dann ging sie ins Ungewisse, in die Unsicherheit und Schrecken des Krieges. Bei all dem Unglück haben mich vor allem die Kommentare einiger Leute getroffen, die uns verurteilten, uns Terroristen nannten … Ich betone, dass wir keine Veränderungen bei Sabina bemerkt haben und man in unserem Haus nichts hören oder sehen konnte, was sie auf diesen Weg hätte lenken können. Wir haben den Inhalt des Telefons unserer Tochter nie zu Gesicht bekommen. Mir ist wichtig hervorzuheben, dass die Polizei am Flughafen Wien den größten und schlimmsten Fehler begangen hat, indem sie zwei minderjährige Mädchen ohne Begleitung oder schriftliche Zustimmung der Eltern über die Grenze ließ. Samras erwachsener Freund hat damals die Flugtickets bezahlt.

KOSMO: Wann haben Sie die ersten Informationen über Ihre Tochter bekommen?
Ungefähr zehn Tage nach der Abreise rief zuerst Samra an, dann schrieb mir Sabina von ihrer österreichischen Nummer aus. Sie hat mir nicht gesagt, wo sie sich befindet. Später rief sie mich jeden Tag an, aber ich habe sie nicht ausgefragt, weil ich nie wusste, wer neben ihr ist. Ich bemerkte, dass sie es vermied, meine Fragen zu beantworten, also musste ich an ihre Sicherheit denken.

KOSMO: Was haben Sie ihr geraten?
Ich hörte, was dort für Schrecken vor sich ging, also riet ich ihr, zu heiraten, um einen gewissen Schutz zu haben. Ich hatte Angst, dass ihr jemand Sprengstoff umschnallt und sie in den Tod schickt. Ich wusste nicht, dass sie geheiratet hat, aber später sah ich ein Bild von ihrem Mann. Er ist türkischer Abstammung und ging von Deutschland, wo er bei seinen Eltern lebte, nach Syrien.

Bei all dem Unglück haben mich vor allem die Kommentare einiger Leute getroffen, die uns verurteilten, uns Terroristen nannten.

Senada

KOSMO: Wussten Sie von der Schwangerschaft Ihrer Tochter?
Ich wusste rein gar nichts. Erst nach der Geburt schickte sie mir ein Bild mit einem Namen, dem Geburtsdatum und den Worten „Das ist mein Baby“. Dasselbe geschah mit ihrem zweiten Sohn, der anderthalb Jahre später geboren wurde. Ich war entsetzt, dass ich wie alle anderen Mütter zu diesem Zeitpunkt nicht bei meiner Tochter war, aber ich war erleichtert, dass sie gesunde Kinder zur Welt gebracht hatte und es ihr gut geht. Sie erwähnte mir gegenüber Freundinnen, die sie dort hatte, ich habe von ihr nicht mitbekommen, dass sie Gewalt ausgesetzt war. Irgendwann verschwand ihr Mann jedoch. Bis heute ist nicht sicher, ob ihn die Kurden gefangen genommen und eingesperrt haben oder ob er getötet wurde.

„Ich wusste nicht, dass sie geheiratet hat, aber später sah ich ein Bild von ihrem Mann.“, erzählt Senada. (FOTO: Amel Topčagić)

KOSMO: Wollte Sabina nach Hause zurückkommen?
Es war das Gebiet des sogenannten Islamisches Staates, es gab Kämpfe, meine Tochter war vom Krieg umgeben. Als sie mit den Kindern allein gelassen wurde, wohnte sie mit anderen Frauen in einem Haus. Aufgrund des Krieges flohen sie von Ort zu Ort und versuchten gemeinsam aus dieser Hölle herauszukommen. Immer wenn sie anrief, unterstützten wir sie dabei, sagten ihr, dass wir mit allen rechtlichen Mitteln helfen würden, ihre Kinder und sie zu retten. Leider lief alles auf eine Flucht hinaus, immer weiter in Richtung der irakischen Grenze.

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Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.