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REPORTAGE

Serben in Österreich – ein Generationswechsel

Dr. Slaven Šteković, MBA (31)

Dr. Slaven Šteković (FOTO: zVg.)

„Ich suche nach neuen Herausforderungen“

Ich bin in Banja Luka geboren und mit 16 Jahren im Rahmen eines Schüleraustauschs erstmals nach Hamburg gekommen, wo ich ein Jahr verbracht habe. Nach der Matura 2007 bin ich zum Studium der Molekularbiologie an die Karl-Franzens-Universität nach Graz gegangen, wo ich mit 23 Jahren meinen Magister und mit 27 mein Doktorat der molekularen Biomedizin abgeschlossen habe. Ich wurde sehr früh und intensiv in die wissenschaftliche Forschung der Universität eingebunden und mein Fokus lag auf der Erforschung der Zellalterungsprozesse. Vor allem habe ich mich mit dem Einfluss der biologischen Alterung auf die Entwicklung verschiedener Krankheiten beschäftigt, die für die älteren Generationen typisch sind: Alzheimer, Parkinson, Krebs, Herzerkrankungen. Dabei habe ich nach Möglichkeiten gesucht, durch Fasten und natürliche Substanzen, das „Zellrecycling“ (die Autophagie) zu aktivieren. Einfacher gesagt, versuchen wir zu verstehen, was der biologische Hintergrund der Alterung ist und warum dies zu bestimmten Krankheiten führt. Und aufgrund dessen suchen wir nach Methoden, die diesen Prozess verlangsamen können. Weil ich immer nach neuen Herausforderungen suche, habe ich 2016 TLL The Longevity Labs gegründet, eine Firma, die sich mit dem Thema unserer Forschung beschäftigt, also mit der Alterung und ihrer Verlangsamung. Zwei Jahre später habe ich die Firma verkauft und mich als Team Leader für den Science Park Graz engagiert, um Forscher bei der Gründung eigener Firmen und der Umsetzung ihrer Forschungen in Produkte zu unterstützen. Das unermüdliche Streben nach neuen Erkenntnissen führte mich 2008 nach Großbritannien, wo ich in Cambridge meinen MBA gemacht habe. Leider bin ich mir bewusst, dass viele Forschungsarbeiten in irgendwelchen Schubladen enden. Davon konnte ich mich schon im frühen Stadium meines Studiums überzeugen. Darum habe ich mich auf meinen nächsten Schritt konzentriert, und das ist die Schaffung eines direkten Einflusses der Wissenschaft auf die Gesellschaft, damit es nicht bei einer Akkumulation von Wissen bleibt. Inspiriert vom Thema, wie aus wissenschaftlichen Ergebnissen ein Produkt wird, das zum Endverbraucher gelangt, unterrichte ich schon seit Jahren „Science-based entrepreneurship“ und „Organisational behaviour“ an mehreren Universitäten in Europa und seit Beginn dieses Jahres auch an der University of Cambridge. Derzeit arbeite ich als CFO und Gründer der Firma DrainBot, die Robotersysteme zur Reinigung von Drainagen in Tunnels entwickelt hat, für die auf dem Markt große Nachfrage besteht. Leider produzieren die gegenwärtigen Methoden sehr viel CO2, verbrauchen viel Wasser und führen zu Tunnelschließungen, die das Staatsbudget belasten, sodass meine Kollegen und ich entschieden haben, dafür Roboter zu entwickeln. Ich glaube, dass wir damit Erfolg haben werden. In der Zwischenzeit arbeite ich an mehreren anderen Projekten mit, unter anderem auch bei Alpbach in Motion bzw. beim European Forum Alpbach.

Maksim Spasić (23)

Maksim Spasić (FOTO: zVg.)

„Mein Ziel ist es, hier das Studium abzuschließen“

Ich bin in Wien geboren, wo ich auch das Billroth-Gymnasium abgeschlossen habe. Danach wollte ich mich verändern und meine Wurzeln besser kennenlernen und habe mich entschieden, zum Medizinstudium nach Serbien zu gehen. Ich hatte von vielen gehört, dass man das Studentenleben in Novi Sad unbedingt erlebt haben sollte, vor allem wegen der guten Gemeinschaft unter den Studenten, was sich auch sehr schnell als richtig erwies. Medizin habe ich gewählt, weil ich mich schon immer für Naturwissenschaften interessiert habe, aber auch, weil meine Mutter Ärztin ist. Ich studiere als Ausländer auf Englisch, gemeinsam mit vielen Studenten aus fast der ganzen Welt. Jetzt studiere ich schon sechs Jahre lang das, was ich liebe und worin ich mich selber wiederfinde, und habe zusätzlich noch mein Englisch und mein Serbisch sehr verbessert. Das Studium ist mir nicht schwergefallen. Ich gebe zu, dass es auch anspruchsvolle Fächer gab, aber mit kontinuierlicher Arbeit, Einsatz und der Befriedigung, die ich im Studentenleben gefunden habe, habe ich auch diese Fächer geschafft. Jetzt blieben mir noch drei Prüfungen bis zum Abschluss und mein bisheriger Notendurchschnitt ist 9,00. Mein wichtigstes Ziel ist es, in diesem Schuljahr das Diplom zu schaffen. Anschließend erwarten mich die Nostrifikation des Diploms und die Ableistung des Wehrdienstes in Österreich. Nach all diesen Formalitäten hoffe ich, mit meiner Spezialisierung weiterzumachen. Ich bin immer noch nicht sicher, welche ich wählen werde, aber am meisten interessieren mich plastische Chirurgie, Dermatologie oder auch Kardiologie. Die Fortsetzung meiner Karriere sehe ich in Österreich, das eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat, während mir Serbien ermöglicht hat, solide Kenntnisse im Bereich der Allgemeinmedizin zu erwerben. Wenn ich das alles miteinander verbinde, sehe es als ideale Kombination für meine weitere Entwicklung. Ich denke sehr gerne an meine Studienzeit zurück, die mich mehr als begeistert hat. Viele haben meine Entscheidung, aus Österreich nach Serbien zu gehen, für einen Fehler gehalten, aber ich kann mit Stolz sagen, dass das die beste Entscheidung meines Lebens war.

Mag. art. Prof. Vladimir Kostadinović (39)

Vladimir Kostadinović (FOTO: zVg.)

„Meine Träume waren mit Amerika verbunden“

Ich bin in Kovin aufgewachsen und habe schon im dritten Lebensjahr Interesse für die Musik gezeigt. Da in dieser Zeit in Serbien die Harmonika ein Pflichtinstrument war, habe ich gleichzeitig Schlagzeug und Harmonika gespielt, wobei das Schlagzeug ganz meinem Wesen entsprochen hat. Ich habe die Musikgrundschule und die Musikunterstufe besucht und dann zwei Musikmittelschulen abgeschlossen. Meine beruflichen Träume waren mit Amerika verbunden, denn dort liegt das Zentrum der Jazz-Kultur. In Paris habe ein Vorspiel für Berkeley absolviert und ein Teilstipendium erhalten, aber die Situation war so, dass ich in Europa bleiben musste. Graz war vor 20 Jahren die logische Wahl, vor allem, weil dort hervorragende amerikanische Professoren unterrichteten. Die Ausbildung war interessant und ich habe meine Magisterprüfung mit der Note 10 abgeschlossen, aber das meiste habe ich in Konzerten gelernt. Natürlich sind auch Probleme aufgetreten, denn ich war nicht in Amerika geboren, das die Wiege der Jazzmusik ist, aber ich habe diese Musik gelebt. Nach dem Studium ist mein Wunsch wahr geworden, mit einem der größten lebenden Jazzmusiker, Benny Golson, zusammenzuspielen, dessen Kompositionen wir an der Universität studiert hatten. Mit dem legendären Duško Gojković, einem der ersten Studenten in Berkeley, spiele ich oft in Europa zusammen und wir haben auch ein Album gemeinsam aufgenommen. Das war eine tolle, großartige Erfahrung. Ich trete überall in der Welt auf und die Liste der weltbekannten Musiker, mit denen ich zusammenarbeite, ist lang. Vor über zehn Jahren habe ich begonnen, auch eigene Jazzkompositionen zu schreiben und 2008 habe ich in New York mein erstes Album aufgenommen. Ich habe auch eine Band gegründet und gesehen, wie groß die Verantwortung bei der Organisation von Konzerten ist. Inzwischen habe ich mein zweites Album bei einem sehr bekannten und anerkannten Jazzverlag herausgebracht und man kann es weltweit kaufen.

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.