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INTERVIEW

Sergej Ćetković: „Ich singe, solange ich stehen kann“

Sergej Cetkovic
FOTO: zVg.

Wir haben mit einem der bekanntesten und erfolgreichsten Liedermacher des Balkans gesprochen, der mit seinem musikalischen Können und seiner warmen Stimme niemanden gleichgültig lässt.

KOSMO: Wann haben Sie gemerkt, dass die Musik Ihre Berufung ist, und was waren Ihre ersten Schritte, um ihr zu folgen?
Sergej Ćetković:
Ich hatte nicht von Anfang an geplant, die Musik zu meinem Beruf zu machen, aber die Musik war natürlich schon immer Teil meines Lebens. Von der Musikgrundschule über die Mittelschule bis zur Akademie und den Musikgruppen, die wir in den 80-er und 90-er Jahren hatten, kam es, dass ich angefangen habe, selber zu schreiben. Ich kann sagen, dass ich zwischen 1998, als ich offiziell meinen ersten Soloauftritt hatte, und 2000 meine Karriere begonnen habe.

Wenn Sie ein Lied schreiben, was entsteht da zuerst, der Text oder die Melodie?

Bei mir passiert alles gleichzeitig. Ich habe nicht gelernt, Liedertexte zu schreiben und dann dazu eine Melodie zu komponieren. Jeder Vers hat schon in der Entstehung seine Noten. Das ist wahrscheinlich eine Sache der Gewohnheit.



Sind Sie auch selber an der Aufnahme der Videos zu Ihren Liedern beteiligt?

Ich erlebe meine Musik überwiegend durch Bilder und Szenen, die in meinem Kopf ablaufen, und bei der Aufnahme der Videos bin ich in jedes Detail involviert. Alles, was Sie in meinen Spots sehen, ist, natürlich mit Unterstützung vieler Fachleute, ein Produkt meiner Fantasie. Ich beschäftige mich auch ein bisschen mit der Regie, ein bisschen mit den Drehbüchern und ich gebe meine Ideen dazu. Manchmal ärgern sie sich über mich, dass ich die Arbeit nicht aus der Hand geben kann, aber das, was man sich selbst in seinem Kopf vorstellt, kann niemand anderer genauso umsetzen.

Wann wissen Sie, dass ein Lied fertig ist?
Selten. Das ist wie beim Malen. Die Maler beginnen, an einem Werk zu arbeiten, und es wird niemals fertig… Manchmal passiert es, dass ein Lied ganz von alleine in ein paar Tagen herauskommt, und dann kommt es vor, dass es lange auf den richtigen Moment wartet, in dem man noch etwas hinzufügt oder ändert. Jedes Lied hat seine Zeit und seinen Ort und darauf verlasse ich mich immer. Einige Lieder, die Sie heute hören, habe ich vor sieben, acht Jahren geschrieben, aber wahrscheinlich war es nicht der richtige Moment für sie, um zum Leben zu erwachen. Und wenn diese Zeit kommt, dann spürt man das ganz von alleine.

„Ich liebe es für andere zu schreiben, denn dann setze ich mir keine Barrieren,
sondern überschreite Grenzen, über die ich mich für mich selbst nicht hinübertraue.“

– Sergej Ćetković

Gefallen Sie sich besser in der Rolle des Komponisten oder des Interpreten?
Bei mir ist das alles dasselbe, drei in einem. Ich verstehe mich selber am besten, und jedes Mal, wenn ich ein Lied interpretiere, so wie dieses letzte „Liebe“, dann weiß ich sofort, dass es etwas Interessantes hat und dass es auch für das Publikum interessant sein wird. Jeder Liedermacher bemüht sich, dieses erste Gefühl aus dem unmittelbaren Beginn, d.h. die Quelle des Liedes, mit ins Studio zu nehmen. Dieses Gefühl erlebe ich erst auf den Konzerten wieder, wenn ich die Menschen vor mir sehe und spüre, dass ich bei ihnen irgendein Gefühl geweckt habe.

Wie wissen Sie, ob ein Lied „Ihres“ ist oder ob Sie es an einen anderen Sänger weitergeben werden?
Wenn ich mich auf mich selbst und meine Arbeit konzentriere, dann bemühe ich mich, im Rahmen von Sergej Ćetković zu bleiben. Wenn ich ein Lied für jemand anderen schreibe, dann schreibe ich ein bisschen anders, vielleicht sogar besser, denn ich habe meine eigenen Beschränkungen nicht. Bei mir selber bleibe ich in meiner Komfortzone, so wie vielleicht die meisten Sänger. Ich bin ziemlich faul, wenn ich Lieder für andere schreiben soll, aber manchmal kommt eine schöne Kooperation zustande wie die mit Massimo, Saša Kovačević und auch mit Künstlern, die ein anderes Genre vertreten. Ich beschäftige mich gerne mit Musik und bemühe mich, meinen Werken Qualität zu geben, damit ich mich nicht schämen muss, wenn ich meinen Namen darunter setze.

SC
ARBEIT „Wenn du sie machst, weil sie dich erfüllt, dann singt und spielt es in dir.“ (FOTO: zVg.)

Sie haben bereits einige Namen genannt: Mit welchem der Kollegen arbeiten Sie am liebsten zusammen und wessen Musik mögen Sie am meisten?
Neben dem Stil und dem Gefühl für Musik suche ich immer Menschen, die mit mir auf der gleichen Wellenlänge sind. Allgemein gesagt, gute und hochwertige Leute. Es gibt verschiedene Kooperationen, aber die besten sind die mit Menschen, mit denen ich auch privat im Kontakt bin. Wenn man eine Person kennt, dann kennt man auch ihre Stärken, Schwächen, Ängste und die Dinge, die ihre Persönlichkeit ausmachen. Dann ist es leicht für mich, mich in sie hineinzuversetzen, und dann stelle ich mir wie ein Schauspieler die Aufgabe, in die Rolle der Person hineinzuschlüpfen. Ich schreibe gerne Lieder für andere, denn dann stelle ich mir keine Barrieren auf, sondern überschreite die Grenzen, über die ich mich für mich selbst nicht hinübertraue.

TIMING. „Jedes Lied hat seine Zeit und seinen Platz!“

Wie gelingt es Ihnen, Ihrer musikalischen Richtung treu zu bleiben, und ist es schwer, sich den Trends zu widersetzen?
Jeder von uns hat seine persönliche Philosophie. Wenn du nur zum Geldverdienen Musik machst, dann folgst du den Trends und schaust nur auf den Profit. Wenn du deine Arbeit deswegen machst, weil sie dich erfüllt und du sie liebst, dann singt und spielt es in dir, ohne dass du letztendlich an den Verdienst denkst. Mir persönlich ist es nie schwergefallen, meiner Richtung, die ich von Anfang an hatte, treuzubleiben. Ich bereichere sie mit meiner Reife und den Jahren durch bessere Arrangements, Texte, Produktionen und verschiedene Kooperationen, aber ich habe niemals Kompromisse gemacht und bin nie von meinem Weg abgewichen, um mehr zu verdienen. Ich möchte das rechtfertigen, weswegen ich hier bin, und meinem Publikum immer auf jede mögliche Weise meinen Dank erweisen.

2014 haben Sie Montenegro beim Eurovision Songcontest mit dem Lied „Moj svijet“ vertreten. Wie war diese Erfahrung für Sie und können Sie sich vorstellen, Montenegro noch einmal bei diesem Wettbewerb zu repräsentieren?
Ich habe da keinen Plan, aber das heißt nicht, dass ich es nicht wieder tun würde. Im Moment habe ich wenig Zeit, aber der Songcontest ist eine schöne Erfahrung und ich finde, dass die jeder Sänger in seiner Biographie haben sollte, vor allem, wenn es um ein Lied geht, das danach für Jahre in deinem Repertoire bleibt. Wenn man ernsthaft darangeht, dann…

Ihr erster Auftritt war bei dem Festival „Naša radost“. Wie sehr hat Ihnen Ihre Wettbewerbserfahrung dann in Ihrer Rolle als Juror bei den „Pinkove Zvezdice“ geholfen?
Ich habe dem Kind in mir noch immer nicht erlaubt, erwachsen zu werden, darum kann ich mich leicht in diese Tage zurückversetzen. Noch heute sehe ich diesen Auftritt und die Proben mit einem Chor von über dreißig Mädchen vor mir und kann dieses peinliche Gefühl wieder heraufbeschwören (lacht). Aber ich mag mit Kindern arbeiten und das tue ich auch in vielen anderen Projekten: beim Komponieren von Musik für Zeichentrick- und Kinderfilme usw. Ich versetze mich immer in ihre Position und suche einen solchen Zugang, dass ich mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziere. Es hat keinen Sinn, grob zu Kindern zu sein oder sie von oben herab zu belehren.

„Die größte und schönste Auszeichnung ist, wenn du auf einem Konzert Applaus bekommst und die Menschen Zugaben fordern.
Es gibt keine größere und wertvollere Auszeichnung als das.“
– Sergej Ćetković

Sie haben zwei Töchter. Zeigen die auch Interesse für eine musikalische Karriere und welchen Rat würden Sie ihnen in diesem Fall geben?
Sie mögen Gesang und Tanz und nehmen viel an meiner Arbeit teil, sodass sie inzwischen zu einer Art Berater für mich geworden sind. Wenn ich merke, dass ihnen etwas nicht gefällt, dann heißt das wirklich, dass ich etwas ändern muss. Ich würde ihnen sagen, sie sollten sie selber sein und wissen, was sie wollen, denn es hilft nichts, bei irgendeiner Firma viel Geld zu verdienen, wenn man immer mit einem Krampf im Magen zur Arbeit geht. Mach, was dir gefällt und was dich erfüllt, und du wirst viel glücklicher sein, auch wenn du weniger Geld verdienst.

Sie sind bereits seit zwei Jahrzehnten glücklich mit Ihrer Frau Kristina verheiratet. Wie kann man eine musikalische Karriere erfolgreich mit dem Privatleben unter einen Hut bringen?
Da hängt wieder alles von den persönlichen Prioritäten ab. Wenn man permanent in den Zeitungen sein und seine „schmutzige Wäsche“ in der Öffentlichkeit waschen will, dann wird es weder mit der Karriere noch mit der Familie etwas. Bei mir hatten die Familie und mein Frieden immer Priorität.

SC
„Ich erlebe Musik in Bildern und Szenen und bin beim Drehen der Spots in jedes Detail involviert.“ (FOTO: KOSMO)

Sie haben viele musikalische Preise und Auszeichnungen in unserem Land, aber auch in den anderen Ländern der Region gewonnen. Welche dieser Auszeichnungen bedeutet Ihnen besonders viel?
Wenn wir von den Konzerten sprechen, so steht jedes für sich selbst. Ich freue mich immer, wenn ich sehe, dass es dem Publikum gefällt, wenn diese „Magie“ entsteht und wenn wir Anekdoten erzählen. Bei jedem Konzert passiert irgendetwas Interessantes. Was die Auszeichnungen betrifft, so bedeutet dir jede in dem Moment etwas, aber wenn es um wichtige Preise geht, dann weißt du, dass du dahinterstehen musst und dass du dich in der folgenden Zeit noch mehr beweisen musst, um sie zu rechtfertigen. Dennoch glaube ich, dass es die größte und beste Auszeichnung ist, wenn jemand zu dir kommt und sagt, dass er sich bei deinem Lied verliebt oder geheiratet hat, oder wenn du bei einem Konzert Applaus bekommst und die Menschen Zugaben fordern. Es gibt keine größere und wertvollere Auszeichnung als das.

Welches Fazit können Sie für sich ziehen, wenn Sie auf die vergangenen 20 Jahre Ihrer Karriere zurückblicken. Was haben Sie erreicht und was würden Sie gerne noch erreichen?
Man versteht mit der Zeit, dass alles, egal wie sehr man sich bemüht oder was man ändert, so läuft, wie es „vorherbestimmt“ ist. Daher verschwenden wir unsere Energie mit gewissen Sachen und vergessen oft das Tempo des Lebens, wie schnell alles vorbeigeht und was die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind. Oft machen wir Probleme aus Dingen, die in Wahrheit gar keine Probleme sind. Daher bin ich glücklich, dass ich auf meinem Weg bin, dass ich mich noch immer weiterentwickele. Und dass soll so weitergehen, so lange es geht. Ich bin da und ich werde singen, solange ich noch auf meinen zwei Beinen stehen kann. Derzeit arbeite ich an einem neuen Album und jedes Jahr machen wir dem Publikum mit verschiedenen Singles eine Freude, aber ich mag auch noch immer CDs. Das ist, als wenn man ein Buch schreibt und es dann in die Hand nimmt und sagt: Es ist fertig! Ende des Jahres bereiten wir die Feier zu meinem 20-jährigen Bühnenjubiläum vor und planen große Konzerte in der Region.

Wie sehr fehlt Ihnen Montenegro?
Jeden größeren Feiertag verbringe ich dort und kompensiere so meine Abwesenheit. Und Belgrad ist ja auch nicht so weit entfernt. Daher habe ich nicht so viel Heimweh, als wenn ich irgendwo in der Ferne leben würde, z.B. in Kanada.