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EXKLUSIV-INTERVIEW

Schuldirektor aus Srebrenica: „Ich verurteile die Entgleisung meiner Schüler und distanziere mich davon!“

(FOTO: Klix.ba; zVg.)

Aufgrund der Berichterstattung über einen Vorfall in Srebrenica (wir berichteten), über den so gut wie alle Medien in der Region informierten, wird KOSMO inzwischen zum Opfer von Angriffen Einzelner, die sich als Verteidiger der Serben in Österreich präsentieren. KOSMO liefert nun ein Exklusivinterview mit dem Direktor der Schule, an der sich der Vorfall ereignete.

Zur Erinnerung: Eine Gruppe von Grundschülern fotografierte sich in serbischen Volkstrachten in der Schule. Dabei hielten sie die erhobene Hand mit drei gestreckten Fingern in die Kamera. Drei von ihnen veröffentlichten die Bilder auf ihren Instagram-Accounts mit der Unterschrift „Tschetnik-Brüder“. Der Fall rief Reaktionen der bosniakischen Eltern hervor und auch Politiker schalteten sich ein, es fielen Beschuldigungen und harte Worte. Dragi Jovanović, Direktor der Ersten Grundschule in Srebrenica, beklagte sich zu Beginn unseres Interviews, dass er die mediale Aufmerksamkeit leid sei, denn täglich riefen ihn Journalisten an, die meist Gräuelberichte und Konflikte erwarteten.

KOSMO: Herr Jovanović, was hat es mit diesem Vorfall auf sich?
Dragi Jovanović: Das umstrittene Foto entstand am 27. Januar, als unsere Schule den Sveti Sava-Tag feierte. Es war ein schulfreier Tag, es fand also kein Unterricht statt. Die Kinder sind an diesem Tag nicht verpflichtet, in die Schule zu kommen, aber wir hatten eine Feier vorbereitet. Eine Gruppe von Burschen, die serbische Volkstrachten trugen, weil sie Mitglieder eines Kultur- und Kunstvereins sind, sonderte sich ab und machte dieses Foto. Ich betone, dass sie keinerlei Abzeichen vergangener ideologischer Zeiten trugen, aber sie veröffentlichten dieses Bild von zu Hause aus auf ihren Instagram-Accounts mit der Unterschrift „Tschetnik-Brüder“. Ich betone, dass ich als Mensch und als Direktor dieser Schule gegen solche Dinge bin, dass ich sie verurteile und mich davon distanziere, egal, wer das tut. Das habe ich schon mehrmals gesagt und dahinter stehe ich.

Dieses Foto hat unter den bosniakischen Eltern und in der breiteren Öffentlichkeit heftige Reaktionen ausgelöst…
Man darf nicht vergessen, dass die Region um Srebrenica untypisch ist, es ist nicht wie in anderen Teilen von Bosnien-Herzegowina. Die Medien widmen unserer Stadt mehr Aufmerksamkeit, vielleicht sind wir auch zu sehr exponiert, und das alles schafft einen gewissen Druck. Das, was in unserer Schule passiert ist, hätte an einem anderen Ort nicht dieselbe mediale Aufmerksamkeit erhalten. Leider ist der Krieg noch nicht so lange her, die Folgen sind noch frisch und die Kinder sind deren Zeugen. Den größten Aufruhr rund um diesen Fall haben Leute verursacht, die eigentlich am vernünftigsten hätten sein sollen, und so ist das Ganze zu einem unvergleichlichen Skandal gemacht worden.

Wie sind die Beziehungen unter den Kindern nun?
Während der ersten beiden Tagen konnte man unter den Kindern eine gewisse Beklemmung bemerken, aber gleich danach hat sich die Atmosphäre in der Schule wieder normalisiert, so wie sie auch vor diesem Vorfall war. Die Kinder sind schnell darüber hinweggekommen und kommen weiterhin gut miteinander aus und kommunizieren miteinander, als wäre nichts geschehen. Das ist auch normal für dieses Alter.

Sind die Kinder, die das umstrittene Foto gepostet haben, bestraft worden?
Es gab Initiativen, diese Kinder zu bestrafen, aber es gibt in der Konvention über die Kinderrechte feste Regeln, die wir nicht übertreten dürfen. Wir haben auch bisher viel mit den Kindern gearbeitet, aber nach diesem Vorfall haben wir unsere präventive und beratende Arbeit verstärkt, und das nicht nur mit den Kindern, die diese Turbulenzen in ihrer Unbesonnenheit ausgelöst haben, sondern auch mit allen anderen. Wir sind der Meinung, dass wir damit mehr erreichen als mit Erziehungs- und Disziplinarmaßnahmen. Eine Bestrafung ist der letzte Versuch einer Disziplinierung, aber auch das Eingeständnis von Ohnmacht.

Was wurde in der Gemeinde und mit den Eltern unternommen, um die Beziehungen zu entspannen?
Inzwischen haben Gemeindevertreter, Vertreter der Schule und die Eltern der serbischen und bosniakischen Kinder eine Kommission gegründet, die bereits zwei Sitzungen abgehalten hat. Wir sprechen offen und freundschaftlich darüber, treffen als vernünftige Menschen in konstruktiver Atmosphäre Vereinbarungen und das läuft sehr gut. Einige Konsequenzen haben wir schon gezogen, aber es wird sicher noch weitere geben. Die Atmosphäre in der Schule ist zum großen Teil ruhig, auch wenn dieser Vorfall die Gefühle hat hochkochen lassen, aber es ist in unser aller Interesse, vor allem in dem der Kinder, dass alles zur Normalität zurückkehrt, und darauf konzentrieren wir uns und arbeiten intensiv daran.

Leider hat ein kleiner Funken ein großes Feuer entfacht und wir werden alles tun, um jetzt möglichst gut darüber hinwegzukommen.
Dragi Jovanović

Nur um nochmals klarzustellen: Wir alle in dieser Schule haben uns auch bisher schon bemüht, unter den Kindern und ihren Eltern eine gesunde Atmopshäre zu schaffen und zu bewahren, um jegliche Probleme zu vermeiden. Leider hat ein kleiner Funken ein großes Feuer entfacht und wir werden alles tun, um jetzt möglichst gut darüber hinwegzukommen.

Sofort nach Bekanntwerden des Skandals hat sich auch das zuständige Ministerium eingeschaltet.
Ja, das Bildungs- und Kulturministerium sowie auch alle anderen Verantwortlichen im Bildungssystem und in der Regierung zeigen guten Willen und arbeiten an der Beruhigung der Situation, damit sich das Problem nicht ausweitet und um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Sie wollen, dass diese Situation im besten Interesse der Kinder, der Eltern und der Schule selbst überwunden wird. Das Ministerium hat uns aufgetragen, alles zur Vermeidung und Verhinderung aller Vorfälle zu unternehmen, die die Sicherheit der Schüler gefährden und zu irgendeiner Diskriminierung – egal auf welcher Grundlage – führen könnten. Selbstverständlich ist unsere Priorität die Sicherheit und der Schutz der Kinder während ihrer Zeit in der Schule.