Start Magazin
REPORTAGE

Sterbehilfe: Ja oder Nein?

Sterbehilfe in Österreich

Die Sterbehilfe ist in Österreich seit etwas mehr als einem Jahr gesetzlich geregelt. Seitdem können Menschen, die chronisch schwer oder unheilbar krank sind, eine Sterbeverfügung errichten. Laut dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Pflege wurden bis Dezember 2022 111 Sterbeverfügungen unterzeichnet. Natürlich bedeutet die Abfassung und Unterzeichnung so einer Verfügung nicht automatisch auch die Gabe des tödlichen Medikaments, das in Apotheken ausgegeben wird. Nach Angaben des zuständigen Ministeriums wurden bis Ende Dezember 90 Dosen dieses Präparats verkauft. Die Zahl der verwendeten Dosen ist derzeit, ebenso wie die Zahl der in die Apotheken zurückgebrachten Dosen, einstellig.

(Foto: iStock/digicomphoto)

Aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ist eine Neuordnung der Beihilfe zum Suizid, die früher verboten war, notwendig. Nach dem geltenden Sterbeverfügungsgesetz sind Konsultationen mit Ärzten vorgeschrieben. Zwei Ärzte, von denen einer eine nachgewiesene Ausbildung in der Palliativmedizin haben muss, müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die Person, die sterben möchte, fähig ist, diese Entscheidung zu treffen, und dass sie ihr Leben freiwillig beenden möchte. Die Errichtung der Sterbeverfügung erfolgt durch einen Notar.

Die Gesellschaft für Palliativpflege hat jedoch kürzlich zu einer Änderung dieses Gesetzes aufgerufen. Sie verweist auf das Problem, dass die Einrichtungen für die Palliativpflege Personen mit schweren Erkrankungen keine umfassende Pflege und Unterstützung bieten können. Es fehlen die finanziellen Mittel und die Einrichtungen sind überlastet. Daher herrscht in der Gesellschaft für Palliativpflege eine Besorgnis, die die Entscheidungsträger nicht teilen. Die Probleme betreffen auch die Rolle der Ärzte in der Palliativpflege, wenn sie gleichzeitig über die Beihilfe zum Suizid informieren.


Der Bischof der Diözese Österreich-Schweiz-Italien, Andrej Ćilerdžić:

„Wir lehnen die Legalisierung der Sterbehilfe ab“

Seine Erfahrungen in der Frage der Sterbehilfe sammelte Bischof Andrej aus der Teilnahme an Gesprächen zwischen der Orthodoxen Kirche und der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), die im Zusammenhang mit der Vereinigung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, aber auch aufgrund einiger wichtiger Beratungen orthodoxer Theologen mit den Kirchen Westeuropas. Gegenüber dem Magazin KOSMO sagte Bischof Andrej:

 „Die orthodoxen Bischöfe wenden sich eindeutig gegen die Legalisierung der Sterbehilfe. In der modernen Gesellschaft ist die Idee aufgekommen, man müsse etwas unternehmen, um jedem Menschen das Recht einzuräumen, in Würde zu sterben, und das Recht auf Selbstbestimmung des Individuums zu stärken. Damals wurden auf breiter Ebene Umfragen unter Ärzten durchgeführt und das Ergebnis war die Gründung einer Gesellschaft unter dem Namen ’Dostojno umreti’ (’würdiges Sterben’).

Diese Gesellschaft beschäftigt sich mit Untersuchungen zur richtigen Begleitung von Menschen, denen der Tod bevorsteht. Die orthodoxen Bischöfe sind der Meinung, dass es wichtig ist, diese Frage gesetzlich zu regeln, denn sonst könnte die Legalisierung der Sterbehilfe durch Menschen erfolgen, die nicht von einer christlichen Ethik geleitet werden. 

Man muss von der Wahrheit ausgehen, dass der Mensch nicht nur ein Individuum ist, sondern auch ein soziales Wesen, und dass die individualistische Auslegung des Individuums nicht christlich ist.

Es scheint, als ob ein Mangel an medizinischen Möglichkeiten dazu führt, dass man über die Anwendung der Sterbehilfe nachdenkt. Man sollte sich jedoch dafür einsetzen, dass die Palliativmedizin gefördert wird. Dann wäre die Diskussion über die Sterbehilfe überflüssig.

Schon das Wort „Sterbehilfe“ ist ein unpassender Terminus technicus. Wenn die Sterbehilfe nach Meinung ihrer Befürworter das explizite Recht eines unheilbar kranken Patienten ist, einen Tod mithilfe der Medizin zu verlangen, dann ist das nicht das, was der Begriff eigentlich aussagt. Im Gegenteil: „Euthanasie“ bedeutet in der wörtlichen Übersetzung ’guter, schöner Tod’, und das ist das, wofür wir in der Liturgie mehrmals täglich beten und Gott bitten, uns ein schmerzloses, würdevolles und ruhiges Lebensende zu schenken. Dabei muss man vorsichtig sein und sich fragen, ob die Medizin überhaupt das moralische Recht hat, über die Beendigung eines Lebens zu entscheiden. Eine Legalisierung ist dann schwierig, denn es ist schwer zu sagen, wo das Recht einer Person auf Entscheidung über den eigenen Tod beginnt und wo die Entscheidungsmacht über Tod oder Leben beim Staat, einem Arzt oder einem anderen Faktor endet. Dies gilt besonders für Christen, die das Ende dieses Lebens nicht als Ende unseres ganzen Lebens ansehen. Denn es ist tatsächlich nicht das Ende des Lebens, wie man aus der Haltung der kirchlichen Märtyrer klar erkennen kann. Und das gilt noch heute.

Die orthodoxen Bischöfe halten es für eine Pflicht der Kirche, die Christen aufzurufen, der Legalisierung der Sterbehilfe nicht zuzustimmen. Dennoch stellt sich dieses Problem in der heutigen modernen Gesellschaft. Man muss die Verantwortung der Kirchen betonen und sie stärker in die Sorge um diejenigen einbeziehen, die vor dem Tod stehen, und zwar bis hin zur Hospiz-Bewegung. Auf der anderen Seite braucht die wissenschaftliche Forschung zur Schmerzlinderung mehr Unterstützung. Wir lehnen die Legalisierung der Sterbehilfe aus dem Grunde ab, dass der Patient eigentlich nur seine Schmerzen verkürzen will, nicht aber sein Leben.“

Lesen Sie mehr auf der nächsten Seite!