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Vom Švabo-Gast zum Kum auf der Slava

(FOTO: zVg.)

Lange ist es her, seitdem ich das erste Mal auf einer Slava war. Heute hat der 19. Dezember, der Tag des Heiligen Nikolaus laut julianischem Kalender (Sveti Nikola), einen ganz besonderen Platz in meinem Kalender eingenommen.

Mittlerweile vor elf Jahren wurde ich von meinem heutigen besten Kumpel zu seiner Slava, der Feier des Schutzheiligen des Hauses bzw. der Familie, eingeladen. Obwohl „eingeladen“ ist nicht das richtige Wort, da man ja bekanntlich niemanden zu dieser Feierlichkeit einlädt. Er hat mir eigentlich nur gesagt, dass die den Heiligen Nikolaus feiern und somit war es selbstverständlich, dass ich auch erscheine.

Ich wusste zwar, was im Rahmen der Slava gefeiert wird, aber wie das Ganze aussieht und ob es da spezielle Traditionen bzw. Bräuche gibt, die man zu beachten hat, war mir im Vorfeld nicht klar. Um also nicht ganz dumm aus der Wäsche zu schauen, habe ich im Vorfeld etwas gegoogelt. Auch wenn ich gelesen habe, dass sich die Bräuche je nach Region unterscheiden, so sind mir vier Dinge aufgefallen, die anscheinend immer dazugehören: die Begrüßung bzw. Beglückwünschung, die Slava-Kerze, das Slava-Brot und „Žito“ (dt: Weizen, in diesem Fall aber gemahlen mit Nüssen etc. versehen und gesüßt).

Das Problem mit den zwei „Tsch“
Okay, alles klar Manuel, wie gratuliert man also zur Slava. Google hatte auch darauf die passende Antwort: „Srećna slava, domaćine, tebi i tvom domu i tvojim ukućanima, mnogo godina u zdravlju i veselju!“ (frei übersetzt: Frohe Slava, Gastgeber, dir, deinem Hause und allen die darin leben. Viele Jahre in Gesundheit und Freude!). Gut, kein kurzer Satz für jemanden, der zwar Serbisch kann, aber damals noch nicht unbedingt komplett fließend sprach. Nichtsdestotrotz habe ich den Satz auswendig gelernt und während ich mich für die Slava fertig gemacht habe mindestens 100 Mal aufgesagt.

Beim Elternhaus meines besten Freundes angekommen, öffnete mir der Hausherr die Türe. Brav habe ich den gelernten Satz aufgesagt und prompt die passende Antwort bekommen. Ich war davor etwas nervös, da ich ein Problem mit den zwei „Tsch“ – Č (wie das deutsche „tsch“) und Ć (die weichere Variante, ähnelt eher „tj“) – im Serbischen hatte und nicht unbedingt einen Fehler in der Aussprache machen wollte. Immerhin studierte ich Slawistik (Bosnisch/Kroatisch/Serbisch) und wurde auch im Vorfeld als der Österreicher, der super Serbisch spricht, angekündigt. Mein Ego erlaubte mir keinen Fehler. Glücklicherweise habe ich es nicht vermasselt. 🙂

Weizen, Brot, Wein und Gesang
Danach wurde ich selbstverständlich ins Haus gebeten und konnte der Eröffnung der Slava beiwohnen (dizanje slave). Zuerst wurde allen Gästen der süße Weizen serviert, ehe sie sich zu Tisch begaben. Vor jedem Löffel wurde sich bekreuzigt, auf serbisch-orthodoxe Weise – zuerst die rechte, dann die linke Schulter. In meinem Kopf war nur zu hören „Okay, zuerst rechts, dann links“. Auch wenn es im Nachhinein gesehen komplett egal gewesen wäre, ob ich mich katholisch oder orthodox bekreuzige, so wollte ich unbedingt alles richtig machen.

Nach einem kurzen Gebet wurde die Slava-Kerze, die inmitten auf dem feierlich gedeckten Tisch stand, angezündet. Diese Kerze brennt den gesamten Tag über und wird erst kurz bevor sie komplett abgebrannt ist ausgemacht. Danach wurde das Slava-Brot in Form eines Kreuzes angeschnitten und Wein in ein Glas eingeschenkt. Der Hausherr sprach abermals ein Gebet und trank den ersten Schluck. Kurz darauf schenkte er nach und gab das Glas weiter – zuerst an die engen Familienmitglieder. Danach geht das Weinglas im Kreis herum und dabei wird gesungen, also eher gesagt ein Gebet in Liederform vorgetragen. Die ersten Male konnte ich mir den Text partout nicht merken.

„Wie, kein Fleisch?“
Nachdem der Wein mehrfach die Runde gemacht hatte, setzten wir uns und die Herrin des Hauses servierte ein wahres Festmahl mit zahlreichen Gängen. Wie für Balkan-Feierlichkeiten üblich erwartete ich mir Fleisch, gefüllt mit Fleisch und dazu Fleisch. Bei der Slava kam jedoch alles anders. Zur Vorspeise gab es Fischsuppe und danach diverse Gänge, alle vegetarisch. Vorzügliches Essen, aber eben etwas ungewöhnlich für Balkanesen.

Um nicht unhöflich zu sein, fragte ich nicht nach, aber ein bisschen spanisch kam mir das Ganze schon vor. Erst später habe ich erfahren, dass der 19. Dezember in die Fastenzeit vor Weihnachten fällt und deswegen der Heilige Nikolaus auch fleischlos (posno) gefeiert wird.

Vom Švabo-Gast zum Kum
Über die Jahre wurde die Freundschaft zu meinem heute besten Kumpel immer dicker und eines Tages haben wir uns dazu entschieden, gegenseitig Treuzeuge (kumovi) zu sein. Auch wenn das in Österreich auch eine sehr schöne Sache ist, so hat es bei weitem nicht die Trageweite eines Kums. Wie sagt man am Balkan so schön: Gott ist im Himmel, auf Erden der Kum. Und genauso wird man auch behandelt.

Es verging eine gewisse Zeit, in welcher wir uns gegenseitig bereits „Kum“ genannt haben, ehe die erste Slava als zukünftiger Treuzeuge kam. Als ich das Wohnzimmer betrat und mich, so wie jedes Jahr, auf einen der freien Plätze setzen wollte, sprang die Großmutter mütterlicherseits auf und sagte: „Kume, du musst dich an den Kopf der Tafel setzen!“. Ich war etwas peinlich berührt und meinte, dass alles gut sei und ich mich einfach auf einen freien Sessel setzen werde. Das kam für sie aber auf keinen Fall in Frage und sie setzte mich buchstäblich auf den vorbestimmten Sessel.

Da wurde mir erst klar, dass ich nicht mehr nur ein österreichischer Gast auf der Slava bin. Nein, über die Jahre wurde ich viel, quasi ein Familienmitglied. Mittlerweile sind zahlreiche Slavas als Kum vergangen und jedes Jahr freue ich mich erneut auf den 19. Dezember, um diesen Feiertag mit meinen Kumovi zu verbringen. Auch wenn uns Corona heuer einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, so hoffe ich doch sehr, dass wir 2021 den Heiligen Nikolaus gemeinsam so feiern können, wie in den Jahren zuvor. In diesem Sinne:

Срећна вам слава, драги моји Златановићи!