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AUSBEUTUNG

Welttag gegen Kinderarbeit: Existiert die Ausbeutung noch am Balkan?

Symbolfoto Kinderarbeit, EPA-EFE/BILAWAL ARBAB
Symbolfoto Kinderarbeit, EPA-EFE/BILAWAL ARBAB

Zusammen mit dem Vatertag begehen wir heuer auch den internationalen Tag gegen Kinderarbeit.

Auch im Jahr 2022 ist Kinderarbeit ein großes Thema, das von Pandemien und Kriegen überschattet wird. Trotzdem ist sie in unserer zukunftsorientierten Welt existent. Rund um den Globus sind etwa 160 Millionen Kinder davon betroffen. 49 Prozent arbeiten in gefährlichen oder ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen.

56 Prozent der Kinder sind zwischen fünf und elf Jahre alt. Die restlichen 44 Prozent verteilen sich auf zwölf bis siebzehn Jährige.

Was ist Kinderarbeit?

Die Unicef bezeichnet Kinderarbeit als „Tätigkeiten, für die Kinder zu jung sind. Arbeiten die gefährlich oder ausbeuterisch sind, die die körperliche oder seelische Entwicklung schädigen oder die Kinder vom Schulbesuch abhalten.“ Dabei geht es nicht immer um das Zusammennähen von Kleidungsstücken oder Feldarbeit. Auch Kinderprostitution und das Kindermilitär sind hier gemeint.

Kinderarbeit und Konsum

Keiner will Kinderarbeit vorsätzlich unterstützen. Allerdings häufen sich Billigmode und Produkte, die teilweise aus Kinderhänden stammen, in den Regalen unserer Einkaufszentren und Supermärkten. Dabei ist nie der komplette Handelsartikel in Kinderarbeit entstanden. Hauptsächlich werden Rohstoffe, die zur Produktion dieser Waren benötigt werden, von Minderjährigen herangeschafft.

Glimmerminen in Indien

Bei der Herstellung von Auto- oder Nagellack wird der Rohstoff Mica verwendet. Er sorgt für den Schimmereffekt in den Produkten. Ganze Familien arbeiten in Indien in sogenannten Glimmerminen. Die „Responsible Mica Initiative“, die für eine nachhaltige Glimmer-Lieferkette in Indien kämpft, bestätigt, dass sich etwa 20.000 Kinder unter den Arbeitern befinden. Dabei wurde das Gebiet, auf denen die Minen stehen, schon vor etlichen Jahren von der Regierung zum Naturschutzgebiet erklärt. Trotzdem graben die Menschen, die meist an der Armutsgrenze leben, täglich nach dem Schimmer in der Erde – auf eigene Verantwortung und bei vollem Risiko. Schutzkleidung, Masken oder ähnliche Hilfsmittel gibt es hier nicht. Einfache Eimer und die bloßen Hände ernähren eine ganze Generation der indischen Bevölkerung.

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Ursachen von Kinderarbeit

Hier gibt es eine ganz klare Antwort: Armut! Sie ist der Anstoß für Ausbeutung, Gier, westlichen Konsum und fehlende Bildung. Die Kinderarbeit ist gleichzeitig Ursache als auch Folge der Armut. Denn in Verbindung mit Faktoren wie fehlender Bildung und einem vorherrschenden, gesellschaftlichem Klassensystem lassen sich die vorhandenen Probleme nicht so einfach lösen. Das Thema „Schulbesuch“ veranschaulicht das Dilemma: würde man alle Kinderarbeiter plötzlich zur Schule schicken, würden deren Familien wahrscheinlich noch mehr leiden als zuvor. Denn die Einnahmen, die das Kind täglich erzielen würde, würden einfach wegfallen. Zusätzlich müssten noch Schulgeld, Bücher und teilweise auch Schuluniformen bezahlt werden. Gerade zu undenkbar für viele dieser Familien. Hierbei entsteht über Generationen hinweg eine Abwärtsspirale der Armut, aus der man sich kaum befreien kann.

Kinderarbeit am Balkan

Laut der deutschen Initiative „Aktiv gegen Kinderarbeit“ ist das Thema auch auf dem Balkan noch aktuell. Besonders im Bereich des Menschen- und Kinderhandels zum Zweck der Prostitution sind Serbien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien stark betroffen.

In Serbien leben 30 Prozent aller Kinder in Armut – teilweise in Kinderheimen, teilweise auf der Straße. Die Bevölkerung der Roma ist besonders davon betroffen. Schulbildung ist bei ihnen nicht üblich. Vor allem Roma-Mädchen wird die Bildung verwehrt. Stattdessen müssen sie Tätigkeiten wie Müllsammeln, Feldarbeit, Betteln oder Prostitution nachgehen. 2004 führte die serbische Regierung einen Nationalen Aktionsplan ein. Damit soll die Versorgung in Kinderheimen verbessert und armutsgefährdete Familien unterstützt werden.

Auch in Bosnien-Herzegowina lässt sich ein Anteil an Kinderarbeit ausmachen. UNICEF schätz, dass 2010 etwa fünf Prozent aller Kinder Beschäftigungen wie Betteln, Prostitution oder Arbeiten in der Landwirtschaft nachgegangen sind. Und auch hier sind es Großteil Roma-Kinder die darunter leiden. Zusätzlich lässt sich ein beunruhigender Hang zur Jugendkriminalität sowie Drogenmissbrauch und Selbstmorde unter allen bosnischen Jugendlichen feststellen. Die bosnische Regierung entwickelte zusammen mit der UNICEF Richtlinien für den Umgang mit Opfern von Menschen- und Kinderhandel.

Das Land an der Adria hält nicht nur traumhafte Urlaubsdestinationen parat, auch Kinderarbeit ist hier zu finden. In Kroatien, so wie in den anderen Balkanländern, sind hauptsächlich Roma von Kinderprostitution und Jugendkriminalität betroffen. Zwangsbetteln und Taschendiebstahl ist hier noch die harmlose Variante. Die kroatische Regierung setzt sich mit mehreren Projekten für die Integration von Roma-Kindern ein. Zudem gibt es Hilfsangebote wie kostenlose Unterkünfte und Rehabilitation für Mütter und Kinder unter der Armutsgrenze.

Kinder und ihre Rechte

Mit der UN-Kinderrechtskonvention wurde 1989 ein Regelwerk für die Sicherheit aller Kinder weltweit geschaffen. Neben Schutz vor sexuellem Missbrauch und dem Recht auf Bildung, ist mit Artikel 32 der Schutz gegen Kinderarbeit festgelegt worden.

Weitere Informationen zum Thema Kinderarbeit:
UN-Konvention über die Rechte des Kindes – Kinderfreundliche Version

Sandra Plesser
Als zweites Kind jugoslawischer Gastarbeiter wurde Sandra in Wien geboren und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Redakteurin bei Advanced Photoshop, mokant und Der Standard baute sie mittels Weiterbildungen ihr Wissen im Bereich Social Media-, Content- und Veranstaltungsmanagement aus. Nach drei Jahren in der Eventorganisation widmet sie sich bei KOSMO wieder ihrer Passion: dem Journalismus.