Der Friseursalon als Bühne, von allen Seiten umringt von den Zuschauerreihen. Der Inhaber hat seinen jüngeren Bruder und seinen besten Freund just am Tag des Zuckerfestes zu sich geladen.
Es gibt traditionell Kaffee und Baklava. Die Männer stehen sich nahe, sie kennen sich bereits ihr ganzes Leben lang. In keinem der drei Leben läuft es rund. Der nach dem Krieg aus dem Ausland zurückgekehrte Freund bestreitet sein Leben als Taxifahrer und muss mit immer befremdlicheren Situationen im Zusammenhang mit seinen Fahrgästen zurechtkommen. Der jüngere Bruder ist arbeitslos, spiel- und trinksüchtig. Vor seiner Familie versteckt er diese „Schande“.
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In Wien ist eine neue Kulturplattform ins Leben gerufen worden mit dem Ziel die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina zu fördern. KOSMO hat die Gründer der Plattform getroffen, um herauszufinden was sie vorhaben.
Der Inhaber des Ladens, „Zeko“, ist der einzige von den drei Männern welcher den, bereits längere Zeit zurückliegenden, Krieg als aktiver Kämpfer für die Heimat mitgemacht hat. Das Trauma um die vielen toten Kameraden hat er nicht im Geringsten verarbeiten können. Jede Nacht und immer öfter auch tagsüber plagen ihn die Bilder seiner von Kugeln zerfetzten Freunde und Mitkämpfer. Er hat sich nur noch schwer unter Kontrolle. Das ist auch der Grund, warum ihn seine Frau samt seiner geliebten Tochter verlassen hat. Sie hat seine, auch körperlich gewordenen, Ausraster nicht mehr ertragen wollen, nicht mehr ertragen können.
Der fehlende soziale Frieden im Land, die Perspektivlosigkeit, die unaufhaltsame Entmenschlichung der Gesellschaft, all das sind Themen die das perfekt inszenierte Drama „Žaba“ (dt. „Frosch“) vom Kammertheater 55 („Kamerni Teatar 55“) aus Sarajevo, untermalt durch das äußerst eindringliche Schauspiel von Emir Hadžihafizbegović, Mirsad Tuka, Aleksandar Seksan und Moamer Kasumović, behandelt.
Die Aufführung am 19.5.2017, veranstaltet von der Bosnisch-herzegowinischen Kulturplattform im Theatersaal der VHS 15 in Wien hinterlässt tiefe Spuren bei den BesucherIinnen. Die Intensität des Stückes ist so groß, dass vielen das Sprechen über das Erlebte sehr schwer fällt. Die Schrecken der offensichtlich dargebotenen Kriegsfolgen sind nur Mittel zum Zweck um den ZuschauerInnen einen Spiegel vorzuhalten und sie auf den alltäglichen Kampf mit sich selbst hinzuweisen. Die Barrieren im Kopf und die unzähligen Widersprüche unseres Handelns führen uns immer wieder in Sackgassen aus denen wir viel zu oft nur durch überzogene Kritik an anderen und kaum einmal durch Selbstreflexion und entsprechende Fehlerkorrektur bei uns selbst versuchen auszubrechen.
An diesem Abend bieten alle vier Schauspieler eine absolut überzeugende Leistung. Aleksandar Seksan zeichnet sich in seiner Rolle des jüngeren Bruders „Braco“ besonders aus. Der „Ausbruch“ seiner Figur in der Mitte des 1,5-stündigen Stückes, ein Appell an alle sich mehr um ihre eigenen und weniger um die Probleme anderer zu kümmern und vor allem jüngere Menschen auch einmal ihre eigenen Fehler machen zu lassen, ist so kraftvoll, dass man es auch Tage nach der Aufführung im Ohr und vor dem geistigen Auge hat.
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Das Spiel von einem der größten Schauspieler des Balkans aller Zeiten, Emir Hadžihafizbegović, war im wahrsten Sinn des Wortes berauschend. Seine Leistung war schier überragend und zutiefst beeindruckend. Es ist tatsächlich sehr schwer ausreichende Superlative für diese Schauspiellegende zu finden. Man kann sich nur glücklich schätzen ihn an diesem Abend auf den Brettern die die Welt bedeuten miterlebt zu haben.
Die Aufführung von „Žaba“ geschrieben vom jungen kroatischen Autor Dubravko Mihanović und inszeniert vom Regisseur von Elmir Jukić war die erste Zusammenarbeit von BHKP und dem Kammertheater 55 aus Sarajevo welche in den nächsten Jahren durch weitere regelmäßige Aufführungen in Wien fortgesetzt werden soll.
Kemal Smajić
Mehr Infos: www.bhkp.at und facebook.com/bhkultur
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