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GESCHICHTE

Auf den Spuren der größten Südslawen in Wien: Von damals bis heute

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(ALLE FOTOS IM BEITRAG: Parlamentsdirektion/Simonis, ÖAW/H.Bergmann, Historisches Museum der Stadt Wien, Wikimedia Commons/Archiv Kunsthandel Kovacs/Wellano 18143, Austria Forum/Ewald Judt, iStockphoto, zVg.)

„Der Balkan beginnt am Rennweg“ sagte der österreichische Kanzler Metternich. Und das war kein Zufall, denn im dritten Wiener Bezirk lebten viele wichtige Persönlichkeiten vom Balkan. Mehrere Jahrhunderte lang wandelte die südslawische intellektuelle Elite auf den Straßen Wiens.

Die engen Verbindungen zwischen Österreich und den Balkanländern stammen aus längst vergangenen Zeiten. Bereits im 16. Jahrhundert gab es mehrere entscheidende Ereignisse, derentwegen wir auch unsere Geschichte in dieser Zeit beginnen wollen. Von 1522 bis 1526 formierte sich in Kroatien die militärische Verteidigung Österreichs. Weil die Ungarn nicht bereit waren, den Kroaten zu Hilfe zu kommen, baten diese den Erzherzog von Österreich Ferdinand I., ihnen Soldaten und Waffen zu schicken. Damals entstand die österreichisch-ungarische Militärgrenze, die in den folgenden Jahren immer mehr erweitert wurde. So bildete sich etwa die Militärgrenze im Banat zwischen 1763 und 1770 heraus. Diese Grenze besetzten Angehörige des Heeres, die teilweise bereits im Siebenjährigen Krieg verwundet worden waren, sowie auch 768 serbische Familien, die in der Region lebten. Im Laufe der Zeit gewann die Monarchie an Territorium – zum Beispiel durch die Annexion von Bosnien-Herzegowina 1878 – und so nahm auch die Zahl der Südslawen zu, die zu Bildungs- und Arbeitszwecken und Ähnlichem in die kulturellen Zentren Österreich-Ungarns strebten. Hier eine chronologische Übersicht über einige der wichtigsten Vertreter der südslawischen intellektuellen Elite.

Jernej-Kopitar
*Repnje, 21. August 1790 – † Wien, 11. August 1844 (FOTO: zVg.)

Jernej Kopitar
Geboren im slowenischen Repnje als Sohn einer Bauernfamilie wurde Jernej Kopitar nach Abschluss des Gymnasiums in Ljubljana Sekretär des Barons Sigmund Zois. Sein Arbeitgeber finanzierte ihm auch ein Studium der Rechtswissenschaften in Wien, was Kopitar viele Türen öffnete und ihm zahlreiche Kontakte einbrachte. Im Jahre 1810 wurde er vierter Skriptor und Zensor der Hofbibliothek in Wien. Er gilt als einer der wichtigsten Fürsprecher für die Entwicklung des Austroslawismus. Kopitar hat mit seiner Arbeit zur Entwicklung des Studiums der slawischen Philologie und Linguistik beigetragen, die die Grenzen der Monarchie sogar überwand und den ganzen Balkan umfasste. Als Zensor für slawische Literatur spielte er eine wichtige Rolle und nahm großen Einfluss auf die Veröffentlichung der Werke Karadžićs und anderer. Außerdem pflegte er ein weites Netz an Kontakten zu österreichischen und deutschen Intellektuellen und veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Arbeiten.

Vuk-Stefanovic-Karadzic
*Tršić, 6. November 1787 – † Wien, 7. Februar 1864 (FOTO: zVg.)

Vuk Stefanović Karadžić
Der bekannte serbische Reformator kam gemeinsam mit anderen Aufständischen 1813 nach Wien. Als er einen Artikel über den Aufstand veröffentlichen wollte, fiel dieser Text Kopitar in die Hände und begründete die lebenslange Freundschaft zwischen den Beiden. Ab 1813 veröffentlichte er seine Arbeiten in der ersten serbischen Tageszeitung „Novine Serbske“, die seit dem 1. August in der österreichischen Hauptstadt gedruckt wurde. Nur ein Jahr später veröffentlichte er hier die erste Grammatik der serbischen Volkssprache „Pismenica serbskog jezika po govoru prostoga naroda napisana“ und anschließend das Volksliederbuch „Narodna serbska pjesnarica“. 1818 heiratete Vuk Stefanović Karadćić die Österreicherin Anna Kraus, mit der er dreizehn Kinder hatte. Im selben Jahr kam auch das erste Wörterbuch „Srpski rječnik“ heraus, das auf dem phonetischen Prinzip und der reformierten kyrillischen Schrift beruhte, die noch heute verwendet wird. In seiner Karriere veröffentlichte er unzählige wichtige Werke zur serbischen Sprache. Er starb mit 76 Jahren in Wien und wurde auf dem Friedhof St. Marx bestattet. Seine sterblichen Überreste wurden 1987 in ein Grab neben Dositej Obradović in der Kathedrale des hl. Michael in Belgrad umgebettet.

Toleranzpatent
(FOTO: Wikimedia Commons)

Toleranzpatent

Den Weg für das Toleranzedikt zwischen den christlichen Konfessionen hatte bereits Maria Theresia geebnet, die 1770 zwei Vorschriften erließ, mit denen sie das kirchliche Schulsystem radikal in die Zuständigkeit des Staates überführte. Das Edikt selbst wurde am 13. Oktober 1781 von Kaiser Franz Joseph II. verkündet und bezog sich auf einige nichtkatholische Glaubensgemeinschaften. Es bestand aus sieben Punkten, in denen einigen der nichtkatholischen Gemeinschaften gestattet wurde, ihren Glauben privat zu praktizieren und eigene Gotteshäuser zu errichten. Sein Nachfolger Leopold II. führte den Weg Josephs II. fort. Das Toleranzedikt zwischen den christlichen Konfessionen verbesserte die Situation der Südslawen. Obwohl der Inhalt des Edikts für die katholischen Kroaten weniger von Bedeutung war, profitierte die orthodoxe Bevölkerung der Monarchie, d.h. die Serben, sehr davon, insbesondere, als Leopold II. den Protestanten die öffentliche Ausübung ihres Glaubens gestattete, was auch für die Angehörigen dieser Konfession im Königreich Dalmatien, Slawonien und Kroatiens galt. Man kann sagen, dass dies die ersten Schritte zu einer Art Gleichberechtigung innerhalb der Bevölkerung Österreich-Ungarns waren.

Branko-Radicevic
*Slavonski Brod, 28. März 1824 – † Wien, 1. Juli 1853 (FOTO: zVg.)

Branko Radičević
Geboren in Slavonski Brod als Sohn eines monarchistischen Zöllners und Dichters hielt sich Radičević von 1843 bis 1847 erstmals in Wien auf und begann hier ein Jusstudium. Nur ein Jahr später verließ er die Universität und Wien wegen der Märzrevolution. Während seines ersten Aufenthalts in der Hauptstadt der Monarchie lebte er bei Vuk Karadžić in der Oberen Reisnerstraße im dritten Bezirk. Hier entstand auch seine enge Freundschaft mit Vuks Tochter Mina. Inspiriert von Karadžićs Arbeit begann Radičević, Lieder im Einklang mit dessen Rechtsschreibreform zu schreiben, die er mit Elementen aus der Volksepik und –lyrik anreicherte. Radičević kehrte 1851 nach Wien zurück und begann, mit einem Stipendium des Fürsten Mihajlo Obrenović Medizin zu studieren. Er starb am 1. Juni 1853 im alten AKH, wo sich heute der Universitätscampus und unter anderem auch das Institut für Slawistik befinden. Ein interessantes Detail ist, dass er genau hier das Gedicht „Pevam danju, pevam noću“ schrieb, das er Mina Karadžić widmete. (KOSMO berichtete)

Petar-II-Petrovic-Njegos
*Njeguši, 13. November 1813 – † Cetinje, 31. Oktober 1851 (FOTO: zVg.)

Petar II. Petrović Njegoš
Nach dem Tod seines Onkels Petars I. wurde er zum „amtierenden
Fürstbischof von Montenegro“ ausgerufen. Während seiner Herrschaft legte Njegoš durch Einrichtung der Staatsorgane des Senats, der Garde und der Perjanik-Polizei sowie durch die Einführung eines Steuersystems den Grundstein des modernen montenegrinischen Staates. Njegoš hat für seine Reformen viel Anerkennung erfahren und reiste durch ganz Europa. So lernte er auch Vuk Karadžić kennen. 1848 unterstützte er die Serben und Kroaten in der Auflehnung gegen Ungarn. Neben seinen politischen Errungenschaften ist er auch als großer Schriftsteller bekannt geworden. Sein literarisches Schaffen gilt heute als einer der wichtigsten Beiträge zum nationalen Schrifttum im serbisch-kroatischen Sprachraum. Der „Gorski vijenac“ bildet den Gipfel von Njegošs literarischer Arbeit und gleichzeitig auch den der epischen Dichtung auf dem Balkan. Das Werk wurde 1847 im armenischen Kloster in Wien gedruckt. 1849 wurde bekannt, dass er an einer schweren Tuberkulose litt, und das folgende Jahr verbrachte er mit Behandlungen in Wien und Italien. Er starb zwei Jahre später in seiner Heimat Montenegro.

EINE KARTE WIENS:

Dass viele balkanische Intellektuelle hier gelebt und geschaffen haben, erkennt, wer wachen Auges durch die Stadt spaziert, schon an vielen Straßennamen, Denkmälern und Gedenktafeln überall in der Stadt.

Franc-Miklosic
*Pichelberg, 20. November 1813 – † Wien, 7. März 1891 (FOTO: zVg.)

Franc Miklošić
Der slowenische Intellektuelle wurde 1813 in Luttenberg (Ljutomer, Slowenien) geboren. Nach dem Studium an der Grazer Universität übersiedelte er 1838 nach Wien, wo er sein Studium der Rechtswissenschaften fortsetzte. Dank Jernej Kopitar erhielt er eine Anstellung an der Wiener Hofbibliothek, wo er sich überwiegend dem Studium der Slawistik widmete. Daneben war er Beamter der Untersteiermark sowie Mitbegründer der Wiener akademischen Gesellschaft „Slovenija“ (1848). Nur ein Jahr später wurde er außerordentlicher Professor und 1850 erstmals ordentlicher Professor der slawischen Philologie und Literatur an der Wiener Universität. Damit wurde Miklošić der erste Professor dieser neu gegründeten Fachrichtung. Zu seinen wichtigsten Werken zählen eine vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen („Uporedna gramatika slovenskih jezika“, 1868) sowie eine Reihe weiterer Forschungen zum Altkirchenslawischen und modernen slawischen Sprachen. Er starb 1891 in Wien und wurde auf dem Zentralfriedhof beerdigt.

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*Rijeka, 3. August 1832 – † Zagreb, 16. Dezember 1914 (FOTO: zVg.)

Ivan Zajc
Der große kroatische Musiker wurde am 3. August 1832 in Rijeka als Sohn eines tschechischen Kapellmeisters und Chorleiters im österreichischen Heeresdienst geboren. Dort erhielt er auch ersten Musikunterricht von seinem Vater. Obwohl er großes Talent zeigte, wollten seine Eltern nicht, dass er die Musik zu seinem Beruf machte, sondern er sollte Jus studieren. Zajc gelang es jedoch, seinen Vater zu überzeugen, ihn auf das Konservatorium in Mailand zu schicken. Bis dahin hatte er bereits unglaubliche 20 Opern geschrieben. Nach dem Ende seines Studiums kehrte er nach Rijeka zurück und übernahm die Position seines Vaters. So wurde er Lehrer und Dirigent am Grazer Philharmonischen Institut. 1862 entschied er sich zur Übersiedelung nach Wien, wo der mehrere Operetten komponierte. Hier pflegte er auch Kontakte zu den großen Musikern seiner Zeit wie Johann Strauß Sohn. Zajc‘ Werke wurden vom Wiener Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen und ein einzelnes Werk Zajc‘ wurde bis 1875 über 140-mal in Wien aufgeführt. Bereits 1870 verließ er Wien wieder und folgte einem Ruf als Direktor an die Zagreber Oper. In der heutigen Hauptstadt Kroatiens schrieb er die erste nationale kroatische Oper Nikola Šubić Zrinjski, die am 4. November 1876 in Zagreb uraufgeführt wurde.

Durch die Weltkriege wurden die Verbindungen zwischen Österreich und dem Balkan nur vorübergehend unterbrochen. Die Südslawen blieben im Lande und hinterlassen noch immer, auch in der Zweiten Republik, unauslöschliche Spuren. Mehr darüber auf der zweiten Seite!

Die erste serbische Tageszeitung wurde in Wien gedruckt