Start Blog
GESCHICHTE

Balkan Stories: Das rätselhafte Haus von Jajce

(Foto: zVg./Balkan Stories)

Auf der Ulica Maršala Tita in Jajce steht ein Haus, das einen zum Nachdenken bringt. In dem kleinen Gebäude sind gleich drei politische Parteien untergebracht. Das ist keine gute Idee.

Man bringt ja mit Bosniens politischer Klasse Vieles in Verbindung.

Sparsamkeit und Bescheidenheit gehören eher nicht dazu.

Das Haus in der Maršala Tita 36 in Jajce scheint dem zu widersprechen.

In dem kleinen Gebäude haben drei politische Parteien ihr Hauptquartier in der zentralbosnischen Stadt.

Drei Parteien, die, gelinde gesagt, ein sehr spannungsgeladenes Verhältnis zueinander haben.

Das sind die bosnjakische klerikalnationalistische SDA, die kroatische klerikalnationalistische HDZ (BiH) und die linksliberale SDP.

Dass die drei im gleichen Gebäude sind, ermöglicht ihnen, einander zu überwachen.

Wahrscheinlich ist das nicht der Grund, warum alle drei in der Maršala Tita 36 sind, aber es läuft darauf hinaus.

Der Demokratie in Jajce ist das eher abträglich.

Niemand, der etwas von einer der drei Parteien braucht, kann diese in ihrem zentralen Büro besuchen, ohne, dass es die anderen beiden Parteien sehr wahrscheinlich mitbekommen.

Warum das keine gute Idee ist

Es gibt viele legitime Gründe, warum jemand Kontakt zu einer politischen Partei sucht, und nicht will, dass das sofort öffentlich wird.

Für politische Projekte, im Großen und im Kleinen, braucht man Verbündete.

Politische Parteien bieten sich hier an.

Solche Bündnisse wollen gut vorbereitet sein, bevor man sie an die große Glocke hängt.

Geht in Jajce nur, wenn man sich anderswo trifft.

Und natürlich ist es auch nicht von Vorteil, wenn etwa die SDP eine Mitgliederversammlung hat, und die HDZ sofort mitbekommt, wer da aller reingeht.

Da kann man ja gleich seine politische Überzeugung unter das Namensschild bei der Haustür schreiben.

Politische Überzeugungen sind Privatsache. Eine Parteimitgliedschaft gehört dazu.

In einer kleinen Stadt wie Jajce wird es schwierig genug sein, dass man nicht sofort politisch punziert wird.

Was sich durchaus etwa auf die Chance auswirken kann, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Die Situation in der Maršala Tita 36 erschwert das zusätzlich.

Das schadet den Bürgern der Stadt.

Man fragt sich, was den Vertretern von SDA, HDZ und SDP eingefallen ist, dass sie ins gleiche Haus gezogen sind.

Anderswo vermeidet man solche Situationen aus gutem Grund.

Ein schwacher Trost

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass ausgerechnet die klerikalnationalistische HDZ ihr Büro in einer Straße hat, die nach Tito benannt ist.

Deren Umbenennung ihre Anhänger seit Jahren fordern und mit halblegalen Mitteln auf eigene Faust umsetzen.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.