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GESCHICHTE

Balkan Stories: Sretan Osmi Mart!

Stellvertretend und herausragend

In mehrfacher Hinsicht für damals eine außergewöhnliche Geschichte.

Eine Frau, jüdisch, noch dazu keine 30, wird zur obersten Lebensretterin der Partisanen.

Man sieht, wie viele Geschichststränge hier zusammenlaufen.

100.000 Frauen kämpften damals in bewaffneten Einheiten der Partisanen.

Etwa jede Vierte fiel.

In einem ähnlichen Ausmaß kämpften nur in der Sowjetunion Frauen an der Front.

Zwei Millionen Frauen waren in der einen oder anderen Form in der Volksbefreiung (NOP) aktiv, leisteten hinter den Linien wichtige Arbeit für die Befreiung Jugoslawiens.

(Mehr siehe HIER.)

3.000 Jüdinnen und Juden kämpften bei den Partisanen – ein überdurchschnittlicher Anteil.

(Mehr siehe HIER.)

Für beide steht Roza Papo. Und noch für viel mehr. Leider auch im traurigen Sinn.

Zwischen 500.000 und 750.000 Menschen waren, je nach Schätzung, den Völkermorden an Serben, Roma und Juden in Jugoslawien zum Opfer gefallen.

Ustaša, SS und Wehrmacht hatten 66.000 der 83.000 Juden Jugoslawiens ermordet.

Rozas gesamte unmittelbare Familie gehörte zu den Mordopfern.

Als sie 1945 nach Sarajevo zurückkehrte, hatte sie niemanden.

Der Aufstieg zur ersten Generalin Jugoslawiens

Ohne Anknüpfungspunkte in ihrer Heimatstadt übersiedelte sie nach Beograd.

Ob es daran lag, dass sie ohne eigene Familie die Partisanen und Partisanen, mittlerweile zur JNA geworden, als ihre Bürder und Schwester ansah, wie es ein Nachruf aus dem Jahr 1984 formulierte?

Oder ist das Geschichtsklitterung, der Versuch, anhand von Roza die Gründungsgeschichte des Neuen Jugoslawien vier Jahre nach Titos Tod am Leben zu erhalten?

Leider gibt es niemanden, der diese Frage beantworten kann.

Roza Papo wurde zur wichtigsten Sanitätsoffizierin der nunmehrigen regulären Armee ihrer Heimat.

Sie wurde zuerst zur Oberstin befördert, unterrichtete dann an der Militärmedizinischen Fakultät.

Dort war sie auch an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt. Sie war Expertin für Infektionskrankheiten, war auch Professorin für diese Fachrichtung.

In englischer Sprache und online verfügbar ist diese Studie über Impfungen gegen die bakterielle Ruhr aus dem Jahr 1965, veröffentlicht bei der WHO.

1969 wurde sie Leiterin der Militärmedizinischen Kommission der JNA.

Das Jahr brachte auch eine Tragödie. Damals verlor sie ihren Sohn.

1973 wurde Roza Papo zur Generalin ernannt – als erste Frau mit Generalsrang in Jugoslawien, und eine der ersten weltweit.

Im US-Militär etwa waren die ersten Generalinnen – Anna Mae Hays und Elizabeth P. Hoisington – 1970 ernannt worden.

1986 erst bekam Israel mit Amira Dotan seine erste Generalin. Das ist überraschend spät, besteht doch in Israel seit Jahrzehnten Wehrpflicht für Frauen und haben die israelischen Streitkräfte seit Jahrzehnten Frauen in aktiven Kampfrollen und in Spezialeinheiten integriert.

Roza Papo war demgemäß nicht nur eine der ersten Frauen im Generalsrang weltweit, sie war auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die erste Jüdin als Generalin.

1984, im Alter von erst 70 Jahren, starb Roza Papo in Beograd.

Über ihre Todesursache ist in den online zugänglichen Nachrufen nichts bekannt.

Was an Erinnerung blieb, inspiriert

War Roza in Jugoslawien hochgeehrt, verblasste die Erinnerung an sie mit dem gewaltsamen Zerfall des Landes.

In Bosnien ist nur eine Straße in Bijelina nach ihr benannt.

In Serbien dürfte es keine einzige Roza Papo-Straße geben.

Auch nach den Umbenennungsorgien, die das Gedächtnis an das sozialistische Jugoslawien tilgen sollten, finden sich dort an sich noch viele Straßen, die nach Freiheitskämpferinnen- und vor allem kämpfern benannt sind.

Ob sie schneller in Vergessenheit gerät als andere, weil sie eine Frau war?

Zu Jahrestagen erschienen über die vergangenen Jahre dennoch immer wieder Artikel über Roza Papo.

Manchmal nimmt das auch eher bizarre Züge an.

2017 etwa rief das serbische Boulevardblatt Telegraf auf, die „Miss Partisanenbewegung“ zu wählen.

Roza war eine der Kandidatinnen.

Gleichwohl, im ehemaligen Jugoslawien erscheinen immer wieder gut recherchierte und seriöse Artikel über Roza Papo in Medien mit großer Reichweite.

Etwa hier auf der bosnischen Seite Buka.

Und feministische Geschichtsschreibung und Kunstprojekte widmen sich der Freiheitskämperin und ersten Generalin Jugoslawiens immer wieder.

Etwa das Buch #ŽeneBiH, das an wichtige Frauen in der Geschichte Bosniens erinnert.

Für dieses Buch illustrierte die Sarajevoer Künstlerin Sunita Fišić das Kapitel über Roza Papo.

Vor dem Projekt habe sie nie von ihr gehört, erzählte Sunita in einem Interview zum Bochprojekt.

Was auch zeigt, dass die Erinnerung verblasst. Aber eben nicht genug, um wissenschaftliche Arbeit oder künstlerische Inspiration zu verhindern.

Auch die bosnische Publikation 100 Straßen für 100 Frauen aus dem Jahr 2021 widmet ihr ein Kapitel.

Ein weiteres Denkmal hat die US-amerikanische Schriftstellerin Davi Walders Roza Papo gesetzt.

In ihrem Gedicht „General Dr. Roza Papo Reports from the Front“ schilderte sie für die feministische Literaturzeitschrift Bridges den Kriegsalltag der Partisanenärztin.

„Our soldiers must be thieves, raiding
German hospitals, stealing serum,
ether, chloroform. They arrive stinking,
supplies buried in manure carts.
We never have enough. I reset legs,
remove shrapnel, cut out bullets.“

Aus: „General Dr. Roza Papo Reports from the Front“, Bridges 01 2016, von Davi Walders

Der in Schweden ansässige Musiker Sev Dah benannte einen Track seines Labels Proletarijat nach Roza Papo.

So lange solche Projekte von ihr inspiriert werden, wird Roza Papo zumindest einer interessierten Öffentlichkeit wieder und wieder in Erinnerung gerufen.

Und mit ihr die Leistungen von zwei Millionen Frauen bei der Befreiung Jugoslawiens.

Es ist zu hoffen, dass diese Erinnerung für viele Mädchen und junge Frauen eine Ermutigung ist.

Im ehemaligen Jugoslawien und darüber hinaus.

Wie wenig bekannt der Beitrag der jugoslawischen Frauen zur Befreiung im Zweiten Weltkrieg ist, sieht man etwa an dieser an sonst gut recherchierten Arbeit.

Diese Broschüre soll das Andenken an diese Frauen bewahren. Und die Frauen in den Ländern Ex-Jugoslawiens anspornen, sich nicht an den Rand drängen zu lassen.

Sondern in alter Tradition ganz vorne für ein besseres Leben in ihrer Heimat zu kämpfen.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.