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GESCHICHTE AUS DER DIASPORA

„Die Stadt Wien hat kein Interesse an ihren Gastarbeitern“

(Foto: zVg.)

KOSMO sprach mit Ljubomir Bratic, einem Philosophen, Publizisten und Aktivisten, der sich mit den Themen Migration, Gastarbeiter und Arbeiterrechte in Wien beschäftigt und den Plan eines „Migrationsmuseums“ verfolgte.

KOSMO: Wie verlief die Migration der Menschen vom Balkan nach Österreich?

Ljubomir Bratic: In Österreich kam es zu mehreren parallelen Migrationsbewegungen. Historisch gesehen gab es eine große Migration von Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die dazu geführt hat, dass heute eine halbe Million von uns in Österreich leben. Man muss wissen, dass unsere Geschichte mit Österreich schon viel früher beginnt, schon während der Habsburgermonarchie. Die ersten großen Migrationswellen wurden während des Zweiten Weltkriegs verzeichnet, als Zwangsarbeiter zur Arbeit nach Österreich gebracht wurden, und nach dem Krieg kamen die Donauschwaben, die aus der Vojvodina vertrieben wurden. Seit den sechziger Jahren steigt die Zahl der Menschen, die zur „vorübergehenden Arbeit“ nach Österreich kommen.

In den siebziger Jahren begann die Krise und die ersten Gesetze über die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte wurden erlassen, deren Zweck es war, die Zahl der Zuwanderer zu beschränken. Die Menschen, die kamen, ließen ihre Familien und Häuser zurück, und man meint oft, es seien mehr Männer gewesen als Frauen. Aber das stimmt nicht, denn unter ihnen waren 48 % Frauen und 52 % Männer.

KOSMO: In den Achtzigern und Neunzigern änderte sich die Situation jedoch. Was passierte damals?

Ljubomir Bratic: Viele Menschen wollten nicht auf den Balkan zurückkehren, denn sie hatten gar keine realistischen Möglichkeiten für eine Rückkehr. Damals schlugen diese Menschen mit ihren Familien in Österreich Wurzeln. Mit dem Zerfall Jugoslawiens und der Ankunft der Flüchtlinge aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo änderte sich auch die Struktur der Menschen hier. Damals wurden die Menschen aufgenommen und erhielten kollektiv Unterkunft und Geld für jedes Familienmitglied.

(Foto: zVg.)

Das Wichtigste aber war, dass sie eine Arbeitsbewilligung beantragen konnten und damit von Flüchtlingen zu Gastarbeitern wurden. Das ging so fast bis 1996 und den Menschen gelang es, ihre Zuwanderung zu legalisieren und in Österreich zu bleiben. Viele schafften es, selbständig zu werden und es wurden massenhaft ex-jugoslawische Restaurants eröffnet, aber es gab auch einen anderen Zugang.

Diese Welle brachte neues Potential, aber auch neue Bedürfnisse. Die ideologische Einstellung des Staates zur Zuwanderung änderte sich. Man sprach über die Rückkehr der Arbeitskräfte, bis der Begriff „Diaspora“ aufkam. Seit 1989 haben wir keine Arbeiter „zur vorübergehenden Arbeit“ mehr, sondern eine „Diaspora“. Die Diaspora sind unsere Landsleute, aber sie sind nicht Arbeiter. Der Begriff „Diaspora“ wird als nationale, nicht als soziale Bezeichnung verwendet.

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