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INTERVIEW

„In ‚Die Migrantigen‘ darf man ohne schlechtes Gewissen über alles und jeden lachen“

Die Migrantigen 1
Regisseur Arman T. Riahi (links) und Schauspieler Aleksandar Petrović (rechts) über ihr Erstlingswerk, Probleme im Integrationsbereich und die Wichtigkeit von Vorbildern für Migranten. (FOTO: KOSMO/Diva Shookur)

In Kürze startet die Komödie „Die Migrantigen“ in den österreichischen Kinos. Wir trafen den Regisseur Arman T. Riahi und seinen Freund, Co-Autoren und Schauspieler Aleksandar Petrović zum KOSMO-Interview.

KOSMO: Dem Titel zufolge dürfte euch etwas im Zusammenhang mit dem Wort Migrant grantig machen. Was genau?
Arman: Mittlerweile nicht mehr, jedoch früher schon. Ich hab mich schon darüber geärgert, dass Leute wie wir nie in den Medien vorgekommen sind. Entweder ist man negativ aufgefallen oder du bist der Arme. Ich hatte das Gefühl, dass es nur bestimmte Rollen für Migranten im Medien- und Filmbereich gegeben hat. Es gibt mehr als nur Menschen mit Migrationshintergrund, die kurz vor der Abschiebung stehen oder zu Hause unter dem Kopftuch leiden. Es gibt wohl keinen, der nicht früher oder später einmal auf seinen Migrationshintergrund reduziert wird.
Aleksandar: Der Name ergibt auch ein schönes Bild, denn er verbindet zwei Dinge, die wir in Wirklichkeit sind: unseren Migrationshintergrund und den „Grant“, etwas Urwienerisches.

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Vor genau 15 Jahren wurde das Drama „No Man’s Land“ von Danis Tanović mit dem Oscar gekrönt. Der Regisseur stellte seinen neuen, preisgekrönten Streifen „Death in Sarajevo“ im Rahmen des LET’S CEE FF in Wien vor. KOSMO hat den Bosnier zum Gespräch getroffen.

 

Wie kam es dazu, dass ihr bei „Diverse Geschichten“ mitgemacht habt und wie hat sich das auf die Entwicklung des Drehbuchs zum Film ausgewirkt?
Arman: Ich habe bereits einmal davor bei „Diverse Geschichten“ teilgenommen und ein Drehbuch entwickelt, welches bisher noch nicht verfilmt wurde. Später haben Aleksandar und ich ein Drehbuch für einen Gangster-Film entworfen, welcher auch genommen wurde. Wir haben uns allerdings auf halbem Weg dazu entschieden, dass wir doch lieber „Die Migrantigen“ einreichen. Die Grundidee entstand während der Dreharbeiten zum Vorgängerprojekt „Neue Wiener“, einer TV-Serie bei der nach 4 gedrehten Folgen aufgrund von internen Quelereien in der Produktionsfirma Schluss war.
Aleksandar: Wir konnten mit „Die Migrantigen“ auch andere Themen abdecken. Es handelt sich nicht um eine reine „Ausländerkomödie“, sondern auch um eine Medienkritik. „Diverse Geschichten“ hat uns sehr dabei geholfen, die Basis für das Drehbuch zu schaffen. Im Rahmen der Individualförderung gibt es auch diverse Lesungen, an welchen wichtige Persönlichkeiten aus der Branche teilnehmen und dein Werk kennenlernen können. Bereits bei den Lesungen der ersten Szenen bekamen wir großen Applaus und tolles Feedback, was uns natürlich noch mehr motiviert hat.

„Irgendwann reicht es mit Schleppern, Zuhältern, Taxifahrern und all dem, was wir Ausländer halt so machen“ – Aleksandar Petrović

Wie sieht die Filmbranche in Österreich für Regisseure und Schauspieler mit Migrationshintergrund aus? Darf man sich auch mit „rein österreichischen“ Themen bzw. Rollen beschäftigen, oder wird man in Schubladen gezwängt?
Aleksandar: Generell ist es für jeden Schauspieler schwierig reinzukommen. Auch für einen Österreicher ist es schwer sich durchzusetzen, da der heimische Markt überschaubar ist. Man könnte es natürlich kritisieren, dass man anfangs eher in Klischeerollen gezwängt wird, was dir nach zehn Jahren auf die Nerven geht. Man kann aber nicht abstreiten, dass diese Rollen einem auch die Türen zur Branche öffnen. Irgendwann reicht es jedoch mit Schleppern, Zuhältern, Taxifahrern und all dem, was wir Ausländer halt so machen – daher auch die Kritik mit „Die Migrantigen“.
Arman: Die Leute haben sich in den vergangenen Jahren auch nie selbst in den Medien als Figur gesehen. Es gibt selten bis gar nie komplexe nuancierte Charaktere mit Migrationshintergrund. Glücklicherweise passierte in den vergangenen Jahren etwas, was in Österreich im Vergleich zu Deutschland jedoch immer lächerlich ist. Dort spielen auch Menschen mit Migrationshintergrund regelmäßig Hauptrollen – ich selbst weiß nur von einem oder zwei österreichischen Filmen, wo dies der Fall ist. Bei uns gibt es keine schauspielerischen Ikonen, die regelmäßig solch große Rollen spielen. Aber das betrifft nicht nur den Film, sondern lässt sich auf das Fernsehen generell – wie z.B. Moderatoren, Nachrichtensprecher usw. – ummünzen.

(FOTOS: Golden Girls Filmproduktion)

Ohne zu viel verraten zu wollen… Der Film handelt von zwei Jungs, die nur wegen gewissen Umständen vorgeben stereotypische Migranten zu sein. War es schwer für euch, diese Rollen auszudenken bzw. zu spielen, oder habt ihr vielleicht auch die eine oder andere Jugendsünde vorzuweisen?
Arman: Es steckt sehr viel an eigenen Erfahrungen in unserem Film. Wir versuchten in dem Film zu differenzieren: „Woher bin ich?“, „Was mache ich?“ usw. Aus diesem Grund gibt es auch Figuren mit nicht nur dem „einen Typus“ Migrant. Es gibt die beiden Hauptcharaktere, welche beide ein sehr behütetes Leben gehabt haben: Benny stammt aus einer sehr bürgerlichen Familie und Marko ist vom Gemeindebau „aufgestiegen“. Dann gibt es selbstverständlich auch andere Figuren, die über gar keine Schulbildung und Ausbildung verfügen, im Park aufgewachsen sind und im Gefängnis waren. All diese Figuren zeigen ein breites Spektrum der alltäglichen gegenwärtigen Gesellschaft. Dies war uns besonders wichtig. Außerdem wird jedem, der den Film sieht, jemand aus dem wahren Leben einfallen, der den Figuren ähnelt – man „kennt“ sie sozusagen.

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Glaubt ihr, dass es mit Schmäh einfacher ist, Probleme der Gesellschaft anzusprechen? Wenn ja, warum?
Aleksandar: Man darf nie vergessen, dass eine Komödie immer überzeichnet ist. Daraus entsteht auch dann die Fallhöhe und der Konflikt. Aber, einfacher würde ich nicht sagen. Das Publikum ist allerdings bei Komödien offener. Wenn man jemandem direkt ins Gesicht sagt, dass etwas schlecht ist, entgegnete dieser in den meisten Fällen mit einer Trotzreaktion. Genau dies wollten wir mit dem Film nicht erreichen. Mit Lachen und Schmäh ist es sicher einfacher, den Menschen tiefer zu treffen und zum Nachdenken anzuregen, da wir die wahrhaftigen Probleme, Alltagsrassismen, Klischeebilder etc. im Film umdrehen.