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„BILD“-INTERVIEW

Kanzler Kurz offen wie nie: „Lockdown hat Wirkung verloren“

(FOTO: BKA/Dragan Tatic)

Bundeskanzler Sebastian Kurz war Mittwochnacht bei „Bild live“ in Deutschland zugeschaltet. Dort erklärte der Regierungschef, wieso Österreich trotz hohen Infektionszahlen öffnete: „Ein Lockdown, bei dem keiner mitmacht, hat wenig Sinn.“

Während sich Deutschland immer noch im harten Lockdown befindet, haben in Österreich zumindest seit zweieinhalb Wochen Handel, körpernahe Dienstleister und Schulen wieder offen. Bei einem TV-Interview mit der „Bild“-Zeitung am Mittwochabend erklärte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), warum sich Österreich – trotz eines doppelt so hohen Inzidenzwerts wie Deutschland – zu diesem Schritt entschlossen hatte und sprach dabei sehr offen.

„Die objektive Situation war in Österreich schlicht und ergreifend, dass nach sechs Wochen der Lockdown seine Wirkung verloren hat. Die Menschen haben sich immer weniger daran gehalten, es hat immer mehr Verlagerungen in den privaten Bereich gegeben. Und ein Lockdown, wo keiner mitmacht, der hat natürlich auch wenig Sinn“, betonte der Bundeskanzler.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus setzt Österreich vor allem auf die Testungen. Derzeit werden im Schnitt 2,5 Millionen Menschen in der Woche getestet: „Wir versuchen mit vielen Tests ein Stück Freiheit zu gewähren, aber wir machen das sehr behutsam und mit dem Bewusstsein, dass die Zahlen jederzeit steigen bzw. stark steigen können. Und dann muss man ohnehin reagieren. Die Pandemie findet bekanntlich in Wellen statt“, so Kurz weiter.

Ein Lockdown, wo keiner mitmacht, der hat natürlich auch wenig Sinn“

„Lockdown macht dann Sinn, wenn die Menschen mitmachen“
Man könne, so Kurz, in einer dritten Welle sein und dennoch die Geschäfte geöffnet haben: „Die Frage ist, wie hoch steigen die Zahlen und wie schnell steigen sie. Das ist natürlich ein Wettlauf gegen die Zeit und mit jeder Person, die geimpft wird, kommen wir ein Stückchen mehr in Richtung Normalität.“

Einen neuerlichen Lockdown könne man grundsätzlich jedoch nicht ausschließen. Kurz: „Wenn sich das Wachstum der Zahlen beschleunigt, wird es notwendig, auch wieder Verschärfungen durchzuführen. Ich kann nur sagen, ein Lockdown macht dann Sinn, wenn die Menschen mitmachen.“ In Österreich habe man gesehen, dass sich die Situation in den letzten beiden Lockdown-Wochen nicht mehr verbessert habe. „Es war eine Seitwärtsbewegung.“

„Verhindern, dass Intensivkapazitäten übergehen“
Man müsse sich aber trotzdem immer die Frage stellen, was die Alternative dazu sei: „Die Situation eskalieren zu lassen, eine Situation, die außer Kontrolle ist, das kann keine positive Alternative sein.“ Deshalb müsse man verhindern, dass die Intensivkapazitäten übergehen. „Wir müssen verhindern, dass unschuldige Menschen sterben, die nicht sterben müssen. Und insofern ist es einfach notwendig, dass wir uns einschränken und Maßnahmen setzen.“

Quellen und Links: