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Regierungskrise

Komplexe Staatsstruktur: Bosnien als politisches Pulverfass

Präsident Dodik nimmt an einer Parade zum 32. Jahrestag des 'Tags der Republika Srpska' in Banja Luka teil.
EPA-EFE/FEHIM DEMIR

Bosnien und Herzegowina ist ein Land voller Kontraste: Nach dem Krieg stehen ethnische Spannungen und politische Blockaden im Vordergrund. Internationale Einflüsse und nationale Ambitionen prallen aufeinander.

Bosnien und Herzegowina steht im Zentrum der politischen Spannungen auf dem Balkan – ein Staat, dessen heutige Form wesentlich durch den Bosnienkrieg und das darauf folgende Dayton-Friedensabkommen von 1995 geprägt wurde. Die Spannungen zwischen den serbischen Bevölkerungsgruppen und der Zentralregierung prägen den politischen Alltag. Die Rolle der internationalen Gemeinschaft, insbesondere durch den Hohen Repräsentanten, ist dabei von zentraler Bedeutung.

Politische Komplexität

Das politische System Bosniens gilt als das komplizierteste Europas. Es basiert auf dem Dayton-Abkommen, das den Bosnienkrieg beendete und den Staat in zwei Hauptentitäten aufteilte: die Föderation Bosnien und Herzegowina, überwiegend von Kroaten und Bosniaken bewohnt, und die Republika Srpska, in der hauptsächlich Serben leben. Die Föderation ist weiter in Kantone untergliedert, während der Brcko-Distrikt eine besondere, de facto autonome Stellung einnimmt.

Obwohl der Gesamtstaat formal übergeordnet ist, sind seine Entscheidungsbefugnisse im Vergleich zu den Entitäten begrenzt. Während Militär und Verteidigung zentral organisiert sind, verfügen die Entitäten über eigene Polizeikräfte. Die politische Machtverteilung erfolgt nach ethnonationalen Prinzipien, was die drei großen Bevölkerungsgruppen – Kroaten, Serben und Bosniaken – betrifft. Minderheiten wie Roma oder Juden haben nicht die gleichen politischen Rechte und können nicht für alle Ämter kandidieren.

Herausforderungen und Einflüsse

Die komplexe Staatsstruktur betont die Unterschiede zwischen den nationalen Gruppen und fördert politische Blockaden. Die Verwaltung gilt als ineffizient, und Korruption ist weit verbreitet. Laut Transparency International zählt Bosnien zu den korruptesten Ländern Europas. Diese Umstände führen zu Politikverdrossenheit und einer hohen Abwanderungsrate, vor allem unter jungen Menschen.

1991 lebten in der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina weniger als 4,5 Millionen Menschen. Die letzte jugoslawische Volkszählung verzeichnete 43,5 Prozent Muslime, 31,2 Prozent Serben und 17,4 Prozent Kroaten. Der Krieg von 1992 bis 1995 forderte etwa 100.000 Todesopfer und vertrieb über zwei Millionen Menschen. Heute hat das Land etwa 3,2 Millionen Einwohner, wobei ein Drittel in der Republika Srpska lebt. Eine niedrige Geburtenrate und hohe Abwanderungszahlen prägen die demografische Entwicklung.

Der Hohe Repräsentant, eingesetzt vom Friedensimplementierungsrat, spielt eine entscheidende Rolle in der bosnischen Politik. Der Rat umfasst über 50 Länder und Organisationen. Mit den „Bonner Befugnissen“ kann der Hohe Repräsentant Gesetze ändern und Amtsträger entlassen. Diese Macht wird als notwendig erachtet, um politische Blockaden zu überwinden, jedoch auch als undemokratisch kritisiert.

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Bosnien stellte 2016 einen EU-Beitrittsantrag und wurde 2022 zum Beitrittskandidaten erklärt. Seitdem sind jedoch kaum Reformen umgesetzt worden, die die politische Gleichstellung von Minderheiten und die Stärkung des Gesamtstaates betreffen. Die EU fordert, dass Personen, die nicht einer der drei konstituierenden Volksgruppen angehören, politisch nicht diskriminiert werden.

Serbien und Kroatien mischen sich regelmäßig in die bosnische Politik ein. Serbische Nationalisten unter Milorad Dodik drohen mit der Abspaltung der Republika Srpska, unterstützt von Serbien. Die kroatische HDZ-Partei stärkt ihre Schwesterpartei in Bosnien, um liberale Kräfte zu schwächen.

Bei Wahlen haben Parteien, die ethnische Unterschiede betonen, oft Erfolg. Dennoch gibt es Bestrebungen für einen Staat gleichberechtigter Bürger, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Die Bevölkerung verschiedener Ethnien arbeitet selbstorganisiert zusammen, etwa bei Protesten gegen Umweltzerstörung oder Korruption.

Trotz dieser Zusammenarbeit bleibt das nationale Prinzip im politischen System Bosniens dominant.