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INTERVIEW

Lane Gutović: „Die Wahrheit sagt man durch Scherze!“

FOTO: NVP, Lane Gutovic Archiv

SHOWMAN. Plovi lađa, plovi bela lađa („Es kommt ein Schiff, ein weißes Schiff“), und mit ihm kommt auch sein Kapitän nach Wien: Srećko Šojic. Dieses Mal mit dem Theaterhit „Ukrađena ličnos‘“ („Gestohlene Persönlichkeit“). Aus diesem Anlass hat KOSMO mit dem großen Schauspieler, dem Schöpfer der unübertrefflichen Figur Šojić und dem echten Showman Milan Lane Gutović gesprochen.

KOSMO: Sie sind eigentlich nur deswegen zur Aufnahmeprüfung der Akademie für Bühne, Film, Radio und Fernsehen gegangen, weil ihre Schwester Sie dazu überredet hat. Eigentlich wollten Sie sich an der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät einschreiben. Fast hätten Sie also etwas ganz anderes gemacht…?
Lane Gutović: Das hat mein Leben zu Besseren gewendet, denn mein Leben als Mathematikprofessor wäre viel einfacher, aber auch langweiliger als dieser Lebensstil, den ich dank meiner Schwester lebe. Manchmal bin ich ihr dafür dankbar, aber wenn diese Lebensart ihre schlechten Seiten zeigt, bin ich es manchmal auch nicht.

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Eine wahre Kult-Komödie kommt am 27. Mai nach Wien und wir haben Tickets für euch!

 

Sie haben schon viele Rollen gespielt, aber sie waren auch als Moderator der Showprogramme „Ne može da škodi“ („Es kann nicht schaden“) und „Oralna doba“ („die orale Phase“) sehr populär. Was ist das, das uns niemals schaden kann?
Ihre Frage enthält irgendwie schon die Antwort: Lachen hat noch nie jemandem geschadet.

Viele Kinder sind mit den interessanten Geschichten und den unvergleichlichen Abenteuern von Ihnen als Forscher und Abenteurer in der Kinderserie „Pustolov“ aufgewachsen. Glauben Sie, dass solche Programme für Kinder heute fehlen?
Wir sind die geworden, vor denen man uns einst gewarnt hat, weil wir es so wollten oder weil man uns dazu gemacht hat. In dieser Form einer rohen Gesellschaft, in der wir leben, gibt es keinen Platz für Kinder, außer in Reklamen und politischen Spots. Man muss schnell erwachsen werden, ohne sich mit schönen Geschichten aufzuhalten. Mir fehlen solche Geschichten noch heute…

Pustolov hat immer am Ende der Serie die „Finsternis aus dem Brunnen gelassen“. Gibt es heute vielleicht zu viel Finsternis in Serbien, aber auch anderswo?
Wenn ich um mich sehe und in mich hineinschaue, würde ich sagen, dass ich mich, als ich den Pustolov gespielt habe, verspielt habe und zu viel Finsternis herausgelassen habe. Wer verzeihen kann, möge mir verzeihen, aber die Finsternis, die ich beim Spielen unabsichtlich freigesetzt habe, kann ich nicht mehr zurücknehmen.

„Wahrheit ist Weisheit,
und wer kann Weisheit verstehen,
wenn es keinen Witz darin gibt“, sagt Gutović.

Neben einer beneidenswert erfolgreichen Karriere und zahlreichen hochdotierten Preisen ist es allgemein bekannt, dass Sie in der Person des Srećko Šojić unübertrefflich sind. Diese Figur hat ihnen, wie man so sagt, offensichtlich am besten gelegen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum?
Wahrscheinlich habe ich in mir selbst Elemente dieser Figur bewahrt. Ich hatte ihn nicht als Vorbild, sondern mich haben solche Typen angewidert, aber das ist ganz ähnlich wie Bewunderung. In jedem Fall haben diese und ähnliche Typen meine Aufmerksamkeit erregt und waren mir ein Beispiel, wie viel Erfolg wir alle haben könnten, wenn wir nur die Moral abschütteln würden.

FOTO: NVP, Lane Gutovic Archiv

Wie erklären Sie sich diese zeitlose Popularität des Srećko Šojić?
Šojić ist eine Figur geworden, die in der Geschichte meines Volkes lebt und überlebt, so wie bei den Engländern Hamlet überlebt hat. Aber Hamlet als Individuum, das zum Symbol des unglücklichen Prinzen geworden ist, und Šojić als Individuum, das zum Symbol des unglücklichen Volkes geworden ist.

Tut es Ihnen leid, dass es zu diesen Inkorrektheiten bei RTS gekommen ist und dass Sie aus der Serie „Bela lađa“ ausgeschieden sind.
Ich glaube, es reicht, dass es Ihnen, den Zuschauern, leidtut.

Kurz und knackig:
Wenn ich nicht Schauspieler wäre, wäre ich … Mathematikprofessor.
Der Beruf des Künstlers ist es, … zu unterhalten, aber nur die zu belehren, die das wollen.
Das beste Antidepressivum ist… ein Urlaub.
Mein unerfüllter Traum ist… alles.
Der Moment des größten Glücks ist… gerade im Gange.
Der Moment der größten Trauer… wartet vermutlich noch auf mich.

Aber zur Freude des Publikums unterhalten Sie uns trotzdem weiter. Kürzlich waren Sie mit Ihrer Stand-up Comedy „Obično veće“ („Ein gewöhnlicher Abend“) sogar in Wien. Dem Gelächter und den positiven Reaktionen des Publikums nach zu urteilen, war das viel mehr als ein gewöhnlicher Abend. Was ist denn für Sie ein „normaler Abend“?
Meine Abende haben eines gemeinsam. Sie bestehen aus Taktiken, mit denen ich Situationen vermeide, in denen man mich ärgern könnte. Das scheint auf den ersten Blick einfach, aber glauben Sie mir, es ist kompliziert.

Auch in Ihrer Stand-up Comedy geht es viel um Politik, aber auch um Frauen. Haben diese Themen vielleicht etwas gemeinsam?
Die Politik ist als Gewerbe nur eine Spur jünger als das älteste Gewerbe der Welt, die Prostitution. Reicht das nicht als Inspiration?

„Šojić ist eine Person, die in der Geschichte meines Volkes leben und überleben wird wie Hamlet bei den Engländern“, betont Lane. (FOTO: NVP, Lane Gutovic Archiv)

Im Mai kommen Sie als Šojić mit der Vorstellung „Ukrađena ličnos‘“ zu uns nach Wien. Sind wir eine Gesellschaft aus solchen Persönlichkeiten geworden?
„Ukrađena ličnos‘“ („gestohlene Persönlichkeit“) ist nach dem Stück „Baraba“ von Milorad Vučetić geschrieben, aber es ist eine Tatsache, dass aus dieser Persönlichkeit später Šojić geworden ist. Wir sind heute nicht unerwartet zu einer solchen Gesellschaft geworden! Wir entdecken jetzt, dass wir schon längst eine Gesellschaft solcher Typen waren.

Was erwarten Sie von dem Gastspiel in Wien?
Ein paarmal habe ich in Wien verschiedene Texte und mit den Ensembles verschiedener Belgrader Theater gespielt. Der gemeinsame Eindruck jedes Teams war die Ähnlichkeit zwischen dem Belgrader und dem Wiener Publikum. Wenn ich von diesem Gastspiel denselben Eindruck mitnehme, werden sowohl ich als auch das Wiener Publikum zufrieden sein.

LACHEN. „Mich bringen nur die zum Lachen, die das gerade nicht wollen.“

Einmal haben Sie erklärt, dass Turbo-Folk zum Gruseln ist und dass wir kulturlos geblieben sind, denn das Land hat sich mit Bildungssendungen gegen diese Kulturlosigkeit gewehrt, aber ohne Erfolg. Gibt es eine Medizin für uns?
Ich habe mich niemals vor Turbo-Folk „gegruselt“. Gruseln und Ekel habe ich für die Politik reserviert, und diese Ressourcen verschwende ich nicht an solch unbedeutende Begleiterscheinungen wie Turbo-Folk. Ich habe nur festgestellt, dass Turbo-Folk ein Produkt und ein Indikator für den Seelenzustand unserer Gesellschaft ist. Eine Medizin für den Seelenzustand gibt es nicht. Um präziser zu sein: Bei uns gibt es keine Medizin, denn es herrschen genau diejenigen, für die ich mir mein Gruseln und meinen Ekel aufspare. Vielleicht sollte ich als Beispiel Churchill zitieren, dem empfohlen wurde, wegen des Krieges die Ausgaben für die Kultur zu kürzen und das Geld für die Verteidigung des Staates einzusetzen. Churchill fragte den Befürworter dieses Projekts: „Und wenn wir die Kultur abschaffen, was haben wir dann zu verteidigen?“ In unserer Variante würde die Antwort lauten: „Und wenn wir den Turbo-Folk abschaffen, was haben wir dann zu verteidigen?“

Kommen wir zurück zur Komödie, die Sie so gut beherrschen. Ist der Scherz ein guter Weg, die Wahrheit zu sagen?
Nur so sagt man die Wahrheit. Die Wahrheit ist Weisheit, und wer kann Weisheit verstehen, wenn darin kein Scherz liegt. Der Scherz ist in gewisser Weise ein Führer zur Wahrheit. Und übrigens besagt eine Weisheit: „Der Ungebildete schaut auf den Gebildeten, der Gebildete auf den Klugen, der Kluge auf den Weisen und der Weise in den Himmel oder unter den Rock. Aber das kann auch der Ungebildete.

Sie haben mit Ihren tollen schauspielerischen Leistungen viele zum Lachen gebracht. Was bringt Sie zum Lachen?
Mich bringen nur Situationen und Personen zum Lachen, die mich nicht zum Lachen bringen wollen, aber dann passiert es. Kurz gesagt, bringen mich nur die zum Lachen, die das nicht wollen.