Nach dem Wahldebakel der Wiener ÖVP steht ein prominenter Name bereit: Markus Figl, Großneffe des legendären Bundeskanzlers, soll die zertrümmerte Partei wieder aufrichten.
Das Wiener ÖVP-Präsidium tritt heute um 15.30 Uhr zusammen, um über die Nachfolge von Parteichef Karl Mahrer zu beraten, dessen Rücktritt als beschlossene Sache gilt. Nach der deutlichen Wahlniederlage am Sonntag herrschte zunächst Sprachlosigkeit in der Partei. Erst im Laufe des Montags kristallisierte sich heraus, dass Markus Figl, derzeit Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, als neuer Vorsitzender vorgesehen ist. Der Großneffe des früheren Bundeskanzlers Leopold Figl soll nun die Partei aus der Krise führen.
Die Bestürzung in der Wiener ÖVP ist verständlich: Die Partei hat unter Mahrers Führung mehr als die Hälfte ihrer Wählerschaft eingebüßt. Nach Auszählung der letzten Briefwahlstimmen könnte sie sogar hinter die NEOS auf den letzten Platz im Gemeinderat zurückfallen. Besonders bitter: Die von Mahrer verfolgte Strategie, mit einem „FPÖ-Light-Kurs“ die Abwanderung von Wählern zu den Freiheitlichen zu stoppen, ist fehlgeschlagen. Vielmehr haben Mahrer und sein Parteisekretär Peter Sverak durch ihre Themensetzung ungewollt den Erfolg der FPÖ begünstigt.
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Mahrers Rücktritt
Die Diskussion um Mahrers Nachfolge setzte unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse ein. Während der 70-jährige Parteichef am Wahlabend noch offen ließ, ob er persönliche Konsequenzen ziehen würde, war sein Rücktritt am Montag bereits beschlossene Sache. Erschwerend kommt hinzu, dass Mahrer in Kürze als Angeklagter vor Gericht erscheinen muss.
Bereits am Sonntag hatte die einflussreiche Seniorenchefin Ingrid Korosec erklärt, dass es nun „keine Tabus“ geben dürfe. Auch Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck, eine Schlüsselfigur in der Wiener ÖVP, drängte auf einen raschen Wechsel an der Parteispitze.
Figls Hintergrund
Die Auswahl möglicher Nachfolger erwies sich allerdings als begrenzt. Zunächst galt der kürzlich wiedergewählte Bezirksvorsteher von Wien-Döbling, Daniel Resch, als aussichtsreicher Kandidat. Der dem Wirtschaftsbund zugehörige Resch wird als Vertrauter von Kammerpräsident Ruck gehandelt. Nun zeichnet sich jedoch eine andere Lösung ab: Mehreren Quellen zufolge soll Markus Figl, Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, die Parteiführung übernehmen.
Markus Figl bringt einen bekannten Namen in die österreichische Politik ein. Er ist der Großneffe von Leopold Figl, der von 1945 bis 1953 als Bundeskanzler amtierte und sich durch seine volksnahe Art große Beliebtheit erwarb. Leopold Figl gehört zu den Unterzeichnern des österreichischen Staatsvertrags von 1955. Markus Figls Großvater war der ältere Bruder des früheren Kanzlers.
Seine eigene politische Laufbahn begann Markus Figl im Umfeld des ehemaligen Vizekanzlers Michael Spindelegger, in dessen Büro er tätig war. Im Jahr 2005 wurde er stellvertretender Bezirksvorsteher unter Ursula Stenzel, die später zur FPÖ wechselte. Seit Dezember 2015 leitet er selbst die Geschicke des ersten Wiener Gemeindebezirks.
Strategiewechsel in Sicht
Mit Figl könnte ein grundlegender strategischer Kurswechsel auf die Wiener ÖVP zukommen. Während Mahrer zuletzt mit einer restriktiven Migrations- und Sicherheitspolitik gezielt auf eine Annäherung an die FPÖ-Wählerschaft setzte, gilt Figl parteiintern als Vertreter eines gemäßigt-konservativen Kurses. Seine bisherige Arbeit in der Inneren Stadt zeichnete sich durch Dialog, Bürgernähe und eine kooperative Haltung über Parteigrenzen hinweg aus.
Fachkreise bewerten Mahrers Strategie, migrations- und sicherheitspolitische Themen der Freiheitlichen zu übernehmen, inzwischen als klar gescheitert. Figl hingegen steht für eine bürgerliche Stadtpolitik mit dem Anspruch, die gesellschaftliche Mitte und die klassische ÖVP-Klientel zurückzugewinnen. Sein Ansatz für ein lebenswertes, pluralistisches urbanes Umfeld könnte der Partei dabei helfen, sich wieder deutlicher von der FPÖ abzugrenzen und ein eigenständiges Profil zu entwickeln.
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Die Wahlanalyse zeigt, dass die ÖVP besonders viele Stimmen an die FPÖ verloren hat. Während die SPÖ in allen Bezirken die Spitzenposition behaupten konnte, verzeichnete die ÖVP flächendeckend Verluste.
Angesichts dieser Konstellation bemühen sich nun alle Parteien um eine Koalition mit den Sozialdemokraten.
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