Der Skandal erschütterte Deutschland, doch die juristische Aufarbeitung endet überraschend milde. Nach rassistischen Gesängen auf Sylt bleiben harte Konsequenzen aus.
Nach einem rassistischen Vorfall auf Sylt, der bundesweit für Empörung sorgte, hat die Staatsanwaltschaft Flensburg die Ermittlungen gegen vier Beteiligte eingestellt. Die jungen Menschen hatten bei einer Feier in der Nobelgemeinde Kampen zu einem bekannten Party-Hit rassistische Parolen skandiert und dabei auch einen Hitlergruß angedeutet.
Die Staatsanwaltschaft begründet die Einstellung der Verfahren wegen Volksverhetzung mit mangelnden Ansatzpunkten für eine Strafverfolgung. Nach Angaben der „Welt“ wird der Gesang als von Artikel 5 des Grundgesetzes (Meinungsfreiheit) geschützte Meinungsäußerung eingestuft. Die Entscheidung stützt sich dabei auf die sogenannte „Wunsiedel-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts von 2009, nach der für den Tatbestand der Volksverhetzung eine „aggressive Haltung“ und eine konkrete Gefährdung des öffentlichen Friedens nachgewiesen werden muss. Auch für den jungen Mann, der im Video einen Hitlergruß andeutete und mit zwei Fingern einen Hitler-Bart formte, bleiben die Konsequenzen überschaubar: Er muss lediglich eine Geldstrafe von 2.500 Euro zahlen und bleibt ohne Vorstrafe, sofern Gericht und Beschuldigter der Summe zustimmen.
Milde Konsequenzen
Eine der identifizierten Beteiligten, Studentin einer Hamburger Fachhochschule, erhielt von ihrer Hochschule ein zweimonatiges Hausverbot, wurde jedoch nicht exmatrikuliert. Gegen die Person, die das Video in sozialen Medien veröffentlichte, wird ebenfalls keine Anklage erhoben.
Der Vorfall hatte eine landesweite Debatte über rechtsextremistische Einstellungen in der Gesellschaft ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) äußerten sich öffentlich zu dem Geschehen. Faeser betonte, dass der Vorfall ein schlechtes Licht auf Deutschland werfe.
Virale Verbreitung
Das Video zeigte mehrere junge Menschen, die vor einem Lokal in Kampen zu „L’amour Toujours“ von Gigi D’Agostino feierten und den Refrain in „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ umwandelten. Die Aufnahme verbreitete sich rasch im Internet und löste eine Welle der Entrüstung aus.
Die Entscheidung reiht sich in eine Serie ähnlicher juristischer Bewertungen ein. So wurden auch in den sogenannten „ACAB“-Urteilen (All Cops Are Bastards) beleidigende Parolen gegen Polizisten von deutschen Gerichten als von der Meinungsfreiheit gedeckt eingestuft, sofern sie nicht auf konkrete Personen zielen, sondern auf eine abstrakte Gruppe. Diese rechtliche Praxis zeigt die komplexe Grenzziehung zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung im deutschen Rechtssystem.
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