Start Aktuelles
Umweltzerstörung

Trump-Clan spaltet Albanien – zwischen Flamingos und Luxus-Beton

kushner trump
Foto: epa/MARTIN DIVISEK

Zwischen Flamingoschwärmen und Betonmischern entfaltet sich in Albanien ein Konflikt um Naturschutz. Trumps Schwiegersohn treibt ein Mega-Projekt voran.

Die Dämmerung über Vlora hereinbricht, kehrt kurzzeitig Ruhe in die Dünenlandschaft ein. Flamingoschwärme zeichnen ihre charakteristischen Muster am Abendhimmel, ihr kollektives Schnattern durchdringt die Stille. Doch diese natürliche Idylle währt nur wenige Stunden. Mit Tagesanbruch werden die Betonmischer und Lastwagen ihre Arbeit auf der frisch betonierten Piste wieder aufnehmen – direkt zur Baustelle des neuen Flughafens, der mitten im Naturschutzgebiet entsteht. „Die Regierung arbeitet mit enormem Zeitdruck“, erklärt Joni von der Umweltschutzorganisation PPNEA (albanische Umweltorganisation). „Sie will vollendete Tatsachen schaffen – und dafür benötigt sie massive Mengen Beton.“

Unter den führenden Investoren sticht besonders Jared Kushner hervor, der 44-jährige Schwiegersohn Donald Trumps. Kushner hat auf dem gesamten Balkan umfangreiche Immobilienprojekte initiiert, wobei eines seiner ambitioniertesten Vorhaben in Vlora im südlichen Albanien realisiert wird. Dort hat er einen 15 Kilometer langen Küstenabschnitt samt einer Insel ins Visier genommen, die früher der militärischen Führungsriege des stalinistischen Regimes vorbehalten war. Auf dem Gelände, wo heute noch Dünen, Waldstreifen und Felsklippen eine natürliche Landschaft bilden, sollen in absehbarer Zeit 10.000 Wohneinheiten entstehen – Hotels, Luxusappartements und weitere Anlagen. Bei seinem kurzen Aufenthalt in Albanien betonte Kushner, dass das Projekt mit besonderer Rücksichtnahme auf die natürliche Umgebung realisiert werde.

Bedrohtes Ökosystem

Albaniens Naturschützer widersprechen dieser Darstellung vehement. Das Ökosystem sei viel zu empfindlich, um einer derartigen Bebauung standzuhalten. Die Küstenlandschaft wurde nicht nur vom Meer, sondern auch vom Fluss Vjosa geformt, der hier mündet und das letzte unberührte Flussdelta Europas bildet – ein Refugium für etwa 7.000 Flamingos und Hunderte weitere gefährdete Vogelarten. Dennoch hat die Politik internationalen Investoren wie Kushner bereitwillig den Weg geebnet. Eine weitreichende Umweltgesetzreform wurde praktisch maßgeschneidert für solche Projekte konzipiert. Diese enthält bemerkenswerte Widersprüche – etwa die Regelung, dass touristische Anlagen in Naturschutzgebieten zulässig sind, sofern sie Fünf-Sterne-Standard erreichen und Umweltaspekte berücksichtigen, wobei die konkreten Anforderungen bewusst vage gehalten werden.

„Diese Gesetzesreform ist schlichtweg absurd“, äußert sich Silvio Gonzato, EU-Botschafter in Albanien, für einen Diplomaten ungewöhnlich deutlich. Eine ähnlich kritische Position vertritt der österreichische EU-Abgeordnete Andreas Schieder. Als Berichterstatter des EU-Parlaments begleitet er Albaniens EU-Annäherungsprozess seit Jahren und erkennt sowohl die beachtlichen wirtschaftlichen und politischen Fortschritte des Landes an als auch die Problembereiche, die in Brüssel häufig ausgeblendet werden: „Für ausländische Investoren wird hier jeder Stein umgedreht – manchmal mit fragwürdigen Konsequenzen.“ Seit Jahren fließt internationales Kapital nach Albanien, wobei die Herkunft der Mittel oft schwer nachvollziehbar ist. Hinter dem Flughafen Vlora stehen Unternehmensgruppen aus dem benachbarten Kosovo und der Schweiz. Auffällig sind rasche und wirtschaftlich schwer nachvollziehbare Umstrukturierungen unter den Beteiligten. Besonders bemerkenswert: Bereits 2023 verkündete Albaniens Regierung die Fertigstellung des Flughafens – ein einfacher Lokalaugenschein über den Stacheldrahtzaun der Baustelle offenbart jedoch, dass die Realität davon noch weit entfernt ist.

EU-Beitrittsprozess gefährdet

Das Europäische Parlament forderte 2023 einen Baustopp für den Flughafen. In den EU-Fortschrittsberichten zu den Beitrittskandidaten, von denen der aktuellste diese Woche veröffentlicht wird, werden die Defizite im Umweltschutz explizit thematisiert. „Die Regierung in Tirana unterschätzt vollkommen, welche Bedeutung der Umweltschutz für den EU-Beitrittsprozess hat“, warnt Schieder. Noch deutlicher positioniert sich die albanische Opposition, vertreten durch die langjährig für EU-Beziehungen zuständige Abgeordnete Jorida Tabaku: „Die Regierung präsentiert sorgfältig inszenierte Darstellungen, die mit den tatsächlichen Verhältnissen im Land nichts gemein haben.“ Die EU müsse endlich genauer hinschauen und nicht nur mechanisch die Kapitel des albanischen Beitrittsvertrags abhaken.

In Brüssel sei man jedoch primär an Erfolgsgeschichten interessiert, beklagt Umweltschützer Joni, der persönlich nach Belgien reiste, um EU-Vertretern die drohende Zerstörung des Naturschutzgebietes in Vlora zu verdeutlichen: „Während dort noch Diskussionen geführt werden, wird hier auf der Baustelle mit Hochdruck gearbeitet.“ Um das Projekt zu stoppen oder zumindest grundlegend zu modifizieren, bedürfe es wesentlich klarerer Signale von der EU-Kommission, die die Beitrittsverhandlungen führt. Schieder hofft, dass Albanien sich bei seinem Streben nach EU-Mitgliedschaft nicht selbst schadet: „Denn mit der Bebauung unberührter Küstenlandschaften kann es schnell vorbei sein – wenn keine mehr existieren.“

Die Schaffung vollendeter Tatsachen steht tatsächlich auf der Agenda, wie jeder Entscheidungsträger in Albanien unmissverständlich zu verstehen gibt, bis hin zur dominierenden politischen Zentralfigur des kleinen Landes zwischen Balkan und Adria: Premierminister Edi Rama.

„Der Flughafen wird innerhalb eines Jahres fertiggestellt“, betont er im Gespräch mit dem KURIER. Die internationalen Investoren stünden bereits in den Startlöchern.