Die Corona-Krise brachte wirtschaftliche und finanzielle Herausforderungen mit sich. Wie diese gemeistert werden sollen und welchen Einfluss die Krise auf die bevorstehende Wien-Wahl hat, fragten wir den Finanzminister und Landesparteiobmann der Wiener ÖVP Gernot Blümel.
KOSMO: Sie sagten, dass das 50-Mrd.-Paket für die Wirtschaft „Österreich zurück auf die Spur bringen” soll. Was sind die großen Eckpunkte, um das gesteckte Ziel zu erreichen?
Gernot Blümel: Die große Strategie lautet: Steuern senken und Wirtschaft unterstützen. Durch Entlastungsmaßnahmen soll den Menschen mehr zum Leben überbleiben. Wir ziehen daher einen Teil der Einkommenssteuerreform, die auch im Regierungsprogramm verhandelt wurde, vor und senken die unterste Stufe der Lohnsteuer von 25 auf 20 Prozent. Die Senkung der Steuern ist aus unserer Sicht immer ein richtiger Zugang. Die Menschen werden diese Entlastung bereits im September am Konto spüren. Neben den Entlastungsmaßnahmen wollen wir Anreize für Investitionen schaffen. Als Resultat unserer Regierungsklausur im Juni haben wir mit der degressiven Abschreibung eine kleine wirtschaftspolitische Revolution gestartet. Unternehmen soll die Perspektive gegeben werden, dass es sich auszahlt zu investieren, und das tun wir, indem der Staat zum Beispiel 30 Prozent des Buchwertes eines Investitionsgutes übernimmt.
Wie prognostizieren Wirtschaftsexperten die Situation im Herbst und wo sehen Sie große Herausforderungen für das Land?
Die Staaten weltweit stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Durch eine solide Budgetpolitik in den vergangenen Jahren hat Österreich eine bessere Ausgangslage als viele andere Länder. Gerade jetzt sehen wir, dass man in Zeiten von wirtschaftlichem Wachstum keine neuen Schulden machen soll, um für Zeiten der Krise gewappnet zu sein. Das hat dazu geführt, dass die Staatschuldenquote seit 2015 von 85 Prozent in etwa auf unter 70 Prozent gesunken ist. Und das versetzt uns jetzt in die Lage, ausreichend helfen zu können. Wenn Sie sich die Kapitalkosten ansehen, die 10-jährigen Staatsanleihen beispielsweise, wir verschulden uns hier zu Konditionen, die zum Teil noch besser sind als noch vor Ausbruch der Coronakrise und das zeigt auch, dass der Markt Vertrauen in Österreich hat.
Derzeit wird eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes diskutiert. Wie stehen Sie zu diesem Thema und ist dies budgetär gesehen überhaupt umsetzbar?
Wir haben uns als Bundesregierung im Zuge der Coronahilfen darauf geeinigt, all jenen, die in der Krise unverschuldet arbeitslos geworden sind, eine Einmalzahlung auszuzahlen und das halte ich für eine richtige Maßnahme. Mit der Kurzarbeit haben wir ein europaweit einzigartiges Instrument geschaffen, um einer großen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Es muss weiterhin attraktiv sein, arbeiten zu gehen. Da die Situation aber derzeit angespannt ist, bekommen jene Personen, die Arbeitslosengeld bzw. Notstandhilfe beziehen und zwischen Juli und September mindestens zwei Monate auf der Suche nach Beschäftigung waren, eine Einmalzahlung in Höhe von 450 Euro zusätzlich zum Arbeitslosengeld. Damit es weiterhin attraktiv bleibt arbeiten zu gehen, setzen wir bei der Lohnsteuer an, senken sie und sorgen damit dafür, dass arbeitenden Menschen netto mehr zum Leben übrigbleibt.
Österreich stimmte gegen eine EU-Wiederaufbauhilfe für die von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Staaten. Wieso ist dieser Wiederaufbaufonds nicht der richtige Weg und welchen Lösungsansatz hätten Sie?
Österreich kann dem EU-Paket in der aktuellen Form nicht zustimmen, weil die Belastung für die österreichischen Steuerzahler zu hoch wäre. Der Kommissionsvorschlag würde gemeinsam mit dem EU-Budget eine Verdoppelung des EU-Budgets von 1 Prozent auf 2 Prozent der gesamteuropäischen Wirtschaftsleistung bedeuten. Der Beitrag Österreichs für das EU-Budget würde um 50% steigen, zusätzlich dazu käme dann noch die Rückzahlung des Recovery Fund im übernächsten Finanzrahmen. Das ist für uns nicht akzeptabel. Es braucht hier Nachverhandlungen, zu denen wir gerne bereit sind. Am Ende muss das Ergebnis für alle Mitgliedstaaten passen.
„Unsere Stadt ist wunderschön. Das reicht aber nicht — schon gar nicht, um eine der größten Krisen unserer Generation zu bewältigen.”
– Gernot Blümel
Der Verzicht einer Staatsbeteiligung an der AUA stieß auf Kritik. Wieso war dies die richtige Entscheidung und wieso war die Rettung der Fluglinie unabdingbar für den Standort Wien?
Die AUA ist für uns in Österreich unser National Carrier und sie ist vor allem für das Drehkreuz Wien von unglaublicher Bedeutung. Österreich ist ein exportorientiertes Land, Österreich ist ein Tourismusland und eine gute internationale Anbindung, was Straße, Schiene, aber natürlich auch die Luft betrifft, ist da entscheidend. Wien ist Sitz vieler internationaler Organisationen und Unternehmen, die wertvolle Arbeitsplätze in Österreich sichern. Wir sind froh, dass wir in den Verhandlungen mit der Lufthansa konkrete Bedingungen unsererseits durchsetzen konnten, wie etwa die Garantie, dass der Hub Wien proportional genauso stark wächst wie Frankfurt oder München. Der Staat wird 150 Mio. an direkten Zuschüssen zur Verfügung stellen und im Gegenzug erhält die Republik Österreich umfassende Standortgarantien und Investitionszusagen für 10 Jahre. Wir bekommen deutlich mehr, als wir zu Beginn erwarten konnten, und stellen deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, als zu Beginn angenommen wurde.
Wien wird oft als Corona-Hotspot bezeichnet. Wie sehen Sie die Situation in der Bundeshauptstadt und welchen nicht gesundheitspolitischen Herausforderungen wird sich die Stadt stellen müssen?
Solange wir mit dem Coronavirus leben müssen, wird ein so ansteckendes Virus in einem Ballungsraum wie Wien natürlich besonders für Herausforderungen sorgen, die mit einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik gelöst werden müssen. Mindestens genauso wichtig ist es aber, die Wirtschaft der Stadt Wien zu stärken. Ein wichtiger Schritt war die Rettung der AUA, damit der wirtschaftliche Aufschwung, den Tourismus und internationale Organisationen mit sich bringen, wieder anspringen kann. Zusätzlich haben wir ein Gemeindepaket in Höhe von 1 Mrd. Euro geschnürt, um wichtige Investitionen direkt vor Ort zu ermöglichen. Davon erhält Wien mit 238 Mio. Euro rund ein Viertel und damit werden weitere Impulse für die Wirtschaft vor Ort gesetzt und Wertschöpfung und Arbeitsplätze geschaffen.
Sie sind Spitzenkandidat der VP-Wien bei der kommenden Gemeinderatswahl. Was sind Ihre Prioritäten?
Die Volkspartei hat bei den letzten drei Bundeswahlen jeweils den zweiten Platz in Wien belegt. Wir wollen die Partei mit dem größten Zugewinn sein und mehr Türkis in Wien ermöglichen. Größtes Ziel bleibt derzeit die Bewältigung der Corona-Krise. Auf allen Ebenen wird derzeit versucht, das Bestmögliche zu tun, um den Menschen zu helfen und den Standort bestmöglich durch die Krise zu bringen. In der Bundesregierung arbeiten wir rund um die Uhr daran, die Menschen und unsere Betriebe zu unterstützen und Arbeitsplätze zu sichern. Unser gemeinsames Ziel ist es, eine zweite Welle zu verhindern.
Sollten Sie Bürgermeister von Wien werden, was würden Sie sofort in Angriff nehmen und verändern?
Unsere Stadt ist wunderschön. Das reicht aber nicht – schon gar nicht, um eine der größten Krisen unserer Generation zu bewältigen. Im Moment haben alle in dieser Stadt einen gemeinsamen Gegner und der heißt Corona. Auch wenn jetzt nicht die Zeit für gegenseitige Vorwürfe und Wahlkampf ist, möchte ich schon betonen: Wir müssen die Menschen entlasten und Wien stärken. Gerade jetzt braucht unsere Stadt jeden Cent an der richtigen Stelle. Klar ist für mich, dass alle Grätzl in Wien ihre eigenen Schönheiten und Eigenheiten haben. Es sind aber vor allem die Menschen, die unsere Stadt so liebenswert machen. Deshalb liebe ich Wien.
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