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Wahllokale offen

Wien-Showdown: Wer wird Ludwigs Koalitionspartner? ÖVP am Tiefpunkt

FOTO: Dieter Steinbach

Sieben Parteien, drei Spitzenkandidaten unter Ermittlungen und ein Rekord-Tief für die ÖVP – Wien wählt heute seinen neuen Gemeinderat unter besonderen Vorzeichen.

In Wien werden heute die Wahllokale für eine richtungsweisende Entscheidung geöffnet. Seit den frühen Morgenstunden können die Wienerinnen und Wiener ihre Stimme für den neuen Gemeinderat abgeben, der in der Bundeshauptstadt gleichzeitig als Landtag fungiert. Parallel dazu entscheiden die Wähler über die Zusammensetzung ihrer Bezirksvertretungen. Rund 1,37 Millionen Menschen sind zur Stimmabgabe berechtigt. Auf den Wahlzetteln finden sich sieben Parteien, die um die Gunst der Wähler werben. Die Wahllokale bleiben bis 17.00 Uhr geöffnet.

Während der erste Platz der SPÖ kaum gefährdet scheint, zeichnet sich bei dieser Wahl ein besonders spannendes Rennen um den dritten Rang ab. Für FPÖ und ÖVP dürfte der Urnengang laut Umfragen deutliche Verschiebungen mit sich bringen. Die Freiheitlichen, die nach der „Ibiza-Affäre“ 2020 auf den fünften Platz zurückfielen, können diesmal offenbar mit dem zweiten Rang rechnen. Die Volkspartei hingegen, die bei der letzten Wahl noch vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz profitierte, muss mit erheblichen Verlusten rechnen. Die zentrale Frage dieser Wahl wird jedoch sein, mit welcher Partei die SPÖ eine tragfähige Zweierkoalition bilden kann.

Der Sozialdemokratie fehlt diesmal ein klares Mobilisierungssignal. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ auf Bundesebene ist der politische Gegenspieler weniger präsent. Die drohende Kanzlerschaft von FPÖ-Chef Herbert Kickl war seinerzeit der ausschlaggebende Faktor für die Vorverlegung des Wahltermins ins Frühjahr. Falls die SPÖ-Anhänger angesichts des als sicher geltenden Wahlsiegs zu Hause bleiben sollten, könnte es dennoch Überraschungen geben.

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Bürgermeister Michael Ludwig strebt erneut die 40-Prozent-Marke an, nachdem er bei seinem ersten Antreten vor fünf Jahren 41,6 Prozent erreicht hatte.

Koalitionsoptionen

Auf dem Prüfstand steht auch die Bilanz der ersten rot-pinken Stadtregierung in Wien, die sich selbst als „Fortschrittskoalition“ bezeichnet. Obwohl vieles für eine Fortsetzung dieses Bündnisses spricht, ist die rechnerische Mehrheit noch nicht gesichert. Die NEOS erreichten 2020 mit 7,47 Prozent den vierten Platz. Die Partei befindet sich in einer schwierigen Situation, nachdem Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr mitten im Wahlkampf als Bildungsminister in die Bundesregierung wechselte. Nun teilen sich die bisherige Klubchefin Selma Arapovic und die neue Bildungsstadträtin Bettina Emmerling die Rolle der Spitzenkandidatinnen – beide waren der breiten Öffentlichkeit bisher kaum bekannt und absolvierten gemeinsam Wahlkampfauftritte und Medieninterviews.

Gleich drei Parteien – NEOS, ÖVP und Grüne – bemühen sich um eine Regierungsbeteiligung an der Seite der SPÖ. Die Volkspartei, die 2020 mit 20,43 Prozent eines ihrer besten Wiener Ergebnisse erzielte, steht nun vor einer möglichen Halbierung ihres Stimmenanteils. Dennoch haben die Stadt-Türkisen wiederholt ihren Regierungswillen bekräftigt.

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Für Spitzenkandidat Karl Mahrer wird der Wahltag zur doppelten Bewährungsprobe – neben den drohenden Stimmenverlusten schwebt über ihm das Damoklesschwert einer möglichen Anklage in der Causa Wienwert.

Auch die Grünen positionieren sich in diesem eher zurückhaltend geführten Wahlkampf offensiv als potenzielle Koalitionspartner und sparen dabei nicht mit Kritik an den NEOS. Nach fünf Jahren in der Opposition werben sie für eine Neuauflage von Rot-Grün. Mit 14,8 Prozent erzielten sie 2020 ihr bislang bestes Ergebnis in Wien. Spitzenkandidatin Judith Pühringer formuliert als klares Ziel, Vizebürgermeisterin an Ludwigs Seite zu werden und den dritten Platz zu erreichen.

Den zweiten Rang dürfte der FPÖ angesichts der eindeutigen Umfragewerte niemand mehr streitig machen. Die Prognosen deuten auf eine nahezu Verdreifachung ihres Stimmenanteils seit der letzten Wahl hin, als die Freiheitlichen mit 7,11 Prozent zur schwächsten Rathauspartei wurden. Wie damals führt Dominik Nepp die Partei als Spitzenkandidat an. Eine Regierungsbeteiligung in Wien erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, da Bürgermeister Ludwig eine rot-blaue Koalition stets ausgeschlossen hat.

Für Unmut bei den Freiheitlichen sorgt das erneute Antreten ihres ehemaligen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache mit seiner Liste Team HC Strache.

Um den Einzug in den Gemeinderat kämpft auch das Bündnis KPÖ und Links, das dafür die Fünf-Prozent-Hürde überwinden müsste.

Wahlkampfthemen

Die zunehmende Jugendkriminalität hat im ansonsten wenig aufregenden Wahlkampf das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt gerückt. Mehrfach wurde die Forderung nach mehr Polizeipräsenz laut, auch von der SPÖ. Die ÖVP lieferte sich als selbsternannte „Sicherheitspartei“ einen direkten Schlagabtausch mit der FPÖ. Die Grünen versuchten, mit den Themen Klimaschutz und Wohnpolitik zu punkten, während die NEOS vor allem auf Bildungsfragen setzten. Bestimmend für den Wahlkampf waren zudem Diskussionen über mangelnde Deutschkenntnisse in Bildungseinrichtungen sowie Debatten zur Mindestsicherung. Das Budgetdefizit der Stadt bot den Oppositionsparteien ebenfalls willkommene Angriffsflächen.

Eine Neuerung bei dieser Wahl: Ähnlich wie bei der Nationalratswahl wird der Großteil der Briefwahlkarten noch am Wahltag selbst ausgezählt. Nach Schließung der Wahllokale um 17.00 Uhr wird in Kooperation mit ATV/Puls24 und der APA eine auf 3.600 Interviews basierende Trendprognose veröffentlicht. Die erste Hochrechnung wird nach 18.00 Uhr erwartet.

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Die letzte Wien-Wahl, die während der Pandemie stattfand, brachte einen Rekord an Briefwählern. Die Wahlbeteiligung lag damals bei 65,3 Prozent; für die heutige Abstimmung wird ein leichter Anstieg prognostiziert. Für die aktuelle Wahl wurden 284.956 Wahlkarten beantragt – deutlich weniger als vor fünf Jahren. Insgesamt stehen 1.504 Wahllokale von 7.00 bis 17.00 Uhr zur Verfügung.

Bei der Gemeinderatswahl sind 1.109.936 Personen stimmberechtigt, bei den Bezirksvertretungswahlen sogar 1.374.712, da auf Bezirksebene auch EU-Bürger wahlberechtigt sind. In allen 23 Wiener Bezirken treten SPÖ, ÖVP, Grüne, NEOS, FPÖ und KPÖ an. Zusätzlich haben es 17 verschiedene Listen auf die Stimmzettel für die Bezirksparlamente geschafft.

Derzeit werden 17 der 23 Bezirke von der SPÖ regiert. Die ÖVP stellt in drei Bezirken – Wien-Innere Stadt, Wien-Hietzing und Wien-Döbling – den Bezirksvorsteher. Die Grünen führen die Bezirke Wien-Neubau, Wien-Währing und Wien-Josefstadt.

In einigen Bezirken könnte es zu einem Führungswechsel kommen, wobei besonders die FPÖ hofft, Simmering zurückzugewinnen.