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BALKAN STORIES

Balkan Geschichte: Anas kleiner Widerstand

FOTO: Balkan Stories

Willkommen bei Alan Ford

Schnell wurde die Sache politischer, sagt Ana. „Dann kam Alan Ford. Wir leben wie in der Welt von Alan Ford. Anders kann man den Zustand nicht beschreiben.“

Bald war auch Tito mit mahnenden Sprüchen auf Taschen, T-Shirts und Rucksäcken.

Eine klare Positionierung gegen den Nationalismus, der in Split die lauteste Ideologie ist. Mit Abstand.

Nicht nur die Ultras von Hajduk Split sind eindeutig neofaschistisch, auch mehrere nicht-militante Fanclubs sind offen nationalistisch.

Das macht nicht aus allen Spliter Hajduci Faschisten oder Nationalisten. Nur, die geben den Ton an.

Ähnlich verhält es sich abseits des Fußball.

Beileibe nicht alle Spliter sind glühende Nationalisten. Nur sind die Nationalisten am lautesten und am einflussreichsten.

FOTO: Balkan Stories

Ana hatte Pfefferspray im Tresen

„Wie viel kostet eine Tasche“, fragt eine Kundin mit Corona-Maske.

„80 Kuna. Wir haben sie auch in anderen Farben“.

Die Touristin und ihr Begleiter stöbern ein wenig und kaufen doch nichts.

Das bekam Ana bald zu spüren.

Anrainer bedrohten sie, auch die Ultras von Hajduk ließen sie wissen, dass sie mit Tito zu weit gegangen sei.

„Fünf Mal war die Polizei hier, um eine Eskalation zu verhindern“, erinnert sich Ana. „Eine Zeitlang hatte ich Pfefferspray im Tresen, nur für den Fall…“

„Fuck that“, ergänzt sie.

Sie hat nie überlegt aufzuhören.

„Ich bin im Leben laut. Warum nicht auch im Geschäft?“

Auch den Laden woandershin zu verlegen, kommt für Ana nicht infrage. Ihr ganzes Leben lang arbeitet sie im Diokletian-Palast. Meist als Angestellte, seit ein paar Jahren im eigenen Geschäft.

„Ich mag auch Portugal sehr. Nur, Split mag ich am liebsten.“

Dass es das kleine Geschäft nach dem ersten Coronajahr und der Touristenflaute noch gibt, liegt vor allem am Webshop.

Was es dort nicht zu kaufen gibt: Anas selbstdesignten Schmuck.

Das kommt vielleicht.

Wenn sie neben ihren ehrenamtlichen Engagements Zeit findet.

Das ist etwa auch Udruga Most, ein Netzwerk gegen Armut in Split.

Wie gesagt, die Pöbler mögen lauter sein. Alle sind sie nicht.

Auch wenn Ana mit den vielen Bornierten unter den Mit-Splitern hadert und gegen sie aufsteht: Sie empfindet eine tiefe Zuneigung zu ihrer Heimatstadt und ihren Menschen.

Tiefer als sie ein Nationalist je fühlen könnte. Das spürt man bei ihr.

„Ich mag auch Portugal sehr. Nur, Split mag ich am liebsten.“

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.