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KULTUR

Balkan-Theater in Wien: „Theater Breza“

FOTO: Dino Rekanovic

Eine Funktion der Kunst ist die Bewahrung der Tradition, Kultur und Sprache eines Volkes, und wenn dieses Volk außerhalb der Grenzen seiner Heimat lebt, dann ist das Theater eine der ersten Verteidigerinnen der kulturellen Identität. Wie der Prozess der Entwicklung künstlerischer Werte im Ausland aussieht, hat KOSMO die Direktorinnen der drei Balkan-Theater gefragt, die ihren Sitz in Wien haben.

Schon am Eingang in die Probenräume des Theaters Breza spürt man die schöne Energie dieser Bühne. Mit einem offenen Lachen erwartet das Ensemble dieses Theaters, das in Wien seit Februar 2019 aktiv ist, die KOSMO-Redaktion. Wir haben mit Anja Lazić-Akratović gesprochen, der Gründerin und Regisseurin des Theaters Breza, dessen Ensemble heute 15 Mitglieder zählt.

Anjas Motivation zur Gründung dieses Theaters war der Wunsch nach der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks auf der Bühne.
„Ich hatte die Idee und Vision einer Theatergruppe, die selbständig ist und innerhalb verschiedener Facetten des Theaters ihre Sprache pflegt und mit einer wunderbaren Gruppe von Menschen zusammenarbeitet. All diese Menschen sind und waren Theaterfans”, verrät Anja KOSMO.
Da das Theater Breza erst 2019 gegründet wurde, haben die meisten Mitglieder dieses Ensembles ihre schauspielerische Erfahrung in ihren Heimatstädten gesammelt und sind erst anschließend nach Wien gekommen.

„Unsere Mitglieder haben an verschiedenen schauspielerischen Workshops teilgenommen, aber auch Schauspielschulen und -kurse besucht. Was ihnen dieses Theater im Rahmen des Ensembles und in der Zusammenarbeit mit professionellen Pädagogen bietet, ist, dass sie ihre Erfahrung ausbauen können, vor allem auf der Bühne”, sagt Anja und ergänzt, dass sich das Theater Breza auf Stücke von Autorinnen und Autoren aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien konzentriert.

Bisher haben wir zwei Stücke gegeben: ’Kažeš Anđeo’, ein Drama von Miljenko Jergović, und ’Čekaonica’ von Marina Vujičić. Bei unserem Poesieabend ’Zrak’ haben wir nur Gedichte von Autoren und Autorinnen aus unserer Region vorgetragen. Auch die musikalische Begleitung dieser Vorträge bestand aus Werken von Komponisten aus unserer Region. Und wir hegen den großen Wunsch, unsere Literatur nicht nur dem österreichischen, sondern einem breiteren Publikum vorzustellen.

FOTO: Dino Rekanovic

Die Pandemie hat auch etwas Gutes mit sich gebracht: „Čekaonica”


Auch im Theater Breza hat die Corona-Pandemie die Proben beeinflusst, und so musste die Vorstellung „Čekaonica”, die im März dieses Jahres im Theater Akzent Premiere feierte, zwei Jahre warten, um auf der Bühne zum Leben erweckt zu werden.
„Wir proben durchschnittlich zweimal, manchmal auch nur einmal pro Woche, aber wenn eine Premiere oder eine Vorstellung bevorsteht, dann proben wir auch häufiger. Die Zeit, die wir für eine Vorstellung benötigen, liegt zwischen zwei und sechs Monaten oder auch bei zwei Jahren, wenn uns eine Pandemie dazwischenkommt”, lächelt Anja.

Aber für sie hatte die Pandemie auch eine positive Seite, und zwar, dass das Theater unter Einhaltung aller Maßnahmen die ganze Zeit proben und die Vorstellung ’Čekaonica’ einstudieren konnte. Die Zeit, die in die Vorbereitung dieses Stücks investiert wurde, hat dem Ensemble ermöglicht, sich ganz auf die Sprachtechnik, die Körpersprache, den gemeinsamen Auftritt und auf die detaillierte Arbeit an den einzelnen Rollen zu konzentrieren.

„In einem gewissen Sinne ist uns die Pandemie gelegen gekommen, denn so konnten wir als Schauspieler länger in uns selber und in das Ensemble hineinhorchen. Alles, was diese Vorstellung betrifft, ist auf einer tieferen Ebene geschehen, und dafür sind wir sehr dankbar. Unser Publikum hat das während der Premiere gespürt und wir haben sehr gute Kritiken erhalten. Darum muss man im Leben auch für die schlechten Dinge, die geschehen, dankbar sein. In allem liegt auch irgendetwas Gutes.”

FOTO: KOSMO

Das Publikum erkennt einen echten Künstler


Wien zieht als eines der wichtigsten Kulturzentren Europas viele Künstler an, und was dieser Stadt einen besonderen Charme verleiht, ist, wie auch Anja sagt, dass jeder die Freiheit hat, in der Kunst aktiv zu werden, egal, ob er ein ausgebildeter Künstler ist oder nicht.

„Das Publikum kann in unseren Vorstellungen sehen, dass das Wort ’Amateur’ falsch bewertet wird und dass auch ein Schauspieler, der keine Ausbildung besitzt, seine Rolle sehr gut ausfüllen, eine Vorstellung tragen und die Bühne eines so großen Theaters wie des Theaters Akzent beherrschen und seine Arbeit professionell ausführen kann. Darüber hinaus wollen wir mit der Wahl unserer Stücke und ihrer Ausführung eine absolute Schönheit des Lebens erreichen. Wir wollen, dass die Menschen die Vorstellung bereichert, glücklich, bewegt, voller Liebe und tiefer positiver Gefühle verlassen. Wir haben genug von traumatischen Themen”, führt Anja aus.

Das Theater „Breza” hat viele Pläne und wird Ende Juni 2022 seinen ersten offenen Workshop abhalten.

„Bei dieser Gelegenheit möchte ich alle, die Interesse haben, einladen, uns in unserem Workshop zu besuchen und einen Blick hinter den Vorhang des Theaters ’Breza’ zu werfen. Details zu dieser Veranstaltung finden Sie auf unseren Facebook- und Instagram-Seiten, wo alles genau angekündigt wird. Im Herbst planen wir weitere Aufführungen der ’Čekaonica’ und wir möchten auch Gastspiele von Theatern aus Ex-Jugoslawien in Wien organisieren. Darüber hinaus arbeiten wir weiter an der Qualität und der Vorbereitung neuer Projekte, die wir dem Publikum stolz präsentieren werden. Auch Performances von Mitgliedern unseres Ensembles sind geplant. Wir freuen uns auf die Zukunft”, so Anja.