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REPORTAGE

Hinter den Kulissen des Tiergartens Schönbrunn (GALERIE)

Unsere Redaktion durfte dorthin, wo Besucher für gewöhnlich keinen Zutritt haben. (FOTOS: KOSMO)

In Wien befindet sich der älteste Tiergarten der Welt und zählt über 700 unterschiedlichen Tierarten bzw. 8.000 Tiere. Dieses Tierparadies erstreckt sich über eine Fläche von 17 Hektar und ist somit gleichzeitig auch das größte in Europa ist. Den Tiergarten Schönbrunn besuchen jährlich ca. zwei Millionen Menschen. Wir waren vor Ort und wagten einen Blick hinter die Kulissen!

Die Anfänge der Gründung des Tiergartens Schönbrunn gehen auf das Jahr 1452 zurück als im Stadtgraben von Wien der erste „Tiergarten“ eingerichtet wurde. Hundert Jahre später, ab 1542, bestand eine kleine Tierhaltung auf der Wiener Burgbastei. Im Jahr 1552 wurde die erste Menagerie von Schloss Ebersdorf bei Wien errichtet und noch im selben Jahr war zum ersten Mal ein Elefant in Wien zu sehen. Zwölf Jahre später wurde eine weiter Menagerie auf dem Gelände vom Schloss Neugebäude (Simmering) gegründet und ein Teil der Tiere aus Ebersdorf dorthin übersiedelt.

Nur wenige Jahre später kaufte Kaiser Maximilian II die Katterburg, den Vorgängerbau des heutigen Schlosses Schönbrunn, wo auf dem weitläufigen Areal ein Jagd-Tiergarten eingerichtet wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts gründet Prinz Eugen eine eigene Menagerie auf dem Gelände vom Schloss Belvedere, die nach seinem Tod zusammen mit dem übrigen Besitz vom Kaiserhaus gekauft wurde. Letztendlich, am 31.7.1752, ist erstmals ein Besuch von Kaiser Franz I. Stephan mit Gästen in der schon fast fertig gestellten Menagerie im Schlosspark von Schönbrunn belegt. Dieser Tag gilt deshalb als „Geburtstag“ des Tiergarten Schönbrunn. Als letzter Bauteil der Menagerie wurde der Zentralpavillon fertiggestellt. Er dient dem Kaiserpaar und seinen Gästen als Frühstücks- und Gesellschaftsraum. In diesen kaiserlichen Zeiten war der Eintritt zur Menagerie sowie zum Schloss und Park für die Bevölkerung kostenlos, allerding nur sonntags und für „anständig gekleidete Personen“. Von Jahr zum Jahr kamen immer mehr Tiere in die Menagerie, sodass in 1770 der erste asiatische Elefant in Wien zu sehen war. Im Jahr 1781, aus der aufgelassenen Menagerie im Schloss Neugebäude, zogen mit Wölfen und Bären erstmals „Raubtiere“ in Schönbrunn ein.

Um die Besucher möglichst viel über die Bedürfnisse der Tiere auf spielerische Art und Weise zu informieren, entwickelte Tiergarten eine besondere App. (FOTO: Daniel Zupanc)

Eisbären, Großkatzen und Hyänen kamen 1799. Die erste Giraffe erregte bei den Wienern großes Aufsehen. Das Tierhaus musste für die Unterbringung des „hohen Gastes“ vergrößert und adaptiert werden. Zahlreiche modische Accessoires mit Giraffen-Motiven sorgten für Entzückung in der Damenwelt. Ein Theaterstück und zwei Kompositionen „à la Giraffe“ entstehen. Bis heute hat sich das Rezept der damals entstandenen „Giraffentorte“ erhalten. Seit seiner Gründung ist in der Geschichte des Tiergartens viel passiert. . Die folgenden Seiten würden für all diese Details nicht ausreichen, weshalb wir nur noch das Jahr 1996 erwähnen möchten, in welchem die Gesamtanlage von Schönbrunn in das UNESCO- Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Welche wichtigen Abläufe finden heute im Tiergarten statt und wofür ist er noch bekannt, außer der Tatsache, dass er das älteste Zoo der Welt ist?

EDUKATION von Besuchern über die Bedürfnisse der Tiere ist eines der Hauptziele des Tiergartens.

Entertainment und Edukation
Wenn man die Webseite des Tiergartens besucht, merkt man sofort, dass zahlreiche Veranstaltungen, Führungen und Workshops angeboten werden. „Unsere Führungen sind sehr beliebt. Letztes Jahr hatten wir 3.500 Veranstaltungen mit mehr als 50.000 Besuchern durchgeführt. Mehr als die Hälfte davon sind Unterrichtsveranstaltungen für Schulklassen und Kindergärten. Allgemein gesprochen sind Tierfütterungen immer ein großes Highlight. Führungen und Workshops finden jedes Jahr statt. Es gibt spezielle Programme, die auch auf den Schultyp und die Altersgruppe abgestimmt sind. Dazu noch gibt es spezielle Aktionstage wie z. B. zu Ostern oder Weihnachten. Es gibt auch unterschiedliche Themenschwerpunkte wie z. B. Artenschutzprojekte“, erklärt uns Martina Heiderer, Zoopädagogin im Tiergarten Schönbrunn.

TIERE sind keine Exponate sondern die Botschafter ihrer Rasse im Wilden.

Sie und ihre Kollegen sind für jegliche Art des Wissenstransfers z. B. Beschriftungstafeln und alles Wissenswerte, was man über die Tiere lesen kann, verantwortlich. Außerdem sind sie direkt für Führungen, Workshops und andere Informationsveranstaltungen zuständig. Neben der Edukation der Besucher, arbeitet der Tiergarten intensiv an den wissenschaftlichen Forschungen und unterstützt wissenschaftliche Projekte, die dem Schutz und Erhalt von Tierarten in freier Wildbahn beitragen. „Es wird hier sehr viel geforscht. Wir arbeiten mit Universitäten zusammen – sowohl mit der Veterinärmedizinischen als auch mit der Uni Wien. Es gibt viele Projekte und Lehrveranstaltungen, die bei uns stattfinden. Ich, persönlich, habe ein Forschungsprojekt über große Pandas durchgeführt. Die Geburt der Zwillinge war in diesem Projekt eine große Sensation. Dann haben wir untersucht, wie eine Panda-Mama Zwillinge überhaupt großziehen kann, weil, laut der Literatur, kann sie das überhaupt nicht. Unser Panda war die Erste, die es geschafft hat und das ganz alleine ohne Unterstützung.

Martina Heiderer: „Mehr als die Hälfte unserer Veranstaltungen sind Unterrichtsveranstaltungen für Schulklassen und Kindergärten.“ (FOTO: KOSMO)

Solche Erkenntnisse sind sehr wichtig, auch für die restliche Panda-Population. Außerdem gab es ein Forschungsprojekt bei Erdmännchen, wo ihr Wächterverhalten untersucht wurde. Das ist das typische Verhalten von Erdmännchen im Wilden, um die Gruppe vor der Gefahr zu warnen. Im Zoo ist es nicht notwendig, sie machen es aber trotzdem. Dann haben wir untersucht – wie oft machen sie das und machen sie das wesentlich weniger als im Wilden? Die Ergebnisse haben uns gezeigt, dass sie es genauso oft machen wie in freier Wildbahn. Das bedeutet, dass es sich um ein eingeborenes und nicht erlerntes Verhalten handelt, weil sie es auch im Zoo machen. Solche Entdeckungen liefern uns sehr wichtige biologische Erkenntnisse, die diesen Tieren auch in freier Wildbahn helfen können. Generell geht bei Projekten um das Erwerben von grundsätzlichen Informationen. Bei manchen Tieren, die man im Wilden kaum beobachten kann, sind solche Informationen essentiell“, fügt Martina hinzu. Neben dieser Projekte, die wesentliche Informationen für eine gesamte Population liefern, widmen sich manche Projekte den Artenschutz von gefährdeten, sowohl heimischen, als auch exotischen Tieren. „Derzeit unterstützen wir Projekte für den Schutz von großen Pandas, roten Pandas, Elefanten in Asien etc. Ich würde aber Projekte hier in Österreich hervorheben. Hierzulande werden wieder Waldrappen angesiedelt. Das ist sehr interessant, weil die Küken per Ziehmutter aufgezogen werden, um ihnen dann die Zugroute nach Italien beizubringen. Wie sie großgezogen werden, kann man bei uns im Tiergarten sehen. Vor kurzem, was sehr erfreulich ist, sind sechs Habichtskauze bei und geschlüpft und konnten später wieder im Wiener Wald frei gelassen werden.“

Eine große Freude im Tiergarten bereitete die Geburt von Mähnenrobbe am 29.6.2019. Das Baby wurde Pedro genannt. (FOTO: Jutta Kirchner)

Um die Besucher bestmöglich über die Tiere informieren zu können, hat der Tiergarten Schönbrunn unter anderem auch eine App entwickelt, die auf unterhaltsame Art und Weise Wissenstransfer ermöglicht. „Die App ist da, um die Besucher im Tiergarten neugierig zu machen. Man folgt Hinweise, um die Tiere zu finden und dann bekommt man wissenswertes über das Tier. Es ist für uns ein tolles Medium, um die Informationen über die Tiere mit den Besuchern zu teilen. Das ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene eine spielerische Art, im Tiergarten unterwegs zu sein. Es gehen vielleicht viele an den Tieren vorbei, die unauffällig sind und gerade in der heutigen Zeit können wir die Technologie dazu nützen, um etwas Interessantes zu lernen. Die App wurde in den ersten paar Tagen 4.000 Mal heruntergeladen“, erzählt Martina mit Freude.

Noch ein Baby-Star im Tiergarten ist die kliene Kibali, die den Namen nach dem Fluss in Kongo bekam. (FOTO: Daniel Zupanc)

Der Schutz von bedrohten Tierarten
Viele bedrohten Tierarten, deren Schutz und Erhalt der Tiergarten unterstütz, wohnen auch dort. „Wir halten z. B. den Vietnam-Sikahirsch, der nur in Vietnam vorkommt. Mittlerweile sind sie dort ausgerottet und es gibt nur zwei Schutzgebiete, wo sie wohnen aber in freier Wildbahn gibt sie nicht mehr. Wir haben auch Schildkröte Batagur Baska, die nur in Bangladesch vorkommt und zu den drei gefährdetsten Schildkrötenarten der Welt zählt. Die meisten von ihnen haben wir in der Zuchtstation in Bangladesch gezüchtet. Bei uns gibt es auch einige Fischarten, die gar nicht mehr existieren. Wir hatten ein Projekt für Habichtskauz. Die sind nicht weltweit bedroht, aber seit 1950er Jahren gelten sie in Österreich als ausgestorben. Im Rahmen dieses Projektes wurden allein dieses Jahr sechs Jungtiere ausgewildert. Mittlerweile ist die Population schon so weit, dass sie sich selbst einigermaßen aufbauen kann. Für solche Arten ist es wichtig, dass ihr Lebensraum in freier Wildbahn existiert und erhalten bleibt. Bei manchen Tierarten kann sie der Schutzstatus ändern, wie z. B. bei großen Pandas. Die galten als stark bedroht und sind jetzt aufgrund der ganzen Schutzbemühungen auf ‚nur‘ bedroht zurückgestuft“, erklärt Simone Haderthauer, Leiterin der zoologischen Abteilung.

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