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REPORTAGE

Hinter den Kulissen des Tiergartens Schönbrunn (GALERIE)

Vergangenes Jahr besuchten 2,6 Millionen Menschen den Tiergarten Schönbrunn. (FOTO: Daniel Zupanc)

Die Bewohner des Tiergartens
Mit über 700 Tierarten zählt der Tiergarten Schönbrunn zu den größten in Europa. Wie kommen die Tiere überhaupt in den Zoo und auf welche Art und Weise wird ihr natürlicher Lebensraum gesichert?

„Wir machen uns diesbezüglich natürlich große Gedanken. Die wichtigste Voraussetzung ist der Platz. Ein Zoo ist räumlich begrenzt und wir müssen uns gut überlegen, ob wir überhaupt Platz haben. Es gibt den sgn. „Animal Collection Plan“. Das ist ein Plan, wo alle Tierarten, die wir aktuell halten, aufgelistet sind, aber auch diejenigen, die wir in Zukunft planen zu halten. Die Auswahl erfolgt nach mehreren Kriterien. Neben dem Raum spielen auch die klimatischen Bedingungen eine große Rolle. Wir stellen uns die Frage: – was brauchen die Tiere, können wir sie uns leisten, sind sie besonders bedroht, gibt es Artenschutzrelevanz, sind sie für die Forschung wissenschaftlich interessant, haben sie besondere Aufgabe in der Edukation der Besucher, sind sie für die Besucher attraktiv etc. Außerdem gibt es mehrere Zooverbände wie z. B. der Weltzooverband – WAZA (World association of Zoos and Aquaria).

Innerhalb der wissenschaftlichen Projekte werden bedeutende Informationen auch für Tiere in freier Wildbahn erworben.

Dann gibt es regionale Zooverbände wie die EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) aber auch lokale wie z. B. der Österreichische Zooverband. Mit diesen arbeiten wir eng zusammen und sie stellen sicher, dass die Tiergärten wissenschaftlich geführt sind. Sie haben bestimmte Anforderungen an die Aufgaben, die ein Zoo erfüllen muss. Darunter fallen Edukation, Forschung, Artenschutz und auch die Erholung. Sie schreiben gewisse Standards für die Haltung der Tieren vor. Die Mindestanforderung bezüglichder Tierhaltung sind im Tierschutzgesetz verankert. Die z. B. EAZA gibt sgn. „Best Practice“ Guidlines raus.

Das ist nicht das Minimum, sondern das Optimum, wie man Tiere halten soll. Die EAZA verfügt zum Beispiel über Zuchtbücher, das sind die sgn. EEPs und ESPs (Europäische Erhaltungszuchtprogramme). Dieses gibt es für über 400 Arten und für jede Tierart gibt es innerhalb Europas einen Koordinator, der genau weiß, welcher Zoo die Tiere hält, wie viele Individuen es gibt, wie diese miteinander verwandt sind und gibt Empfehlungen ab, welcher Zoo züchten soll. Außerdem macht er genetische Analysen und schaut, welche Tiere genetisch gut zusammenpassen, wie viel Platz verfügbar ist, etc. Das Ziel ist es, eine genetisch gesunde Population zu züchten. Alle Zoos, die bei der EAZA Mitglieder sind, sind verpflichtet an diesen Zuchtprogrammen teilzunehmen. Alle Tiere, die in diesem Zuchtprogrammen sind, gehören formal nicht dem Tiergarten, sondern den Zuchtprogramm. Innerhalb werden die Tiere untereinander auch getauscht. Sie werden nicht verkauft, es ist sogar verboten. Nach der Anweisung des Zuchtführers, organisieren dann die Zoos untereinander den Tiertransport. Natürlich tauschen wir innerhalb einer Zoogemeinschaft Tiere aus, aber nicht nur das. Wir arbeiten sehr eng zusammen im Bereich der Ausbildung von Lehrlingen und tauschen Erfahrungswerte mit anderen Tiergärten aus. Wenn wir z. B. eine positive Erfahrung mit Futter machen, dann teilen wir das mit der Zoogemeinschaft.

Simone Heiderthauer: „Tiere sind keine Maschinen und sie müssen ihre Ruhe und Versteckmöglichkeiten haben.“

Das ist auch sehr wichtig, weil jedes Tier sowie der Tiergarten von den neuen Erkenntnissen profitieren kann“, resümiert Simone. Wenn ein neues Tier in den Zoo kommt, dann arbeitet das ganze Team an seiner Eingewöhnung . „Bei manchen Tierarten ist es leichter als bei anderen. Wenn wir sehr große Tiere bekommen, dann fahren unsere Tierpfleger vorab zum Tiergarten, wo sie sich aufhalten, um sie und ihre Umgebung kennenzulernen. Dann kommt immer ein Tierpfleger für einige Zeit zu uns, um das Tier zu betreuen, damit es einen bekannten Pfleger um sich hat. Bei anderen geht es relativ schnell und gut. Wir haben einen Giraffenbuben mit Namen Obi bekommen. Er war ein Tag hinter den Kulissen und hat sich sofort bei uns eingelebt – er hat sofort gefressen und war von Anfang an entspannt.

Rupert Kainradl: „Man sollte keine Angst vor Tieren, sondern einen notwendigen Respekt haben. Wer Angst hat, kann diese Arbeit nicht ausüben.“ (FOTO: KOSMO)

Am zweiten Tag haben wir ihn mit den Weibchen vergesellschaftet. Das kommt aber immer auf das Individuum an“, so unsere Gesprächspartnerin. Tiere sind keine Exponate, sondern die Botschafter ihrer Rasse im Wilden – das ist einer der Hauptpostulate des Tiergartens. Was macht der Tiergarten, um den Tieren ein möglichst wildes und freies Leben zu ermöglichen, aber gleichzeitig für die Besucher bestmöglich sichtbar zu machen? „Das Allerwichtigste für die Tiere ist, den bestmöglichen Lebensraum zu schaffen. Das Gehege muss optimal klimatisch und einrichtungstechnisch gestaltet sein. Es muss Steckmöglichkeiten geben. Das Futter und Sozialpartner müssen passen. Das Wichtigste für uns ist es, dass sich die Tiere wohlfühlen. Natürlich ist es wichtig, dass man die Besucher auch für sie begeistert, aber das ist nur möglich, wenn es den Tieren gut geht. Tiere sind keine Maschinen und das muss man im Kauf nehmen.

Es gibt Minuten oder sogar Stunden in welchen ein Tier versteckt und nicht zu sehen ist. Wir haben ganz viele unterschiedliche Tierarten, aus anderen Kontinenten und Lebensräumen und wir versuchen ihren natürlichen Lebensraum bestmöglich nachzubilden. Wir haben z. B. das Vogelhaus oder Regenwaldhaus, wo ein südostasiatisches Klima herrscht und alle Bewohner dieses Lebensraums dort wohnen. Im Tiroler Hof leben unsere heimischen Arten. Ganz wichtig ist es bei den Tieren zu schauen, wie lebt dieses in der Natur, was frisst es, wie ist sein Platzbedürfnis, welches Sozialsystem und welches Paarungssystem hat es, etc. Es ist auch wichtig für die Besucher, dass sie den Lebensraum der Tiere kennenlernen“, betont die zoologische Leiterin.

Habt ihr Angst von den Reptilien?
Neben Zoopädagogen und Zoologen arbeiten im Zoo auch Tierpfleger, die die meiste Zeit in unmittelbarer Nähe zu den Tieren verbringen und mit ihnen einen direkten oder indirekten Kontakt haben. „Viele glauben, dass wir den ganzen Tag nur Tiere streichen und füttern, aber so romantisch ist es nicht. In der Früh haben wir jeden Tag eine Teambesprechung. Dort besprechen wir, was vorgefallen ist, was an dem Tag zu machen ist und, was für die nähere Zukunft geplant ist. Dann geht jeder in seine Teilbereiche und zunächst wird das Futter vorbereitet und die Tiere gefüttert. Danach säubern wir die Gehege, bevor die Besucher kommen. Im Schaubereich muss alles perfekt sein und dann um neun Uhr kommen die Besucher und wir gehen in unseren Backstage-Bereich. Die Schicht beginnt um 7.30 und um 16.30 ist sie zu Ende. Wir haben jeden Tag eine Stunde Mittagspause (von 12 bis 13 Uhr) und eine Vormittagspause von 9.30 bis 10. Außerdem haben wir einen Schlussdienst. Er dauert so lange, bis der Tiergarten schließt. Das machen nicht alle, sondern es gibt immer einen pro Abteilung. Diese Person schaut dann, ob alles mit den Tieren in Ordnung ist und, dass alle Besucher den jeweiligen Bereich verlassen haben.

Die oberste Priorität für die Tierhaltung sind die möglichst natürliche Lebensbedingungen. (FOTO: KOSMO)

Nachtdienste gibt es bei uns nur in Sonderfällen“, erklärt uns Rupert Kainradl während er uns durch die Gänge des Terrariums führt. Ein Tierpfleger ist immer für denselben Bereich zuständig. Nach der allgemeinen Ausbildung spezialisieren sie sich für einen Bereich. „Es gibt einen dreijährigen Lehrgang oder man kann sie auf dem zweiten Bildungsweg machen. Ich habe jahrelange Erfahrung als Hilfspfleger während meines Studiums. Danach habe ich einen Kurs und die Tierpflegerprüfung gemacht.“ Rupert arbeitet nicht mit „süßen“ Pelztieren sondern mit Schlangen und anderen Reptilien. Wir fragten, ob man mit ihnen überhaupt eine persönlichen Beziehung aufbauen kann. „Natürlich entstehen Beziehungen zu jeder Tierart. Wenn wir über Reptilien sprechen, ist es ganz anders als mit Pelztieren. Unsere Leguane erkennen ihre Pfleger und können unterscheiden, wer sich im Gehege unterhält. Noch ein Unterscheid zu den Pelztieren ist es, dass man sie nicht süß, aber sehr interessant findet. Schon allein durch die Verantwortung (man kümmert sich um das Tier, füttert es, schaut, dass es ihm gut geht) entsteht eine Beziehung. Am schwierigsten ist es einen Kontakt mit Gifttieren herzustellen, weil sie immer eingesperrt sind und wir keinen direkten Kontakt mit ihnen haben. Es geht um einen „protected contact“, wo Mitarbeiter immer zu zweit sind. Eine andere Schwierigkeit bei uns im Terrarium ist es, wenn man eine Beschlagnahmung bekommt, von der man gar nichts weißt. Also Tiere, über welche in der Literatur wenig bekannt ist.

Dann muss man auf Erfahrungswerte zurückgreifen oder mit Kollegen sprechen oder das Tier mit Fingerspitzengefühl angehen. Leute fragen mich oft, ob ich Angst vor ´gefährlichen´ Tieren habe. Dank unserer guten Sicherheitsstandards war ich bisher in noch keiner gefährlichen Situation und das obwohl ich mit Gifttieren arbeite. Ich hatte niemals Angst, aber begegne den Tieren immer mit dem nötigen Respekt. Angst ist fehl am Platz. Wenn man Angst hat, dann soll man diesen Job nicht ausüben. Es springt auf das Tier über und wenn eine Person nervös ist, dann merkt es dann sofort und wird auch nervös. Auch Reptilien kriegen das sehr wohl mit, obwohl sie das nicht zeigen“, so unser Gesprächspartner. Für Rupert ist dieser Beruf nicht nur ein Beruf, sondern seine Berufung, die ihn in jedem Sinne erfüllt.