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MEIN SCHICKSAL

Kampf gegen die Sucht: Wenn das Leben schwierige Geschichten schreibt

Der Weg in die Selbständigkeit

,,Ich schloss die Schule mit den besten Noten ab und begann sofort Arbeit und eine Wohnung zu suchen, erzählte jedoch niemandem davon. Meine Eltern gratulierten mir zu meinem Erfolg und begannen, Pläne für meine Zukunft zu schmieden, ohne mich überhaupt zu fragen, was ich wollte. Ich ließ sie in dem Glauben an ihre eigene Wichtigkeit, eröffnete ihnen aber nur zwei Monate später, dass ich in einer guten Firma Arbeit gefunden hatte und in eine Wohnung ziehen würde, die ich mir mit zwei anderen Mädchen teilte.

Natürlich machten sie eine ordentliche Szene und beschuldigten mich, ich sei so undankbar, wie ich immer gewesen wäre. Damals hörte ich zum ersten Mal, dass sie geplant hatten, dass ich gemeinsam mit ihnen einen Kredit für eine Eigentumswohnung und für Papas lang ersehntes neues Auto aufnehmen würde. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Damals fand ich die Kraft, ihnen offen zu sagen, was ich von ihnen hielt, dass ich ihretwegen immer unglücklich gewesen war, weil sie mir zuerst gefehlt hatten, als ich klein war, und weil ich später gemerkt hatte, dass wir niemals eine normale Beziehung haben würden. Und das war das Ende. Ich gehörte nicht mehr zur Familie.

Die Übersiedlung in die neue Wohnung erlebte ich als Befreiung. Die anderen Mädchen, beide Studentinnen, waren sehr lieb und auch in der Arbeit nahmen mich die Kollegen freundlich auf. Von meinem Lohn hätte ich die Rechnungen bezahlen und gut leben können, wäre da nicht meine Sucht gewesen. Ich mischte noch immer enorme Mengen an Beruhigungstabletten, die ich schwarz auf dem Balkan besorgte, mit verschiedenen Tabletten, die ich von dem Dealer in Wien kaufte.

Ich hatte die Kontrolle über mich schon verloren und schlief bisweilen das ganze Wochenende durch. Ich konnte morgens nur schwer aufstehen, um in die Arbeit zu gehen, und verschlafen und langsam, wie ich war, erntete ich in meiner Umgebung verwunderte Blicke. Manchmal sackte mir der Kopf in der Firma auf den Schreibtisch, und dann rief mich der Chef zum Gespräch und erklärte mir, dass er meinen seltsamen Zustand, der sich auch auf die Qualität meiner Arbeit auswirkte, nicht mehr lange tolerieren könne.

Ich begriff, dass der Spaß zu Ende war, und bemühte mich, die Opiatdosen unter der Woche zu reduzieren, aber an den Wochenenden überließ ich mich meinem Laster. Meinen Mitbewohnerinnen erklärte ich, ich brauche viel Schlaf und Erholung, und so ließen sie mich in Ruhe. In dieser Zeit bemühte sich in der Arbeit ein junger Kollege immer häufiger um mich. Er brachte mir Kaffee, wenn er bemerkte, dass ich müde wurde, wir gingen in der Pause gemeinsam essen und kamen uns immer näher.

(Foto: iStock)

Er war sehr freundlich und lieb und ein paar Mal nahm ich seine Einladungen an, nach der Arbeit gemeinsam abendessen zu gehen. Er wusste, dass ich in einer Wohngemeinschaft lebte, und lud mich daher einmal zu sich ein. Es war wie in einem Liebesroman: Er bestellte Essen, öffnete eine Flasche Wein, machte Musik an… Als er mich umarmen und küssen wollte, erstarrte ich und begann unkontrolliert zu zittern.

Natürlich konnte ich ihm nicht sagen, dass ich erst einmal in meinem Leben die Berührung eines Mannes erlebt hatte und dass das eine Vergewaltigung gewesen war, von der ich schwanger geworden war, und dass ich seitdem tief verletzt war. Mir war nicht bewusst, dass ich weinte, als ich ihn von mir stieß. Ich kam erst zu mir, als ich in meiner Wohnung war und Beruhigungstabletten nahm.

Am nächsten Tag ging ich nicht in die Arbeit, sondern zu einem Arzt, um mich krankschreiben zu lassen. Der erfahrene Arzt sah, dass ich in keinem normalen Zustand war, und er forderte, dass ich Laborbefunde beibringen sollte. Aus ihnen erkannte er, dass sich mein Körper aufgrund der hohen Konzentration an Opiaten im Blut in einem Chaos befand. Er gab mir einen Gesprächstermin am Ende seiner Arbeitszeit und dann redete er lange mit mir, väterlich warm und engagiert. Ich erzählte ihm alles und öffnete zum ersten Mal meine Seele mit all ihrem Schmerz. Er empfahl mir, bei seinem Kollegen mit einer Psychotherapie zu beginnen, und als er mir erklärte, dass die Krankenkasse das zahlen würde, stimmte ich zu“, sagt Tijana.

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