Start Aktuelles
Reform

Milliarde für Sozialhilfe sprengt Budget – Koalition zerstritten

Am 18. Juni 2025 nahm Bundeskanzler Christian Stocker (l.) gemeinsam mit Vizekanzler Andreas Babler (r.) am Pressefoyer nach dem Ministerrat teil.
FOTO: BKA/Florian Schrötter

Die Sozialhilfe knackt erstmals die Milliardengrenze und entfacht einen Richtungsstreit in der Regierung. ÖVP und SPÖ verfolgen grundverschiedene Reformkonzepte.

Die Debatte um die Neugestaltung der Sozialhilfe spaltet die Regierungsparteien. Während ÖVP-Integrationsministerin Claudia Plakolm für ein nach Kinderzahl gestaffeltes Modell plädiert, lehnt SPÖ-Sozialministerin Korinna Schumann eine Obergrenze kategorisch ab und favorisiert stattdessen einen verstärkten Einsatz von Sachleistungen.

Die staatlichen Aufwendungen für die Sozialhilfe haben 2023 erstmals die symbolisch bedeutsame Marke von einer Milliarde Euro überschritten. Konkret wurden 1,102 Milliarden Euro ausgegeben, was gegenüber den 972 Millionen Euro des Vorjahres einen Anstieg um 13,4 Prozent bedeutet. Laut Angaben aus dem Büro von Ministerin Schumann beliefen sich die Ausgaben 2021 auf 966 Millionen Euro.

⇢ ÖVP will Sozialhilfe für Kinder deckeln – SPÖ lehnt ab

Im vergangenen Jahr bezogen durchschnittlich 108.206 Bedarfsgemeinschaften Sozialhilfe, darunter 15.463 Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Bemerkenswert ist die regionale Verteilung: Fast 80.000 dieser Bedarfsgemeinschaften waren in Wien ansässig. Im Bundesländervergleich zeigt sich die Hauptstadt als klarer Schwerpunkt: Rund 73 Prozent der österreichweiten Sozialhilfe- und Mindestsicherungskosten entfielen 2023 auf Wien. Die Stadt Wien überwies allein über 806 Millionen Euro für diese Leistungen.

Ausgaben im Kontext

Das Sozialministerium relativiert die Ausgabenhöhe durch volkswirtschaftliche Einordnung. Die 1,102 Milliarden Euro entsprechen lediglich 0,23 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts – ein Wert, der im Vergleich zu 0,22 Prozent im Jahr 2022 nahezu unverändert geblieben ist. Noch deutlicher wird die Relation bei Betrachtung der gesamten Sozialausgaben: Von den insgesamt 146 Milliarden Euro entfallen nur 0,8 Prozent auf die Sozialhilfe und Mindestsicherung.

Bemerkenswert ist auch die demografische Verteilung der Leistungsbezieher: Von den knapp 200.000 Menschen, die österreichweit auf Mindestsicherung oder Sozialhilfe angewiesen sind, besitzen nur noch 41,3 Prozent die österreichische Staatsbürgerschaft – ein Umstand, der die politische Debatte zusätzlich anregt.

Künftige Entwicklung

Ein weiterer Anstieg der Ausgaben ist für das laufende Jahr bereits vorprogrammiert, da die Sozialleistungen 2024 um 4,6 Prozent angehoben wurden. Die entsprechenden statistischen Daten werden allerdings erst im dritten Quartal 2025 vorliegen. Für das Jahr 2024 ist jedoch mit einem deutlichen Kostenanstieg zu rechnen, da Wien – als größter Ausgabenträger – sein Budget für die Mindestsicherung bereits um über 200 Millionen Euro aufgestockt hat.

⇢ Verfassungswidrig? Regierung streitet über Geld für Großfamilien

Besonders bemerkenswert: Während die Bezieherzahl im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 3,7 Prozent stieg, wuchsen die Kosten mit 13,1 Prozent deutlich überproportional.

Die politische Auseinandersetzung über die als dringlich erachteten Reformmaßnahmen wird jedoch schon deutlich früher in die nächste Runde gehen.