Die Geburt eines Kindes wird oft als das schönste Ereignis im Leben einer Frau dargestellt, doch hinter diesem romantischen Glanz verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit: Viele Mütter erleben nach der Geburt eine immense psychische Belastung, die nicht selten zu tragischen Folgen führt. Der Fall des entführten und verstorbenen Babys in Wien wirft ein grelles Schlaglicht auf die psychische Gesundheit von Müttern.
Die Unsichtbaren im Gesundheitssystem
Psychische Erkrankungen sind ein Schatten, der oft unbemerkt bleibt. Besonders in der postpartalen Phase – den Wochen und Monaten nach der Geburt – können Gefühle der Überforderung, Angst und Traurigkeit zu einer bedrückenden Realität werden. Schätzungen zufolge erleben 10 bis 15 Prozent aller Mütter eine postpartale Depression. Doch nur ein Bruchteil davon wird tatsächlich diagnostiziert und behandelt.
Warum? Weil das Gesundheitssystem versagt. Es sieht die körperliche Gesundheit von Mutter und Kind als Priorität, während die psychische Verfassung der Mutter als zweitrangig betrachtet wird. Ein kurzzeitiger Check-up beim Gynäkologen, eine routinemäßige Nachsorge – das war’s. Der seelische Zustand der Mutter bleibt meist unbeachtet, obwohl gerade dieser über das Wohl des gesamten Familiensystems entscheiden kann.
Die Last der Perfektion
Mütter stehen unter immensem Druck. Die Gesellschaft verlangt, dass sie sofort nach der Geburt funktionieren: als liebevolle, geduldige und unfehlbare Eltern. Social Media und moderne Ideale tragen dazu bei, dass dieser Druck ins Unermessliche steigt. Übermüdung, hormonelle Umstellungen und eine radikale Lebensveränderung werden dabei als normal abgetan, mit einem lächelnden „Das gehört eben dazu.“
Aber das tut es nicht. Diese Erwartungshaltung führt dazu, dass viele Frauen ihre Probleme nicht artikulieren – aus Angst, als schlechte Mütter abgestempelt zu werden. Die Folge: Sie leiden im Stillen, oft mit katastrophalen Konsequenzen für sich selbst und ihre Kinder.
Warnsignale, die niemand sehen will
Die psychischen Auswirkungen von Mutterschaft sind vielfältig. Postpartale Depressionen reichen von Gefühlen der Niedergeschlagenheit bis hin zu schweren Angststörungen. In extremen Fällen kann es sogar zu einer postpartalen Psychose kommen – einer seltenen, aber schwerwiegenden Erkrankung, die in den schlimmsten Fällen Mütter dazu bringt, sich oder ihrem Kind zu schaden.
Es gibt Warnsignale, die frühzeitig erkannt werden können: übermäßige Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, ein Gefühl der emotionalen Abtrennung vom Kind. Doch in einem überlasteten Gesundheitssystem, in dem Personal häufig zu wenig Zeit für Gespräche mit Patienten hat, werden diese Anzeichen oft übersehen.
Was getan werden muss
Die psychische Gesundheit von Müttern muss in den Fokus gerückt werden – und zwar nicht nur durch Appelle, sondern durch konkrete Maßnahmen. Hier sind einige zentrale Ansätze:
- Obligatorische Screenings: Jede Mutter sollte vor und nach der Geburt auf psychische Belastungen hin untersucht werden. Diese Screenings könnten standardisiert und in die reguläre Schwangerschaftsvorsorge integriert werden.
- Niedrigschwellige Angebote: Es braucht leicht zugängliche Anlaufstellen, an die sich Mütter ohne Scham wenden können. Beratungshotlines, Online-Angebote und Selbsthilfegruppen könnten einen großen Beitrag leisten, um Hürden abzubauen.
- Ausbildung von Fachpersonal: Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte sollten besser auf die Erkennung und den Umgang mit psychischen Erkrankungen geschult werden. Ein geschulter Blick könnte verhindern, dass Mütter in einer Krise allein gelassen werden.
- Unterstützung im Alltag: Viele Mütter leiden unter der Last, alles alleine bewältigen zu müssen. Unterstützungsangebote wie Haushaltshilfen, Betreuungsdienste und Väterkarenz könnten entlasten und Raum für Erholung schaffen.
Die Kosten des Schweigens
Das Ignorieren der psychischen Gesundheit von Müttern hat einen hohen Preis – nicht nur für die betroffenen Frauen, sondern auch für die Gesellschaft. Kinder, die in instabilen Verhältnissen aufwachsen, tragen oft lebenslange psychische und emotionale Wunden davon. Partnerschaften zerbrechen, Familienstrukturen kollabieren, und die Kosten für psychische Gesundheitsversorgung steigen.
Wenn wir weiterhin so tun, als ob Mutterschaft ausschließlich von Glück und Erfüllung geprägt ist, berauben wir Mütter der Möglichkeit, Hilfe zu suchen, wenn sie diese am dringendsten brauchen.
Ein gesellschaftliches Umdenken
Es ist höchste Zeit, Mutterschaft nicht mehr nur durch eine rosarote Brille zu betrachten. Die Geburt eines Kindes ist ein lebensveränderndes Ereignis – voller Freude, aber auch voller Herausforderungen. Die psychische Gesundheit von Müttern darf nicht länger ein blinder Fleck in unserem Gesundheitssystem bleiben.
Wir alle – von Gesundheitsexperten über Politiker bis hin zu Familienmitgliedern – müssen uns dieser Verantwortung stellen. Denn nur, wenn wir die Mütter unterstützen, können wir sicherstellen, dass ihre Kinder in einer stabilen und liebevollen Umgebung aufwachsen. Und genau das sollte das Ziel einer jeden Gesellschaft sein.
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