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Ein Beinahe-Abenteuer

Balkan Stories: Wie ich nach Montenegro kam

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(FOTO: Balkan Stories)

Die Busfahrer können sich etwas erholen. Die Fahrgäste können einen Kaffee trinken, Suppe essen oder eine rauchen.

Ich husche hinaus wie die meisten Fahrgäste.

Erstaunlich viele Touristen

Die Fahrgäste aus Singapur bleiben drin. Es sind zwei Ehepaare, eines im Pensionsalter, das andere jünger.

Asiatische Touristen triffst du am Balkan immer im Bus.

Skandinavier sowieso. Da kann dein Ziel gar nicht entlegen genug sein, dass du nicht ein paar Norweger oder Schweden mit im Bus hast, mit Rucksäcken, in die könntest du ein Wohnmobil packen.

Auch Amerikaner haben wir diesmal im Bus.

Nur Deutsche und Österreicher triffst du fast nie in dieser Weltgegend. Und wenn doch, kann’s komisch werden.

Einzig auf den Busfahrten von und nach Österreich bin ich meist der einzige Nicht-Jugo.

Nach 20 Minuten geht’s wieder los.

Die Singapurer – oder heißt es Singapuresen oder Singapuraner? – sind sehr angetan von der Gegend.

Die Frau aus dem älteren Ehepaar bemerkt mit wohlgefälliger Überraschung, dass hier die Sharia nicht gilt.

In Malaysien, wo sie öfter sind, ist das anders, sagt sie mir. „Die Leute trinken trotzdem Alkohol und pfeifen drauf, aber erwischen dürfen sie sich nicht.“

Die Touristen fahren alle durch bis Podgorica.

Für die Singapurer geht’s dann nach ein paar Tagen weiter nach Sarajevo. „Aber nur für einen Tag“, sagt der Mann aus dem älteren Paar.

Am Kullen-Pass

Die Grenze zwischen Kosovo und Montenegro ist hier eine wunderschöne Bergszenerie.

Der Kullen-Pass gilt als eine der schönsten Landschaften Ex-Jugoslawiens.

Die enge Straße windet sich in Serpentinen den Berg hinauf. In den Wiesen und manchmal auf der Straße laufen Kühe frei herum. Weidezäune gibt’s hier nicht.

Mit dem Fotografieren muss man vorsichtig sein, hat mir mein Freund Chadd gesagt. Der US-Amerikaner hat einen Lehrauftrag auf einer Uni in Prishtina.

Er fährt die Strecke oft mit dem Fahrrad.

Montenegro und der Kosovo haben sich beim Kullen-Pass nicht auf eine Grenze einigen können.

„Den Kosovaren ist es vermutlich egal, aber bei den Montenegrinern würd ich’s nicht probieren“, hat Chadd gestern abend gesagt.

Schade. Die weißen kosovarischen Grenzhütten erinnern an Mobilklos. Das wäre ein spannendes Fotomotiv.

Nach der kosovarischen Grenze kommt zehn Kilometer lang schöne Landschaft, die du auch nicht fotografieren solltest.

Den zwei Singapurerinnen ist das egal.

Ich mach nur ein Foto durch die Frontscheibe des Busses.

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(FOTO: Balkan Stories)

Nach 20 Minuten hält der Bus an der montenegrinischen Grenzstation.

In der Piratenrepublik

Die Montenegriner haben hier gleich ein kleines Alpendorf aus Holzhäusern hingestellt. Auch Autoversicherungen kann man hier kaufen.

Die Montenegriner bestehen offenbar auf einer eigenen Kfz-Versicherung. Vielleicht gilt das auch nur für kosovarische Autos.

Ein Bekannter, ein deutscher Journalist, hat Montenegro einmal Piratenrepublik genannt. Das kommt mir in diesem Moment in den Sinn. Es scheint zu passen.

Der montenegrinische Grenzpolizist, der mir den Pass zurück gibt, ist Bosnjake.

Wir sind hier auf der montenegrinischen Seite des Sandžak.

Der Bus fährt los. Ich atme erleichtert auf. Ich hab’s geschafft. Ich bin in Montenegro und darf wieder legal nach Serbien einreisen.

(FOTO: Balkan Stories)

Mach ich erst morgen früh. Wenn ich schon mal hier bin, will auch was vom Land sehen.

Wiewohl das hier nicht das touristische Montenegro ist. Von der Küste sind wir ziemlich weit entfernt. Sofern man in Montenegro von weit entfernt reden kann.

Hier ist es Provinz. Almen, Berge, Minarette, wohin man schaut. Fast ein wenig wie Bosnien. Nur vielleicht noch ein wenig ärmlicher.

Ein Beinahe-Abenteuer geht zu Ende

Der Busbahnhof von Rožaje ist der vielleicht traurigste der Welt. Ein offener Schalter mit dem Fenster ins Freie, verdreckte Fenster mit Postern drauf.

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(FOTO: Balkan Stories)

Nicht mal die Busbahnsteige haben hier Nummern. Das ist das erste Mal, dass ich das am Balkan sehe.

Wir müssen diesmal alle raus. Der Bus fährt doch nicht durch bis Podgorica.

Die Passagiere, die dorthin wollen, müssen in einen anderen Bus umsteigen, einen montenegrinischen.

Was der Busfahrer nicht so deutlich kommuniziert.

Die Singapurer sind verwirrt. Hier spricht kaum wer Englisch.

Als sich nach zwei Minuten rumgesprochen hat, was los ist, und ich jemanden erwische, der es mir in der Sprache ohne Namen erklärt, informiere ich sie.

Mittlerweile hat der deutschsprechende Co-Busfahrer von irgendwo irgendwen aufgetrieben, der auch Englisch kann und es ihnen nochmal erklärt.

Beim Gepäcksfach bildet sich sofort eine Traube. Jeder will seine Tasche zuerst.

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(FOTO: Balkan Stories)

Als ich meine habe, zünde ich mir zuerst eine Zigarette an. Und mache mich auf den Weg zum Taxistandplatz.

Der Magen knurrt und im Hotel werden sie hoffentlich was zum Essen haben.

Der Rest meines Aufenthalts in dieser Kleinstadt wird sehr interessant und amüsant. Das werde ich ein anderes Mal erzählen.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.