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INTERVIEW

Zadić: „Wir werden in den Nationalrat einziehen“

Alma Zadic - Interview 2017 2
(FOTO: Liste Pilz)

Alma Zadić (33) hat von allen Ex-Yu-Kandidaten bei der nächsten Nationalratswahl vielleicht die größte Chance, in das österreichische Parlamentsgebäude einzuziehen.

Die in Tuzla, Bosnien und Herzegowina geborene, kam während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien als 10-jähriges Kind mit ihren Eltern nach Wien und kandidiert auf dem sechsten Platz der Liste von Peter Pilz. Sollte die Liste die Hürde schaffen und in den Nationalrat einziehen, wird Zadić – Anwältin und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Columbia University in New York – die erste Person mit unserem Migrationshintergrund, die im Nationalrat einen Platz hat. Wir sprachen mit der Politik-Quereinsteigerin und Rechts-Expertin über ihre Ambitionen im Nationalrat.

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Die Nationalratswahlen rücken näher und der Wahlkampf entwickelt sich immer mehr zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Spitzenkandidaten Sebastian Kurz, H.C. Strache und Christian Kern. Doch wer sind eigentlich ihre (virtuellen) Unterstützer? Wir haben uns die Facebook-Seiten der Politiker mal etwas genauer angesehen!

 

KOSMO: Wie kam es zu Ihrer Kandidatur auf der Liste von Peter Pilz?
Alma Zadić: Ich wurde aus dem Team von Peter Pilz über Stephanie Cox kontaktiert. Danach lernte ich Mitte August Peter Pilz selbst kennen. Er hatte die Ambition, dass auf seiner Liste insbesondere auch Menschen kandidieren, die in ihrem Feld Experten sind und keine Berufspolitiker. Dabei sind unter anderem Uni-Professoren, Finanzexperten, Jungunternehmer, Rechtswissenschaftler und viele andere Politik-Quereinsteiger. Dass ich den sechsten Listenplatz bekommen habe, ist natürlich eine große Ehre, aber auch eine große Verantwortung, wenn ich den Nationalrat einziehen sollte.

Waren Sie schon vorher politisch aktiv?
Ich war bisher nie politisch aktiv, aber ich bin ein politischer Mensch. Nach meinem Jus-Studium in Wien und New York und bereits während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit bei der Internationalen Organisation für Migration sowie der Universität, habe ich Vereine gegründet und war in verschiedenen Organisationen aktiv. Unter anderem habe ich die Initiativgruppe Alpbach Wien mitgegründet, die es Studierenden ermöglicht auf das Europäische Forum Alpbach zu fahren und bin bei der Jugendorganisation des World Economic Forum aktiv (Global Shapers). Ich wollte aber nie Teil einer verkrusteten, großen politischen Partei sein. Deswegen bin ich glücklich, dass es die Liste Peter Pilz gibt, bei der ich aktiv mitgestalten und mitentscheiden kann.

Wie sehen konkret deine politischen Ziele aus? Wie es aussieht, wird vor allem Integration dein größtes Interessensfeld deiner politischen Arbeit sein.
Ja, das ist richtig. Als Person mit Fluchterfahrung, die in Österreich studiert und ihren Weg gemacht hat, bin ich mir der Herausforderungen bewusst. Integration ist wichtig und muss auch politisch ernst genommen werden. Integration darf nicht eine Nebenmaterie im Außen- oder Innenministerium sein, sondern sollte ein eigenes Ministerium bekommen. Der Schlüssel dabei ist die Bildung. In Österreich schaffen nur 12% der Kinder deren Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben einen Universitäts- oder Hochschulabschluss, und wenn diese Kinder zusätzlich einen Migrationshintergrund ist dieser Wert bereits halbiert und liegt bei 6%. Wir sollten uns die Frage stellen, warum das so ist?

(FOTO: Liste Pilz)

„Bei der Pünktlichkeit bin ich manchmal eine Bosnierin, aber bei der Genauigkeit bin ich eine Österreicherin. Ich bin, so wie viele aus meiner Generation, ein Misch-Masch. Und das ist gut so.“

Ich will hier ansetzen. Kinder sollten die gleichen Chancen auf eine gute Ausbildung bekommen, das ist eines meiner größten Ziele. Die Sprachförderung insbesondere für Kinder und Jugendliche sollte umfassend ausgebaut werden. Wir brauchen zusätzlich 2000 speziell ausgebildete Lehrkräfte mit dem Schwerpunkt Integration. Ich will auch, dass Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst verstärkt aufgenommen werden, sei es in Bildungseinrichtungen oder bei Sicherheitsbehörden. Diese Bereiche können verstärkt zur Integration genutzt werden. Dadurch ermöglichen wir auch wahre Inklusion von Migranten und Migrantinnen im öffentlichen Leben. Jeden Dienstag organisiere ich Integrationsstammtische, bei denen wir uns mit diesen Themen befassen. Das wird auch definitiv das wichtigste Thema meiner politischen Arbeit sein.

Peter Pilz hat dem radikalen Islam und seinen Institutionen in Österreich den Kampf angekündigt. Wie siehst Du dieses Thema?
Selbstverständlich bin ich ein entschiedener Gegner der aktuellen Hetzkampagnen, die nicht differenzieren, sondern Menschen gegen einander aufhetzen. Der Islam gehört seit langem zu Österreich und auch zu Europa. Das hat Peter Pilz auch klar in einem Interview mit Dem Standard gesagt. Dass man allerdings mit extremistischen Vereinen und Institutionen in Österreich, die radikale Glaubenskonzepte verbreiten, abschließen muss, ist ebenso klar. Religiöser und politischer Extremismus gefährden nun mal die Integration auf beiden Seiten.

Der derzeitige Wahlkampf ist leider zu sehr auf das Thema Migranten und Flüchtlinge konzentriert und wird auf dem Rücken der Migranten ausgetragen. Dabei haben wir Themen in Österreich, die für unsere gemeinsame Zukunft wichtig sind. Da sehe ich insbesondere die immer noch zu hohe Arbeitslosenrate. Im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosenrate, ist sie unter den Menschen mit Migrationshintergrund wesentlich höher. Weiters ist die Arbeit in Österreich immer noch zu hoch besteuert und Menschen arbeiten immer mehr in prekären Arbeitsverhältnissen, bei denen sie nicht ausreichend geschützt oder versichert sind. Hier müssen wir ansetzen.

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Wieviel Bosnien-Herzegowina und wieviel Österreich steckt in deiner eigenen Identität? Du bist seit dem zehnten Lebensjahr in Österreich.
Ich bin gerne in Bosnien-Herzegowina und gehe auch in Wien gerne zu bosnisch-herzegowinischen Kulturveranstaltungen. Obwohl ich selber keine schöne Stimme zum Singen habe, verfolge ich mit Begeisterung den Frauen-Chor „Mimoze“, der alte Sevdah-Lieder singt. Und gerne hole ich mir auch ein Burek oder eine Sirnica im Pitawerk (lacht). Gleichzeitig liebe ich die österreichischen Berge und kann auch österreichische Schlagerlieder mitsingen (wie gesagt allerdings nicht besonders gut). Bei der Pünktlichkeit bin ich manchmal eine Bosnierin, aber bei der Genauigkeit bin ich eine Österreicherin. Ich bin, so wie viele aus meiner Generation, ein Misch-Masch. Und das ist gut so.

Was erwartest Du dir von der kommenden Wahl?
Ich erwarte mir, dass wir in den Nationalrat einziehen werden. Leider erwarte ich mir gleichzeitig, eine schwarz-blaue Regierung. Das hoffe ich natürlich nicht. In jedem Fall wird eine gute, kompetente und scharfe Oppositionspolitik wichtig sein. Die garantiert die Liste Peter Pilz auf jeden Fall.