Bundeskanzler Nehammer erwägt eine Beschäftigungspflicht für Ärzte angesichts des landesweiten Ärztemangels. Doch die Ärztekammer Wien warnt vor den ‚DDR-Fantasien‘ und legt ein neues Rechtsgutachten vor, das die rechtlichen Bedenken unterstreicht.
Im Angesicht des landesweiten Mangels an Ärzten, denkt Bundeskanzler Karl Nehammer über eine mögliche Beschäftigungspflicht für Mediziner nach. In diesem Zusammenhang hat die Ärztekammer Wien ihre Besorgnis über diese „DDR-Fantasien“ zum Ausdruck gebracht und ein neues Rechtsgutachten vorgelegt.
Öffentliches Gesundheitssystem
Der medizinische Sektor in verschiedenen Fachbereichen und öffentlichen Krankenhäusern leidet unter einem erheblichen Ärztemangel. Die Herausforderung besteht darin, dass Österreich zwar genügend Mediziner ausbildet, aber etwa 40% der Absolventen entweder ins Ausland gehen oder nicht als Ärzte praktizieren (sie widmen sich der Forschung). Das öffentliche Gesundheitssystem ist stark betroffen und einige Politiker denken öffentlich über eine Arbeitspflicht für Ärzte im öffentlichen Gesundheitssektor nach.
Beschäftigungspflicht
Nehammer hat zum Ausdruck gebracht, dass Akademiker, welche Medizinstudien in Österreich abschließen, dazu beitragen sollten, der Gesellschaft einen Teil dessen zurückzugeben, was sie zuvor unentgeltlich erhalten hätten. Zudem hat der Bundeskanzler jüngst eine Beschäftigungspflicht für medizinische Absolventen in Österreich erwähnt. Dieser Vorschlag findet jedoch wenig Zustimmung von der ohnehin streitlustigen Ärztekammer in Wien.
Dr. Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident der Kammer, äußert seine Sorge über die mögliche Verankerung dieser „DDR-Fantasien“ im politischen Denken. Ferenci betont, dass dies eine scheinbar einfache, kostenfreie Lösung für die Politik darstellt, die sich in der Realität jedoch als komplex erweist.
Juristisches Gutachten
In einem juristischen Gutachten, das von der Ärztekammer Wien in Auftrag gegeben wurde, kommt der Verfassungsexperte und Medizinrechtsspezialist, Karl Stöger zu dem Schluss, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Tätigkeit als Arzt im öffentlichen Gesundheitswesen gegen mehrere Grund- und Freiheitsrechte sowie gegen Europäische Rechte verstößt. Des Weiteren argumentiert er, dass die einzige Lösung eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und eine Aufwertung des kassenärztlichen Bereichs darstellt.
Einige Bundesländer in Österreich greifen bereits auf finanzielle Anreize zurück, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken. Beispielsweise bietet das Burgenland Gehaltspakete für Ärzte von 140.000 Euro Brutto-Jahresgehalt am Karrierebeginn und 200.000 Euro zum Ende der Karriere an. Niederösterreich fördert Medizinstudenten, die sich dazu verpflichten, nach ihrem Abschluss im niedergelassenen Bereich oder in einem Landesklinikum zu arbeiten.
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Laut dem Europarechtsexperten Walter Obwexer und dem Verfassungsjuristen Peter Bußjäger gibt es kein rechtliches Problem bei freiwilligen Verpflichtungen. Sollte es zu einer Notlage aufgrund eines Ärztemangels kommen, wären auch Zwangsverpflichtungen möglich. Sie sind sich einig, dass es in dieser Angelegenheit rechtlichen Spielraum gibt.
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