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COVER-STORY

Blackout: Mehr als ein Stromausfall?

Michael Studer: „Beruflich ist es meine Aufgabe, ein Blackout mit allen Mitteln zu verhindern.” (FOTO: zVg.)

Von welchen Stromversorgungsquellen ist Österreich abhängig?
Das ist eine ganz schöne prekäre Frage. Physikalisch sind alle Stromeinspeisungen gleichwertig zu betrachten. Der physikalische Bezug des Kunden hängt somit von Impedanzen ab. Im europäischen Stromnetzverband (ENTSO-E) gibt es einen Mix aus unterschiedlichen Energiequellen. Seit der Liberalisierung leistet Österreich einen Beitrag in Form einer Bilanz mit Großteiles erneuerbaren Energien. Durch die behördlich vorgeschriebene Strompreiskennzeichnung auf der Abrechnung, weiß jeder Haushalt, welchen Strommix er bezieht.

Kann man in Österreich eventuell andere Energiequellen verwenden?
Hier ist die Frage, was „andere Energiequellen” bedeutet. Wir haben in Österreich das Glück, dass viele Ideen entstehen, welche den Energiehunger unserer Zeit mit erneuerbaren Energiequellen deckt. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir geografisch die Möglichkeit haben, die Bewegungsenergie des Wassers zu nutzen. Windenergie ist nicht ganz so zuverlässig nutzbar wie bei Offshore-Anlagen und bei Photovoltaik stört bei uns leider zu oft der Hochnebel. Im Großen und Ganzen gibt es in verschiedenen Forschungen hervorragende Ideen wie Strombojen, Strohpyrolyse, Heliotube und vieles mehr, um nachhaltig elektrische Energie zu nutzen.

(FOTO: KOSMO, Quelle: www.saurugg.net)

Gibt es Maßnahmen, die eingeführt werden können, um einen Blackout zu verhindern?
Selbstverständlich tun die Mitarbeiter der Energieversorgungsunternehmen alles in ihrer Macht Stehende, um ein Blackout zu verhindern. Es ist das grundlegende Interesse der Stromnetzbetreiber, die Kunden mit Energie zu versorgen. Seit der Strommarktliberalisierung achten hier auch mehrere Akteure mit unterschiedlichen Interessen darauf. Das inkludiert nicht nur den behördlichen Regulator und die Netzbetreiber, sondern auch die mannigfaltigen Erzeuger, welche verschiedenste Erzeugungsformen repräsentieren und somit in Konkurrenz stehen. Ich arbeite für einen Netzbetreiber und weiß, dass unheimliche viele Maßnahmen seit Beginn der elektrischen Energieversorgung getroffen wurden, um einen Blackout zu verhindern.
Es gibt verschiedene Interessensgruppen und keine davon hat wirtschaftlich oder – soviel ich weiß – politisch Interesse an einem Blackout. Die Kosten für die Volkswirtschaft wären verheerend. Ein Blackout ist das Ergebnis vom Zusammentreffen mehrerer – und das möchte ich betonen – internationaler Störungen des Stromnetzes.

Unheimliche viele Maßnahmen wurden seit Beginn der elektrischen Energieversorgung getroffen, um einen Blackout zu verhindern. Keine Interessensgruppe hat einen Nutzen davon.

Michael Studer

Offizielle Behörden sprechen von einem Blackout bis 2025. Wie kann man das vorhersehen?
Ganz ehrlich: Gar nicht! Es ist „nur” eine Wahrscheinlichkeit. Ich würde es mit einer Wettervorhersage vergleichen. Wenn es zu 80 Prozent wahrscheinlich ist, dass es regnet, dann habe ich 20 Prozent Wahrscheinlichkeit trocken, nach Hause zu kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Behörde die Prognose stellt oder die Verantwortung einer solchen Prognose übernehmen würde. Was die Behörden meinen, ist, dass es ein gewisses Risiko, kombiniert mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit, gibt. Die Risikoabschätzung ändert sich mit der Energiewende zu den erneuerbaren Energien. Das ist gemeint, in den Publikationen der Medien. Ich muss offen gestehen, dass ich nichts von einer erhöhten Eintrittswahrscheinlichkeit gehört habe. 2025 klingt mir hier zu deterministisch bzw. zu absolut. Das europäische Stromnetz, also das synchrone und damit zusammenhängende Stromnetz, wächst seit den 1990er Jahren. Es gibt so europaweit viele beteiligte Organisationen. Das eigentliche Problem liegt darin, dass wir Menschen keinen Sinn und kein Gespür für eine Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Deshalb fühlt es sich unangenehm an. Aufpassen muss man nur, dass es nicht zur Selbsterfüllenden-Prophezeiung wird, ähnlich wie die Situation rund um die Versorgung mit Toilettenpapier beim ersten Lockdown.

Für den Staat wäre der Blackout volkswirtschaftlich gesehen wahrscheinlich eine größere Katastrophe als die Corona-Pandemie bisher.

Michael Studer

Welche Schäden bzw. Folgen, können durch einen Blackout entstehen? Sowohl für den Staat als auch für seine Bürger?
Hier ist die Skala nach oben offen. Strom wird immer mehr zur Hauptenergiequelle. Das ist bisher nicht so, da Wärme für Industrieprozesse oder für zu Hause andere Energiequellen nutzen. Auch die Elektromobilität versinnbildlicht diesen Wandel vom Verbrennen zur elektrischen Energie. Aus beruflicher Sicht weiß ich, dass der Schaden für Bürger und Industrie in die zig Milliarden Euro gehen wird. Für den Staat wäre es wahrscheinlich volkswirtschaftlich gesehen eine größere Katastrophe als die Corona-Pandemie bisher.

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