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Heimatgefühl

Immobilien am Balkan – ein Blick in die Zukunft

Symbolfoto. iStock/filmfoto
Symbolfoto. iStock/filmfoto

KOMMENTAR

Neben den Teuerungen für Gas, Wasser, Strom und den alltäglichen Dingen des Lebens, klettert der Immobilienpreis in Österreich munter die Inflationsleiter hoch. So berechnete die Statistik Austria heuer einen Quadratmeterpreis von durchschnittlich 3.889 Euro für Eigentumswohnungen und 2.578 Euro für Wohnhäuser.

Angesichts der steigenden Immobilienpreise lässt sich Eigentum in Österreich nur noch schwer aufbauen. Aber auch als die Immobilienpreise in ungeahnte Höhen schossen, konnten sich manche trotzdem noch ihr Glück vom Eigenheim erfüllen. Erst mit den neuen Kreditvergaberichtlinien, die seit 1. August gelten, hat sich die Sichtweise auf den Markt geändert. Nun ist es nur noch für gut situierte Bürger möglich, sich den Lebenstraum vom eigenen Haus abseits von Mietzahlungen zu erfüllen. Wie sieht die Lage für Migranten aus? Wie entwickelt sich der Immobilienmarkt und die Wirtschaft in Österreich, wenn in einigen Jahren, grob geschätzt, eine halbe Million Einwanderer, beschließen ihre Immobilien doch lieber in ihrem ursprünglichem Heimatland zu erwerben?

Heimatgefühl

Die erste Generation – der Migranten vom Balkan (Gastarbeiter der 60er und 70er) – kam nach Österreich, um sich und den Nachkommen etwas aufzubauen. Allerdings nicht in Österreich, sondern in der Heimat. Den Traum von der ruhigen Pension im Überfluss träumten viele der vom Balkan stammenden Menschen, als sie die Grenze zu Österreich überschritten.

Selten hatten sie Glück und es kam so, wie sie es sich immer ausgemalt hatten: ein Haus in der Heimat, eine Pension aus einem mitteleuropäischen Staat und die Kinder, zogen – ohne zu murren – mit in eine Heimat, die ihnen selbst fremd war.

Häufiger machten ihnen die zweite und dritte Generation der Gastarbeiter- und Migrantenkinder einen Strich durch die Rechnung: warum in ein Land ziehen das man nur vom Urlaub kennt? Fernab von allem was man liebt? Ein Zuhause, das man für sich selbst gerade erst definiert hat. Ein Disput entwickelte sich.

So könnte man durchaus objektiv behaupten: die nachkommenden Generationen, die vom Balkan stammen, wollen dauerhaft in Österreich ansässig werden. Sie wollen in Österreich Häuser bauen, ins Sozialsystem einzahlen und gut integriert in einem Staat leben, den sie als Heimat betrachten. Und obgleich sie ihres Ursprunges bewusst sind, wünschen sie sich für ihre eigenen Kinder nichts anderes, als das was sie kennen und was sie gewohnt sind. Nämlich Österreich.

Eine bessere Zukunft

So versuchten die gut integrierten Gastarbeiterkinder händeringend ihren Familien eine schönere Zukunft zu schaffen, so wie es wohl nur menschlich ist. Dazu gehört in den einen oder anderen Lebensplan auch eine Immobilie. Sei es zur Befriedigung seiner eigenen Lebensträume oder zur Absicherung der Sprösslinge: ein Haus oder eine Wohnung muss her.

Wie sieht der Gedankengang eines Menschen aus, der jahrelang auf Nichts anderes hingearbeitet hat, als seiner Familie ein Heim zu bieten und dem gesagt wird: mittlerweile unmöglich weil nicht leistbar? Die Prozesse beginnen sich zu verändern. So scheint der Plan vom Eigenheim in Österreich zerschlagen von wirtschaftlichen Finanzprozessen, die das Leben in Europa zu einer Utopie mutieren lassen. Fällt Österreich, ein Land in dem man aufgewachsen ist, ja vielleicht sogar geboren wurde, aus der Liste der Möglichkeiten – was bleibt dann noch? Richtig! Der Balkan.

Balkan als neuer Lebenstraum

Scheinen die Optionen in Österreich geringer zu werden, scheinen auch viele – die das vorher nicht für möglich hielten – an eine andere Zukunft zu denken. Träume ändern sich. Und so freundet man sich mit dem Gedanken an, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten und seinen Ruhestand am Balkan zu verbringen. Dort wo man sich noch ein Haus bauen kann, ohne für den Rest seines Lebens Schulden zu generieren. Dort wo das Leben noch unkompliziert zu sein scheint.

Und wer würde es einem Menschen verdenken, sich in solchen Illusionen zu verlieren? Denn sicher ist, so wie die zweite und dritte Generation der „Jugos“ in Österreich aufwuchs, wachsen auch deren Kinder in einem der Alpenländer auf und bekommen selten etwas von ihrem Ursprungsland mit. Nur der Urlaub, die Feiertage und die Sprache bleiben hängen. Der Rest wird von österreichischen Werten geprägt und der Zwiespalt bleibt haften, bis sie sich selbst entscheiden müssen: ziehe ich in meiner Pension auf den Balkan, wo ich mir ein Haus mit Garten leisten kann, oder bleibe ich in Österreich, obwohl ich hier in einer 50 Quadratmeter-Wohnung zur Miete gefangen bin?

Zukunft in naher Ferne

Bis sich unsere Kinder diese Fragen stellen, dauert es gewiss noch eine Zeit. Doch sieht man sich die aktuelle Lage des Immobilienmarktes an, kann man sich sicher sein, dass viele Menschen versuchen werden, ihre Träume irgendwo anders zu verwirklichen. Der Markt in Bosnien ist zur Zeit – und war er schon immer – günstig: ein Einfamilienhaus im guten Zustand zu 160 Quadratmetern mit 3000 Quadratmetern Grundfläche kostet dort durchschnittlich 70.000 Euro. Unvorstellbar für jemanden, der seit Jahren die österreichischen Immobilienanzeigen abklappert.

Zwischen zwei Welten

Neue Träume werden aus der Not heraus geboren und so werden die kommenden Generationen der „Jugos“ wieder gezwungen sein, zwischen zwei Welten zu leben, weil sie sich die Träume in ihrer Wunschdestination Österreich nicht leisten können.

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Sandra Plesser
Als zweites Kind jugoslawischer Gastarbeiter wurde Sandra in Wien geboren und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Redakteurin bei Advanced Photoshop, mokant und Der Standard baute sie mittels Weiterbildungen ihr Wissen im Bereich Social Media-, Content- und Veranstaltungsmanagement aus. Nach drei Jahren in der Eventorganisation widmet sie sich bei KOSMO wieder ihrer Passion: dem Journalismus.