Fünf Deutsche sterben in den Südtiroler Alpen, als eine Lawine sie kurz vor dem Gipfel erfasst. Zwei Bergsteiger überleben das Unglück an der Vertainspitze.
Bei einem der verheerendsten Lawinenunglücke der letzten Jahre kamen am Samstag fünf deutsche Bergsteiger aus Bayern in Südtirol ums Leben. Eine siebenköpfige Gruppe hatte sich am Samstagmorgen auf den Weg zur 3545 Meter hohen Vertainspitze gemacht. Die Bergsteiger waren in drei Seilschaften unterwegs – eine mit drei Personen und zwei mit je zwei Personen. Das Unglück ereignete sich nach Angaben der Bergwacht kurz vor 16 Uhr in der Nordwand etwa 300 Meter unterhalb des Gipfels auf einer Höhe von rund 3200 Metern.
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Nach Einschätzung von Experten könnte die am schnellsten aufsteigende Zweierseilschaft die Lawine ausgelöst haben. Es handelte sich dabei um eine 17-Jährige und ihren 46-jährigen Vater. Italienischen Medienberichten zufolge versuchten beide noch, ihre Begleiter durch Rufe zu warnen. Fünf Alpinisten wurden von den Schneemassen begraben und starben, zwei Personen überlebten das Unglück.
Die Todesopfer stammten aus Bayern, wie ein Sprecher der italienischen Finanzpolizei in Bozen dem SPIEGEL bestätigte. Die Lawine erfasste zunächst die 17-Jährige und ihren 46-jährigen Vater in der vordersten Seilschaft. Dahinter wurde die Dreierseilschaft von den Schneemassen getroffen – ein 58-jähriger Mann, sein 21-jähriger Sohn und dessen gleichaltrige Freundin.
Die dritte Seilschaft bestand aus zwei 50-jährigen Männern. Sie befanden sich offenbar am Rand der Nordwand und wurden nicht von der Lawine erfasst. Sie alarmierten die Rettungskräfte, die die Leichen der Dreierseilschaft rasch entdeckten. Die 17-Jährige und ihr Vater galten zunächst als vermisst. Die Einsatzkräfte setzten Wärmebildkameras und Drohnen ein und bargen die beiden Leichen am Folgetag.
Der 58-Jährige und sein Sohn waren laut Polizeiangaben in Kempten beheimatet, die Partnerin des Sohnes stammte aus Lechbruck am See. Die beiden unverletzten Bergsteiger kommen aus München.
Das Auswärtige Amt teilte mit, die deutsche Botschaft in Rom bemühe sich „mit Hochdruck“ um die Aufklärung des Sachverhalts.
Risikofaktoren Vertainspitze
Der Aufstieg zur Vertainspitze wird als langwierig und kräftezehrend, jedoch technisch nicht besonders anspruchsvoll beschrieben. Die Alpinisten waren mit Steigeisen und Eispickeln ausgerüstet. Warum sie am Nachmittag noch den Gipfelanstieg wagten, bleibt unklar. „Ich verstehe das auch nicht“, erklärte Olaf Reinstadler, Sprecher der Bergrettung Sulden. „Die haben extrem lang nach oben gebraucht. Wenn man so spät am Nachmittag noch beim Aufstieg ist, wird das um diese Jahreszeit sehr schwierig. Der Abstieg hätte dann bis in die Nacht gedauert.“ Die Bergsteiger hatten keine Skier dabei.
Im Ortlergebirge war kurz zuvor der erste Neuschnee der Saison gefallen. Nach Auskunft der Bergrettung bestand am Samstag jedoch keine besonders hohe Lawinengefahr – Warnstufe zwei von fünf war ausgerufen. „Die Lawine war selbst für relativ erfahrene Alpinisten nicht vorhersehbar. Die Gefahr hätten höchstens ausgesprochene Experten erkennen können“, zitiert die „Bild“-Zeitung Reinstadler: „Das Wetter war gut, die getöteten Bergsteiger hatten alle eine gute Ausrüstung dabei.“
Mögliche Unglücksursache
Die genaue Ursache der Lawine ist noch ungeklärt. Reinstadler äußerte gegenüber dem italienischen Sender Rai News eine Vermutung: Die Alpinisten hätten möglicherweise den Schnee in den höheren Lagen unterschätzt. Dort habe vermutlich Triebschnee (windverwehter Neuschnee) gelegen – vom Wind zusammengewehter Schnee, der so frisch war, dass er nur lose mit tieferen Schneedecken verbunden war. Wenn man mit den Schuhen etwas tiefer in den Schnee einsinke, denke man nicht daran, dass der eingeblasene Schnee und das Eis darunter sich noch nicht gebunden haben, erklärte Reinstadler: Unter solchen Bedingungen könne sich ein Schneebrett lösen.
Die Vertainspitze beim Bergdorf Sulden ist wegen ihrer Panoramaaussicht aus mehr als 3500 Meter Höhe ein beliebtes Ziel für Bergsteiger. Jährlich erklimmen zahlreiche Alpinisten den Gipfel. Die Nordwand gilt als „hochalpine Eistour“, für die Seil und komplette Eiskletter-Ausrüstung erforderlich sind.
Das Unglück zählt zu den schwersten in den Alpen der vergangenen Jahre. Im Juli 2022 kamen bei einem Gletscherabbruch an der Marmolata in den Dolomiten elf Bergsteiger aus Italien und Tschechien ums Leben, als sie von einer Eis- und Felslawine verschüttet wurden. Damals wurden zwei Deutsche verletzt. Als Hauptursache für jenes Unglück gelten hohe Temperaturen, die zu einer Wasserschicht unter dem Gletscher führten.
Südtirol ist bei deutschen Urlaubern ganzjährig ein äußerst beliebtes Reiseziel. Der höchste Berg der Region ist der Ortler mit 3905 Metern. In den italienischen Alpen verloren nach Angaben der Bergrettung bis Ende August dieses Jahres etwa hundert Menschen ihr Leben. Seit einiger Zeit sind deutlich mehr Bergsteiger in den Dolomiten und anderen Gebirgszügen unterwegs als in früheren Jahren.
Häufige Unfallursachen sind mangelnde Vorbereitung und fehlende Erfahrung.
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