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REPORTAGE

Beichte einer unglücklichen Mutter

Immer größere Schwierigkeiten mit dem Sohn

Mirela erinnert sich im Gespräch mit dem Magazin KOSMO an die neuen Probleme, die mit ihrem Sohn auftraten. Zu Hause malträtierte er noch immer seine kleine Schwester, aber gegenüber der Mutter war er verwunderlicherweise noch immer brav. Worum auch immer sie ihn bat, er tat es, außer wenn es um sein Verhalten gegenüber anderen Menschen ging. Er half ihr bei der Hausarbeit, ging einkaufen, seine Schulnoten waren makellos, aber wenn sie mit ihm über seine Ausfälle sprach, die er sich erlaubt hatte, wunderte er sich und fragte, was das Problem sei.

 „Ich muss dazu sagen, dass Lule mehrfach die Schule gewechselt hat. Die Experten meinten, das könnte helfen, aber mir schien, dass es die gegenteilige Wirkung hatte.

Wenn er in einer neuen Umgebung war, verlor er ganz die Kontrolle über sich. Er wählte sich Buben, die größer waren als er, und griff sie an.

Wenn er unterlag, wurde er unglaublich rachsüchtig, als hätte nicht er mit dem Kampf angefangen. Dann versöhnte er sich mit ihnen und fing von neuem Streit und Schlägereien an. Ich bat ihn, sich zu beruhigen, sagte ihm, dass er mir ernsthafte Probleme damit machte, aber er überzeugte mich, dass das nicht seine Schuld sei, sondern dass er das Opfer gewesen sei. Mein armes Kind hatte ein vollkommen verdrehtes Verhältnis zur Wahrheit. Nach Anzeigen aus der Schule wurde ich ins Jugendamt eingeladen und ermahnt, dass es so nicht weiterginge, aber ich war ohnmächtig und das gestand ich auch ein. Einmal nahmen sie ihn von zu Hause fort und er war einen Monat lang im Krisenzentrum, aber dann brachten sie ihn zurück, denn auch sie wurden nicht mit ihm fertig“, berichtet Mirela.

Als er zwölf Jahre alt war, hatte der Bub eine Gruppe von Kindern um sich geschart, die ähnlich waren wie er und sich selbst als Anführer sahen. Das war eine Zeit, in der er in der Schule ruhiger wurde. Seine Noten waren noch immer gut und die Lehrer atmeten auf. Aber dann begann er, auf der Straße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Parks Probleme zu machen und zu stehlen.

 „Wenn ich in der Arbeit war, ging Lule nach der Schule nicht heim, sondern zog mit seinen Freunden draußen herum. In der Gruppe waren auch ältere Kinder, aber er wollte sich in der Rolle des größten Banditen behaupten. Einmal trafen sie auf zwei ältere Menschen, die sich an den Händen hielten, und als er im vollen Lauf zwischen sie rannte, stürzte die Dame und verletzte sich. Ein anderes Mal stieß er eine Mutter mit einem Kind um und das Kind zog sich beim Fallen eine Schürfwunde zu. In den öffentlichen Verkehrsmitteln setzte er sich immer wieder auf die Plätze für Ältere oder Schwangere oder auf die Sitze für Mütter mit Kinderwägen. Wenn ihn dann jemand bat aufzustehen, begann er zu streiten und zu drohen, wobei ihn seine Clique unterstützte. Das ging so, bis der Fahrer stehenblieb und die Polizei rief. In den öffentlichen Verkehrsmitteln beging er auch Taschendiebstähle und es schien so, als würde er es genießen, wenn er erwischt wurde. In den drei Jahren, bevor er fünfzehn Jahre alt wurde, wurde ich sehr oft von einer Polizeistation angerufen, in die man ihn mit seiner ganzen Gruppe gebracht hatte. Bei den Befragungen trat er immer als Organisator und Anführer auf. Ich wusste, dass es darauf hinauslief, dass er im Gefängnis landen würde, und ich bat ihn unter Tränen, damit aufzuhören, und erklärte ihm, was ihn erwartete, aber alles war umsonst. Seine Verstöße wurden alle aufgezeichnet. In der Schule wurde er erneut ausfällig gegen Schüler und Lehrer. Er zündete sich in den Stunden Zigaretten an und reagierte höhnisch auf Ermahnungen. Mein Lule ebnete sich langsam, aber sicher den Weg ins Jugendgefängnis und ich war ohnmächtig und konnte ihn nicht davor bewahren“, erzählt die unglückliche Mutter weiter.

Das Gefängnis hilft nicht

Gleich nach seinem fünfzehnten Geburtstag wurde der Bub beim Diebstahl in einem Supermarkt erwischt. Der Versuch, ihn ins Büro zu führen, endete damit, dass er wütend wurde und Flaschen zerbrach. Natürlich wurde sofort die Polizei gerufen und er wurde gemeinsam mit zwei Freunden abgeführt.

 „Ich wurde angerufen, in die Polizeistation zu kommen, wo man mir berichtete, was mein Sohn getan hatte, und mir auch die Videoaufnahme zeigte. Ich wusste, dass er diesmal ins Gefängnis gehen würde, und bei Lule sah ich damals zum ersten Mal Furcht in seinen Augen. Ich sagte ihm ruhig, ohne Tränen, dass ich ihm nicht helfen könne und dass er jetzt für seine Dummheiten zahlen müsse. Als sie ihn abführten, brach es mir das Herz, aber tief in meinem Herzen hoffte ich, dass ihn das zur Vernunft bringen würde. Und wirklich war es, als sei er zu sich gekommen.

Im Gefängnis war er ruhig. Was ich jetzt sage, klingt schrecklich, aber irgendwie habe ich aufgeatmet, denn ich wusste, dass er, solange er in Haft war, keinen Blödsinn machen konnte.

Endlich konnte ich mich um meine Tochter kümmern, die ihr ganzes Leben lang ein Opfer ihres Bruders gewesen war. Damals meldete sich auch mein Ex-Mann mit Vorwürfen, ich sei eine schlechte Mutter, weil ich unseren Sohn nicht so erzogen hätte, wie es sich gehört. Zum ersten Mal sagte ich ihm alles, was er verdiente, denn alle Psychologen und Pädagogen hatten gesagt, dass mein Sohn durch die Gewalt in der Familie in seiner frühen Kindheit ein schweres Trauma erlitten habe und dass das zu einer dauerhaften Schädigung seiner Psyche geführt habe. Dennoch hoffte ich während der sechs Monate, die er im Gefängnis verbrachte, auf Besserung“, erinnert sich Mirela an den ersten Gefängnisaufenthalt ihres Sohnes.

Als er aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte der Bub seine Orientierung komplett verloren. Er kam wieder mit seinen älteren Freunden zusammen, ging nicht in die Schule und kam nur noch nach Hause, um sich zu duschen und etwas zu essen. Die Polizei hatte ein Auge auf ihn, aber das hinderte ihn nicht daran, im Park auf zwei Mädchen loszugehen, sie zu schlagen, ihre Handys wegzunehmen und davonzurennen. Natürlich wurde er schnell im Keller eines Gebäudes gefasst und landete erneut im Gefängnis.

„Dieses Mal engagierte ich einen Anwalt, obwohl ich nicht sicher war, dass das meinem Sohn helfen konnte. Denn er begann auch im Gefängnis sich mit anderen Gefangenen zu schlagen, ihnen Essen und Kleidung zu stehlen und, wenn er in der Isolationszelle landete, Polizisten zu beschuldigen, sie würden ihn schlagen. Er blieb trotz Videoaufnahmen bei diesen Behauptungen und meinte, alle seien gegen ihn. Ich besuche ihn, spreche mit ihm und bitte ihn, zur Vernunft zu kommen. Wenn ich bei ihm bin, wird er zu einem anderen Menschen und spricht sehr nett mit mir. Einmal fragte er mich, ob sein Vater ihn auch besuchen würde. Ich versuchte ausweichend zu antworten, aber er schluchzte und weinte schrecklich und sagte, er hätte schon immer gewusst, dass sein Vater ihn hasst. Er erwähnte einige Szenen aus seiner Kindheit, als Alen grob zu ihm war, als er ihn ohrfeigte und dann mich schlug. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich bin verzweifelt… Ich möchte meinen Sohn frei, gesund und munter sehen, aber ich fürchte, nach seiner Entlassung wird er genauso weitermachen wie bisher. Ich mache mir Vorwürfe, weil ich mich nicht gleich nach den ersten Ohrfeigen meines Mannes habe scheiden lassen, denn hätte ich das getan, dann wäre mein Kind heute wahrscheinlich gesund und auf einem guten Wege. So weiß ich nicht, wie es mit ihm weitergehen soll. Ich fürchte das Schlimmste“, beendet die Mutter ihre Geschichte unter bitteren Tränen.