Start Balkan
VERLASSEN

Ganz allein: Oma lebt mit 200 Euro Pension in einem abgelegenen Dorf

(FOTO: zVg,)

Vesela Milovanovic Lela aus dem Dorf Lece in der Gemeinde Medvedja in Serbien starb im Alter von 51 Jahren an Krebs und hinterließ ihrer Mutter Schmerz und Trauer. Diese Geschichte von Anica Milovanovic ist eine Geschichte jeder Mutter, die ihr Kind verloren hat und allein in vier Wänden gelassen wurde.

„Lela hat den Haushalt geführt, sie hat nie geheiratet. Mein Mann war Alkoholiker und sie hat das alles miterlebt und gesehen. Sie wollte gar nicht heiraten. Wir haben es alleine geschafft, sie hat studiert. Sie war mein „Sohn“ und lebte ohne Vater. Ich habe keinen Sohn, keinen Bruder, ich habe niemanden“, beginnt Anica Milovanovic ihre traurige Geschichte für Jugmedia und streichelt Lelas Foto unter Tränen.

Die 85-jährige Anica wurde nie vom Leben verwöhnt, ihr Vater wurde im Krieg getötet, ihre beiden Töchter wuchsen mit ihrem ersten Ehemann auf, der bald starb, und der zweite Mann missbrauchte sie. Ihr größter Schmerz ist der Verlust ihrer Tochter. Früher, sagte sie, war sie eine starke Frau, doch heute nennt sie sich eine Märtyrerin. Allein im Haus, wo jede Ecke Erinnerungen an ihre verstorbene Tochter ausstrahlt.

Und während sie ihre Fotos zeigte, erinnerte sie sich, dass sie 1965 zu Radomir, einem Witwer mit zwei Töchtern, gezogen ist und ein Mädchen mitgebracht hat, weil zwei bei ihrem ersten Mann geblieben sind. Sie kümmerte sich um alle drei Töchter gleichermaßen. Mit Radomir hatte sie eine weitere Tochter, Lela. Sie war keine Stiefmutter, sagt sie, sie war eine Mutter. Doch heute, sagte sie unter Tränen, gibt es niemanden, der sie besucht.

„Ich kümmerte mich um seine acht Monate alte Tochter, ich liebte sie wie mein eigenes Kind. Ich brachte noch meine eigene Tochter mit, die anderen zwei blieben bei meinem Ex-Ehemann, der später starb. Ich habe sie nie von meinen Kindern getrennt, außerdem habe ich sie mehr bemitleidet, weil ihre Mutter gestorben ist. Ich kann der einen Tochter nicht böse sein, weil sie arbeitet. Doch sie besucht mich nie, weder sie noch ihre Töchter“, erinnerte sie sich an die Vergangenheit, während sie über die schmerzhafte Gegenwart spricht.

Heute lebt die Großmutter Anica von 200 Euro Rente ihres Mannes in der Wohnung, die er der verstorbenen Lela hinterlassen hat, aber ihr Einkommen reichte nicht aus, um die Bestattungskosten zu decken, also musste sie sich verschulden.

„Ich habe ihr ein Denkmal setzen lassen, für 2.000 Euro, und alles bezahlt, z.B. zwei Transporter für je 100 Euro. Ich habe etwa 1.000 Euro an Nebenkosten für die Beerdigung ausgegeben. Ich möchte noch vor meinem Tod diese Schulden zurückzuzahlen“, betonte diese traurige alte Frau.

Die Seniorin blieb einsam und allein zurück

Ihre Lela hat 27 Jahre in der serbischen Armee gearbeitet, aber sie wollte zu ihr nach Hause kommen, in der Mine „Lece“ arbeiten und das Leben mit ihrer Mutter verbringen. Die Großmutter Anica hofft das jetzt aufgrund ihrer Verdienste und den Auszeichnungen, die sie erhielt, ihr die Armee finanzielle Unterstützung gewähren würde, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Sie will auch ihre Tochter im Grab nicht entwürdigen, weil sie sich Geld borgte.

„Ich habe nie jemanden um Geld gebeten. Ich habe keinen Sohn, Bruder oder Ehemann, aber ich bin nie zur Gemeinde gegangen, um Hilfe zu bekommen. Meine Tochter wollte das nie und sie war nicht jemand, der öffentlich zeigte, was sie in der Armee erreichte. Sie hat aber den Job in der Mine dank des Gemeindepräsidenten Dragan Kulic bekommen. Ich habe noch nie einen besseren Menschen getroffen. Ich habe jedoch nie nachgefragt, sondern er hat mich angerufen und ihr den Job angeboten. Nach ihrem Tod hat die Mine mir zweimal ca. 590 Euro geschenkt sowie ihre Kollegen“, sagte die Großmutter Anica.

Ihre Töchter waren bei der Bestattung von Lela dabei. Als wir sie fragten, ob sie ihr helfen, antwortete die Mutter wie jede andere Mutter antworten würde: „Sie können mir nicht helfen. Wer kann noch heutzutage irgendjemandem helfen. Ich habe eine Rente von 200 Euro, ich jammere nicht. Als ich konnte, strickte ich z.B. Socken und verkaufte sie.“

 „Eine meiner Töchter ist im Kosovo und sie ist im Ruhestand, sie ist auch nicht bei guter Gesundheit. Sie können aber selbst sehen, wie dort die Situation ist. Die andere Tochter wurde in Krusevac operiert und geht jetzt zur Untersuchung, und die Tochter, die allein in Belgrad ist und im Zentrum eine Dreizimmerwohnung hat, ist jetzt bei ihrer Tochter in Amerika. Wenn sie herkommt, dann arbeitet sie. Sie kommt manchmal nur für zwei Tage und hat keine Zeit. Sie waren alle bei der Beerdigung. Ich habe nur ein Enkelkind und ein Stiefenkelkind. Das ältere ist eine großartige Person, doch ihr Mann ist gestorben, sie ist in Slowenien, und wenn immer sie nach Serbien kommt, besucht sie mich. Bei der Tochter, die mir am nächsten ist, weiß ich nicht, was los ist. Ihre Tochter, also meine Enkelin, war nicht einmal hier, um Lela zu besuchen, doch sie liebte sie sehr. Zuerst schickte sie ihr Nachrichten, solange sie konnte, dann weinte sie um sie. Sie starb mit dem Wunsch, sie zu sehen“, erklärte die Großmutter und eine Mutter, die keines ihrer Kinder verurteilt.

Sie weist darauf hin, dass sie nicht wütend ist, obwohl die Wohnung, in der sie lebt, ihrem Enkel aus Medvedja gegeben wurde, den Lela am meisten liebte, weil sie keine eigenen Kinder hatte.

Sie nahm dann noch einmal Lelas Foto, küsste es und sagte, dass sie wünsche, sie wäre nicht mehr am Leben, denn das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, ist es, sein eigenes Kind zu verlieren.

„Gott hat mich noch nicht zu sich gerufen. Ich habe mich zweimal darauf vorbereitet. Ich nahm eine Decke und ein Kissen und ging zum Friedhof, damit die Wölfe mich fressen. Ich kann nicht leben, wenn ich niemanden habe, der mich fragt, ob ich was gegessen oder Medikamente genommen habe. Meine Kinder waren stolz auf mich und ich war stolz auf sie, aber jetzt habe ich niemanden und nichts. Ich habe Töchter, doch sie haben ihre eigenen Probleme, ihr eigenes Leben“, erklärte die Seniorin Anica.

Sie geht nicht zum Arzt, weil sie keine Möglichkeit hat, hinzufahren. In diesem Dorf fährt nur der Schulbus. Ein Taxi kostet fast 7 Euro, was sie sich nicht leisten kann, wenn man bedenkt, dass sie von 200 Euro lebt und im Durchschnitt 50 Euro Ausgaben hat. Jetzt spart sie Geld für ihre eigene Beerdigung.

Töchter schockiert

Die nächsten Angehörigen behaupten etwas anderes. Kurz nach der Veröffentlichung der Geschichte über Oma Anica meldete sich eine ihrer Töchter aus Amerika bei „Jugmedia“ und sagte, dass alles, was ihre Mutter gesagt hatte, nicht wahr sei.
„Sie erzählt das aus Trauer und Verzweiflung. Sie ist nicht in finanzieller Notlage und hat keine Schulden, das ist nicht wahr. Wir lieben sie alle und besuchen sie ständig. Sie war letzten Sommer einen Monat bei meiner Schwester, sie kann Zeit mit uns allen verbringen, aber sie will nicht. Wir respektieren sie sehr und passen auf sie auf. Wir bemühen uns, dass es ihr an nichts fehlt. Wenn Sie uns nicht glauben, fragen Sie die Nachbarn“, sagte die Tochter und bricht in Tränen aus.