Nach dem Tod von Papst Franziskus beginnt das große Rätselraten um seinen Nachfolger. Unter den Favoriten: ein machtbewusster Italiener, ein asiatischer Hoffnungsträger und mehrere Überraschungskandidaten.
Nach dem Tod von Papst Franziskus rückt nun die Wahl seines Nachfolgers in den Mittelpunkt. Die Entscheidung liegt in den Händen von 135 Kardinälen unter 80 Jahren, während mehr als 100 ältere Kardinäle aufgrund der Altersgrenze nicht teilnehmen dürfen. Obwohl etwa zwei Dutzend Kandidaten als „papabile“ (papstfähige Kandidaten) gelten, bleibt die Wahl besonders offen, da Franziskus viele Kardinäle aus entfernten Regionen ernannt hat, die einander weniger gut kennen. Trotz dieser Ungewissheit – passend zum alten Sprichwort „Wer als Papst ins Konklave (Papstwahlversammlung) hineingeht, kommt als Kardinal heraus“ – zeichnet sich bei Wettanbietern bereits ein Favorit ab: ein Italiener.
Der 70-jährige Pietro Parolin aus Norditalien gilt als aussichtsreichster Kandidat. Seit über einem Jahrzehnt bekleidet er als Kardinalstaatssekretär die zweithöchste Position im Vatikan. Franziskus ernannte ihn kurz nach seiner eigenen Wahl, und Parolin führte seither loyal die Geschäfte, vertrat den Papst auch während dessen Krankenhausaufenthalten. Der machtbewusste Diplomat und promovierte Kirchenrechtler wird im kommenden Konklave ohnehin eine zentrale Rolle spielen: Da sowohl der Dekan des Kardinalskollegiums als auch dessen Stellvertreter die Altersgrenze überschritten haben, wird Parolin als ranghöchster Kardinal die Wahlversammlung in der Sixtinischen Kapelle leiten.
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Als weiterer Favorit wird Luis Antonio Tagle gehandelt. Der 67-jährige frühere Erzbischof von Manila lebt seit einigen Jahren in Rom, wo er 2019 von Franziskus zum Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ernannt wurde. Tagle wird als aussichtsreichster Kandidat für den ersten asiatischen Papst betrachtet. Wie Franziskus setzt er sich für eine Kirche an der Seite der Armen ein und vertritt in Fragen der Abtreibung und Empfängnisverhütung konservative Positionen.
Europäische Kandidaten
Pierbattista Pizzaballa wird als Außenseiter gehandelt. Der 60-jährige Italiener aus der Nähe von Bergamo leitet als Patriarch von Jerusalem eine der komplexesten Diözesen weltweit. Im Geburtsland Jesu Christi versucht der Franziskaner, im Nahost-Konflikt als Brückenbauer zu wirken. Sein vergleichsweise junges Alter könnte sowohl Vor- als auch Nachteil sein.
Der 69-jährige Matteo Zuppi zählt als Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz zu den zentralen Figuren im Vatikan. Der bestens vernetzte Bischof aus Bologna fungiert seit fast drei Jahren als päpstlicher Sondergesandter im Ukraine-Konflikt – bislang ohne durchschlagende Erfolge. Mehrfach war sein diplomatisches Geschick gefragt, wenn Franziskus mit kontroversen Äußerungen, etwa zum Ukraine-Krieg, für Schlagzeilen sorgte.
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Der ungarische Kardinal Peter Erdő wird unter den konservativen Kirchenmännern als möglicher Kandidat gehandelt. Der 72-jährige Erzbischof von Esztergom-Budapest pflegte eine enge Beziehung zu Benedikt XVI. und betrachtete Franziskus‘ Reformbemühungen mit Skepsis. Konservative Kardinäle, die eine Abkehr vom progressiven Kurs des verstorbenen Papstes anstreben, setzen auf den Ungarn. Erdő wurde 2000 Weihbischof, 2002 von Johannes Paul II. zum Erzbischof ernannt und 2003 ins Kardinalskollegium aufgenommen. Er stammt aus einer tief gläubigen Familie und musste miterleben, wie seine Eltern unter dem kommunistischen Regime ihre Berufe nicht ausüben durften.
Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille, wurde 1958 im damals französischen Algerien geboren und wuchs in den Vororten der südfranzösischen Hafenstadt auf. Der volksnahe Kirchenmann teilt viele Charakterzüge mit dem verstorbenen Papst, weshalb manche ihn als „Super-Bergoglianer“ bezeichnen. Diese Ähnlichkeit könnte jedoch gegen ihn sprechen, da aufeinanderfolgende Päpste mit ähnlicher Ausrichtung in der Kirchengeschichte selten sind. Sollte er dennoch gewählt werden, hätte er vermutlich bereits einen Namen parat: Franziskus II.
Jean Claude Hollerich zählt zu den einflussreichsten Männern im Vatikan. Der 66-jährige Jesuit und Erzbischof von Luxemburg sitzt in mehreren wichtigen Dikasterien und leitet die Kommission der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten. Der mehrsprachige Vertraute des verstorbenen Papstes spielte bei der jüngsten Weltsynode als „Generalrelator“ eine zentrale Rolle.
Mario Grech stammt von der winzigen maltesischen Insel Gozo. Der 68-Jährige wurde von Franziskus zum Generalsekretär der Bischofssynode ernannt – eine Schlüsselposition. Grech entwickelte sich vom Konservativen zum Reformbefürworter und gilt als treuer Unterstützer der Agenda des verstorbenen Papstes. Seine offenen Worte zur Einbindung von LGBT-Personen und modernen Familien fanden Anklang bei Franziskus. Der konsensorientierte Kirchenmann sorgte gelegentlich für Kontroversen, etwa mit seiner „Regenwallfahrt“ 2016, die von einer lokalen Zeitung als „Rückfall in prähistorische Zeiten“ kritisiert wurde – allerdings begann es wenige Tage später tatsächlich zu regnen.
Juan José Omella, Erzbischof von Barcelona, führt trotz seines hohen Amtes ein bescheidenes Leben. Der volksnahe Spanier widmet seine kirchliche Karriere der Seelsorge und sozialer Gerechtigkeit. Seine Nähe zu Franziskus zeigt sich in Aussagen wie: „Wir dürfen die Wirklichkeit nicht nur mit den Augen derer sehen, die am meisten haben, sondern auch mit den Augen der Armen.“ Der 1946 im Nordosten Spaniens geborene Kardinal musste sich als ehemaliger Vorsitzender der spanischen Bischofskonferenz mit dem Missbrauchsskandal auseinandersetzen. Er bat um Vergebung, zweifelte jedoch die Zahlen einer unabhängigen Kommission an.
Außereuropäische Anwärter
Fridolin Ambongo Besungu wird als möglicher erster afrikanischer Papst gehandelt. Der 65-jährige Erzbischof von Kinshasa gilt im Vergleich zu europäischen und nordamerikanischen Amtskollegen als konservativ. Als einer der wichtigsten Kirchenvertreter Afrikas kritisierte er die Öffnung für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare scharf und bezeichnete diesen Schritt als „kulturelle Kolonialisierung des Westens“. Besungu zählte zu den prominentesten Kritikern der Erklärung „Fiducia supplicans“ (vatikanisches Dokument zur Segnung homosexueller Paare).
Raymond Burke, 76-jähriger US-amerikanischer Kardinalpriester und ehemaliger Erzbischof von St. Louis, galt als einer der schärfsten Kritiker des verstorbenen Papstes. Der konservative Hardliner lehnte selbst vorsichtige Reformen wie die Segnung homosexueller Paare ab.
Nach öffentlicher Kritik an Franziskus wurden ihm Gehalt, Dienstwohnung und sein Posten als Kardinalpatron des Malteserordens entzogen.
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