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INTERVIEW

RAF Camora: „Ich bin und bleibe ein Westwiener!“

Raf-Camora
„Die hiesige Medienlandschaft kann man meiner Meinung nach mit einer Schülerzeitung gleichsetzen“, so Raf. (FOTO: AMH Photography by Albin Melez)

Berlin – Die Flucht nach Vorn

Mit seinem Umzug nach Deutschland im Jahre 2007 wagte Raf einen enorm wichtigen Schritt in seiner Karrierelaufbahn. Doch nicht nur seiner Musik zuliebe, kehrte er Wien vor elf Jahren fürs Erste den Rücken.

„Links, rechts Politik, ich seh‘ nichts, geh‘ gerade ins Licht“
(Corleone)

„Ich wollte nie politisch sein! Hier haben die Parteien aber ihre Finger gefühlt überall mit im Spiel – in den Musikfonds, bei Konzerten und sonstigen Veranstaltungen. Ich musste handeln – und das habe ich, indem ich meine Sachen gepackt habe und abgehauen bin“, setzt Raf ein Statement.

„In Deutschland hat man logischerweise viel mehr Konkurrenz“
Seine erste Anlaufstelle in Berlin war der Linzer Rapper Chakuza, der damals gerade von keinem Geringeren als der deutschen Hip-Hop-Größe Bushido unter Vertrag genommen wurde. Vorerst nur als Produzent machte sich Raf vor Ort einen Namen, baute sich aber auch trotz seines untypischen Wiener-französisch Akzents, als Rapper schrittweise eine Fangemeinde auf.

„Ich kam allein nach Berlin, konnte den Druck nicht ertragen“
(Donna Imma, Anthrazit)

„In Deutschland laufen einfach andere Kaliber herum. In Österreich macht man sich leichter einen Namen, da wir viel weniger Einwohner haben. Drüben dagegen muss man sich gegen 80 Millionen behaupten“, vergleicht der mittlerweile in Berlin wohnhafte Künstler.

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UNZERTRENNLICH. Schon seit neun Jahren, seitdem ihre Zusammenarbeit begonnen hat, erobern Jasmin Fazlić (Jala Brat) und Amar Hodžić (Buba Corelli) mit ihrem authentischen Sound unaufhaltsam den Balkan und Europa. KOSMO enthüllt euch die private Seite des Duos, aber auch ihre Pläne!

 

Mit besagten musikalischen Schwergewichten misste sich RAF Camora auch zwei Tage vor unserem Interview im Zuge der 27. Echoverleihung in Berlin, in dessen Rahmen er neben seinen deutschen Rap-Kollegen in der Kategorie „Hip-Hop/Urban National“ nominiert wurde. Trotz hitziger Kontroverse rund um die Nominierung von Kollegah und Farid Bang, die aufgrund von Antisemitismus-Vorwürfen von sich reden machten, heimsten sie den Preis letztendlich ein. Wir wollten von Raf wissen, wie er dazu steht…“Meinungsfreiheit hört meines Erachtens dort auf, wo man andere damit verletzt. Egal, ob es um Religion oder sonstiges geht“, erklärt er.

 „Null Interesse für Hass und Intrigen“
(Anthrazit, Anthrazit)

Auch sonst hebt sich der Ausnahmekünstler von anderen aus der Szene unter anderem dadurch ab, dass in seinen Texten keiner seiner Kollegen sein Fett wegbekommt – zumindest nicht namentlich. Ob er einfach ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen pflegt, oder ob dieses Schema andere Gründe hat, wurde schnell Thema. „Was hätte ich davon? Meine Musik läuft auch ohne Beef. Das wäre bloß Stress für nichts“, stellt Camora klar.

„Zehn Jahre schon mein’n Erfolg ignoriert.
Ja, natürlich verletzt es mich, Bruder“

(Vienna, Anthrazit)

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Donnerstagabend fand die 18. Verleihung der Amadeus Austrian Music Awards im Wiener Volkstheater statt. RAF Camora staubte den Preis in der Kategorie Hip-Hop/Urban ab, erschien aber nicht persönlich. Dafür kam sein „kleiner Bruder“…

 

In Österreich erhält das Wiener Aushängeschild aber auch trotz seines Erfolgs nach wie vor nicht die mediale Aufmerksamkeit, die ihm zustünde. Ignoranz, die sich größtenteils auf zwei Faktoren zurückführen lässt. „Zum einen ist dieses Land vermutlich nach wie vor nicht dazu bereit, Rap als Kunstform anzuerkennen, und zum anderen habe ich oft das Gefühl, die österreichischen Medien informieren sich einfach nicht, und haben keine Ahnung, was draußen so abgeht. Die hiesige Medienlandschaft kann man meiner Meinung nach mit einer Schülerzeitung gleichsetzen“, erklärt der Künstler sichtlich geladen.

„Bevor du mich auf Seitenblicke siehst und Amadeus, Amadeus,
chill‘ ich mit Rihanna auf Barbados, auf Barbados“

(Vienna, Anthrazit)

Schon 2013, als Camora mit seinem Album „Hoch 2“ in Deutschland auf Platz 1 ging, und sogar für einen Echo nominiert wurde, schien dies in seiner einstigen Heimat Österreich – zumindest medial – niemanden zu tangieren. „Ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, es hätte mich nicht verletzt – natürlich hat es das. Damals habe ich letztendlich die Reißleine gezogen. Es ist wie mit einem Menschen, der zwei, drei Mal Mist baut. Wenn du weiterhin mit ihm abhängst, nimmt dich irgendwann niemand mehr ernst. Ich habe in meinen Texten bestimmte Dinge gesagt, und zu diesen muss ich jetzt auch stehen“, stellt er als jemand klar, der die Ignoranz der österreichischen Medienlandschaft nur allzu oft zu spüren bekam.

Kurz und knapp
Wann kommt endlich die Bar, die du mit deinen Jungs im 15. eröffnen wolltest?
Die Shisha-Bar ist jetzt im 17. und heißt Essouira. Sie gehört meinem Kumpel Farido.

Werden wir dich jemals in einem Anzug sehen?
Ja, auf jeden Fall. In ein paar Jahren – wenn die Zeit reif ist.

Wie wichtig ist Instagram für deine Karriere?
Instagram ist aktuell das größte Medium, und daher unbeschreiblich wichtig. Wichtiger als jeder TV-Sender.

Fakt ist, dass bislang kein anderer Österreicher es schaffte, zu einer der wichtigsten Figuren im Deutschrap zu avancieren. „Ich bin immerhin einer von wenigen erfolgreichen Rap-Musikern in Wien und repräsentiere immer meine Stadt – und dass dann beispielsweise Puls 4 bei meinem Redbull-Konzert im Februar, das 7.000 Wiener besuchten, ohne Kamerateam antanzt, sagt schon einiges“, so der Produzent.

Was hält die Zukunft parat?
Dass man sich aber auch ohne den Rückenwind der österreichischen Medien nahezu alle musikalischen Träume erfüllen kann, bewies uns jener Wiener, der seit zwei Jahren praktisch nicht mehr aufzuhalten ist. In seinen Texten gibt er sich dennoch reflektiert – fast schon so, als würde er nur darauf warten, dass das Kartenhaus langsam in sich zusammenfällt. Wir wollten von unserem Gesprächspartner wissen, wo wir Raphael Ragucci in zehn Jahren erwarten können.

„Ich wusste, es wird hart, es kam nichts über Nacht“
(Serenade, Anthrazit RR)

„Auf künstlerischer Ebene bin ich dann hoffentlich weiterhin als Produzent und Manager in der Musikindustrie tätig. Viele wissen gar nicht, dass ich in Deutschland eine Managementfirma habe, die einige bekannte Künstler unter Vertrag hat. Ich möchte aber in zehn Jahren auf keinen Fall in dieser Form auf der Bühne stehen, wie ich es jetzt tue. Alles soll authentisch bleiben. Wenn ich mir mein Album ‚Anthrazit‘ anhöre, möchte ich mir keinen 43-jährigen Familienvater vorstellen, der ein Haus mit Blick über Wien hat. Jetzt passt das alles noch zu meinem Lebensstil, aber irgendwann nicht mehr“, bestätigt der Vollblutmusiker genau, wie in anderen Interviews.

„Alles wird enden, drum beginn‘ ich jetzt schon, die Tage zu zählen“
(Primo, Anthrazit)

„Ich will Wien sehen – ununterbrochen! Aus diesem Grund plane ich auch in etwa fünf Jahren wieder hierher zu ziehen“, verrät uns Raf im Interview. (FOTO: AMH Photography by Albin Melez)

Noch müssen wir aber nicht auf die textuellen Ergüsse des Songwriters verzichten. Mindestens zwei weitere Alben verspricht er seinen Fans. „Palmen aus Plastik 2“ kommt vermutlich im Herbst, und 2019 – genau zehn Jahre nach seinem ersten Album „Nächster Stopp Zukunft“ – folgt eine ganz besondere Platte. Wie uns der Produzent verrät, könnte es sich dabei sogar um sein letztes Album handeln.

Dass mittlerweile sehr viele Künstler mit RAF Camora zusammenarbeiten möchten, ist nach seinem länderübergreifenden Erfolg stark anzunehmen. Auch der erste Straßenrapper Deutschlands, Bushido entpuppte sich neuerdings via Social Media als Fan. Einer Zusammenarbeit der alten Bekannten stünde grundsätzlich nichts im Weg, wie uns der Produzent verrät: „Egal, was man über Bushido sagt – er ist und bleibt eine Legende. Ich habe und werde ihm immer den Tribut zollen, den er verdient. Was eine Zusammenarbeit angeht, kann ich nur sagen, dass es auf den Song ankommt.“

2019 könnte RAF Camoras letztes Album folgen!

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