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Kindesmissbrauch

Umgang mit Pädophilen in Österreich: Milch und Honig für Täter

(FOTO: iStock/eranicle)
(FOTO: iStock/eranicle)

Nachdem dieses Jahr vermehrt Missbrauchsvorwürfe an Wiener Kindergärten bekannt wurden, sprachen wir mit dem Obmann des Bündnis Kinderschutz, Roberto Datri, über das Tabuthema „Kindesmissbrauch“ und über den Umgang mit den Tätern im österreichischen Justizsystem.

„Justizbeamte haben mir erzählt, beim Mittagessen unterhalten sich sieben oder acht Pädophile in einem Raum, wer welches Kind wie missbraucht hat.“

Obmann des Bündnis Kinderschutz, Roberto Datri

INTERVIEW

KOSMO: Ist Kindesmissbrauch in Österreich noch immer ein Tabuthema?

Roberto Datri: Ja, absolut. Es ist ein enormes Problem in Österreich, welches allerdings absichtlich von der Politik nicht angesprochen werden möchte, weil es unangenehm ist. Und über ein Problem, über das man nicht redet, gibt es auch nichts zu sagen.

Weshalb möchte die Politik Ihrer Meinung nach nicht, dass man über Kindesmissbrauch redet?

Roberto Datri: Weil die Politik in Wirklichkeit ein Riesenproblem zugeben würde, welches besteht und sie keinerlei Interesse daran haben, dieses Problem zu lösen. Wir haben mit unserem Verein „Bündnis Kinderschutz“ versucht, Gesetze zu ändern und haben alles mit unseren Anwälten in die richtigen Wege geleitet. Aber es bleibt immer an der Politik stehen. Letztens ist ein Artikel von der Kronenzeitung erschienen, in dem die FPÖ unser Antrag auf Verbot von Sexpuppen in Österreich – was in Deutschland schon verboten wurde – eingebracht hat. Es wurde abgelehnt. Man muss es offen aussprechen: Die Grünen und die ÖVP sind offenbar dafür, dass Kinder-Sexpuppen in Österreich nicht verboten werden.

(zVg, Roberto Datri)
Obmann des Bündnis Kinderschutz, Roberto Datri.
(zVg, Roberto Datri)

Das bedeutet, man nimmt ein Foto von einem Kind, geht in dieses Geschäft und lässt sich ein Ebenbild des Kindes machen. So eine Puppe liegt preislich bei 5.000 und 6.000 Euro. Das ist dann eine Silikonpuppe mit verschiedenen Öffnungen, einfach widerwärtig. Die Leute, die das bestellen, sind natürlich pädophil veranlagt und das muss man mal ganz klar offen sagen. Ich kann versprechen, dass da die Idee dahinter, dass man dann als Pädophiler bei der Kinderpuppe bleibt und sich nicht an Kindern vergeht, eine Illusion ist.

Es gibt von einigen Kritikern genau dieses Argument: wenn man Kinder-Sexpuppen abschaffen würde, würden sich viele Pädophilen eher an Kinder vergreifen. Was sagen Sie dazu?

Roberto Datri: Das ist die größte Lüge, die es überhaupt gibt. Das stimmt nicht! Das zeigen auch die ganzen Ermittlungen, die gefilmt werden. Jedes Mal, wenn irgendwelche Pädophilen verhaftet werden, was sehr selten vorkommt, das muss ich auch sagen, wird in den meisten Fällen kinderpornografisches Material gefunden. Das heißt ein Pädophiler, der Kinder missbraucht, schaut auch Kinderpornos an und im Darknet natürlich das Pädophilenhandbuch. Dieses Pädophilenhandbuch ist in Österreich auch nicht verboten. Und die meisten Pädophilen haben Kinder-Sexpuppen, an denen sie sich vorbereiten, wie es ist, mit einem echten Kind irgendwelche Handlungen durchzuführen.

Das heißt, dass was gewisse Politiker von sich geben, dass Kinder-Sexpuppen die Kinder schützen, ist falsch. Kinder-Sexpuppen sind kein Zeichen gegen Kindesmissbrauch!

In Deutschland hat Euer Verein „Bündnis Kinderschutz“ schon mehr erreicht…

Roberto Datri: Ja. Carsten Stahl, das ist der Gründer vom Bündnis Kinderschutz, der in Deutschland ansässig ist, beschäftigt sich schon seit zehn Jahren mit dem Thema. Wir in Österreich sind erst seit einem Jahr präsent und eine Zweigstelle aus Deutschland. Wir versuchen die Gesetze in Österreich zu ändern, die Stahl mit viel Mühe und Kraft die letzten Jahre in Deutschland geändert hat. Das sind drei wichtige Gesetze. Erstens ist da das Verbot von Kinder-Sexpuppen. Dann kommt das Verbot des Pädophilenhandbuches und ein lebenslanger Eintrag im Führungszeugnis bei Kindesmissbrauch.

(zVg, Roberto Datri)
(zVg, Roberto Datri)

Wie sieht es aktuell mit der Verurteilungsrate in Bezug auf Kindesmissbrauch in Österreich aus?

Roberto Datri: Die Verurteilungsrate ist lächerlich. Die meisten Verurteilungen werden auf Bewährung ausgesprochen. Sollte es dann doch zu einer längeren Gefängnisstrafe kommen – wir reden hier von ein bis zwei Jahren – sind die Informationen nach fünf oder sieben Jahre das aus der Akte des Täters gelöscht. Dann kann der Kinderschänder in einem Kindergarten arbeiten oder Feriencamps veranstalten. Ein Berufsverbot gibt es nicht und lebenslange Haft oder einen Eintrag ins Führungszeugnis gibt es auch nicht. Und hier ist immer die Politik das Problem.

Was glauben Sie, wie lange das in Österreich noch dauern kann?

Roberto Datri: Ich glaube, bis das Volk weiß, wie gravierend dieses Problem in Österreich ist. Aber den meisten ist es gar nicht bewusst. Wenn ich Menschen rede und anfange zu erklären, wie es in Österreich um das Thema Kindesmissbrauch steht, sind die meisten geschockt und sagen, dass sie das gar nicht wussten. Das kommt wohl daher, dass die Medien sehr wenig darüber berichten, die Politik das Thema totschweigen möchte und ein normaler Mensch sich damit nicht wirklich befassen kann. Aber Kinder sind unser höchstes Gut! Das vergisst man anscheinend jeden Tag. Und das ist das, was ich nicht verstehe: warum wird hier spezifisch weggeschaut?

Und leider ist auch kein Politiker dazu bereit, Stellung zu diesem Thema zu nehmen. Es ist mir völlig wurscht, wer die Anträge einbringt. Aber ich merke, es geht hier wirklich nur um ein politisches Machtinteresse. Täter werden weiterhin in unserem Land toleriert, geschützt, verdeckt, auch in Gefängnissen. Das wissen auch die wenigsten.

Was meinen Sie damit?

Roberto Datri: Wir haben mit Justizbeamten gesprochen. Die meisten denken, wenn Pädophile und Kinderschänder ins Gefängnis kommen, sind sie dran. Dann werden sie von den anderen Häftlingen richtig hart rangenommen. Und genau DAS ist eine Lüge in Österreich. Diese Herren sehen keinen einzigen Gefangenen außer andere Pädophile, andere Kinderschänder. Sie haben nämlich eigene Abteilungen, wo sie untereinander sind.

Aus welchem Grund?

Roberto Datri: Weil sie geschützt gehören. Weil ihnen die anderen Häftlinge vielleicht etwas antun könnten. Prävention, Prävention für die Täter. Das heißt, wir schützen die Täter mehr als die Opfer. Und die Opfer sind in diesem Fall unsere Kinder. Auch hier erbitte ich mir eine Erklärung von der Politik: warum gibt es diese Unterschiede? Justizbeamte haben mir erzählt, beim Mittagessen unterhalten sich sieben oder acht Pädophile in einem Raum, wer welches Kind wie missbraucht hat.

Und wenn ein pädophiler Insasse eine Schramme hat, kommt das Magistrat jeden zweiten Tag und kontrolliert die Justizbeamten. Dann wird sofort geschaut welcher Beamte Dienst hatte und Kameras werden ausgewertet. Und manchmal kommt es vor, dass diese Menschen sich auch untereinander verletzen, also auch Pädophile, Kinderschänder untereinander. Dann werden die Ermittlungen in Gang gesetzt, dass ja das Wohl der der Täter geschützt wird und keine Fremdverschulden vorliegt.

Was müsste passieren, um konkrete Fortschritte in Österreich zu erzielen?

Roberto Datri: Ich bin überzeugt davon, dass die Aufklärung des Volkes ganz wichtig ist. Wenn genug Menschen wissen, wie es in Österreich aussieht, ändert sich hoffentlich etwas. Aber wann war denn jemals eine Demo oder irgendetwas in der Art, bei der es um Kinderschutz geht? Solange das Volk alles hinnimmt und schweigt und nichts dagegen tut, hat die Politik auch keinen Stress und keinen Druck, hier was zu ändern.

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Hilfe bei Missbrauch

Falls Sie Personen kennen, die unter psychischem, physischem und/oder sexuellem Missbrauch leiden, zögern Sie nicht um Hilfe zu bitten:
• Rat auf Draht, Onlineberatung
• Rat auf Draht: Chatberatung Mo bis Fr, 18 – 20 Uhr
• Rat auf Draht: 147
• Sozialpsychiatrischer Notdienst: 01 / 310 87 79
• Frauenhelpline: 0800 222 555
• Sorgentelefon für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: 0800 / 20 14 40
• Psychiatrische Soforthilfe: 01 / 313 30

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